Special | Europa | Seidenstraße
Auf dem Balkan sind chinesische Firmen sehr aktiv
Chinesische Baukonzerne konzentrieren sich in Europa auf die Balkanregion. Die Nicht-EU-Staaten zeigen sich empfänglicher für chinesische Angebote.
15.03.2022
Von Sebastian Holz | Bonn
Die Westbalkanregion hat bis heute einen großen Nachholbedarf an Energie- und Transportinfrastruktur. Verglichen mit dem europäischen Durchschnitt hat die Region eine geringe Schienen- und Straßendichte. Veraltete und emissionsreiche Kraftwerke versorgen die knapp 18 Millionen Einwohner der sechs Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.
Die Europäische Union (EU) unterstützt die Region bereits seit Jahren. Vier der Länder sind EU-Beitrittskandidaten; Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo sind potenzielle Beitrittskandidaten. Sie alle profitieren von EU-Geldern, die Reformen vorantreiben, Ausbildungsprogramme unterstützen und auch zum Infrastrukturausbau beitragen. Da der Infrastrukturbedarf aber besonders groß ist, ist für die Länder der Region auch das chinesische Angebot der Belt and Road Initiative (BRI) attraktiv.
Fünf der sechs Länder des Westbalkans sind Mitglied der 16+1 Initiative, einem Kooperationsformat von China und 16 mittel- und osteuropäischen Staaten, bei dem es auch um den Infrastrukturausbau in der Region geht. Dabei kommt den Ländern der Region zugute, dass sie mangels EU-Mitgliedschaft nicht an EU-Ausschreibungsverfahren gebunden sind. Damit können sie chinesische Finanzierungsangebote leichter annehmen, wodurch sich auch der hohe Anteil an Projekten erklärt, die von der staatlichen China Exim Bank gefördert werden. Ähnlich wie die China Development Bank ist sie in vielen Partnerländern der neuen Seidenstraße aktiv. Die von chinesischen Institutionen finanzierten Projekte müssen qua Kreditvertrag - dabei häufig von (staatlichen) chinesischen Generalunternehmern - ausgeführt werden.
Serbien und China stehen sich nahe
Von den Balkanländern steht Serbien China am nächsten. Unter Präsident Aleksandar Vucic haben die Länder ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen deutlich vertieft. So spielt China etwa eine bedeutende Rolle beim Ausbau der Digitalinfrastruktur in Serbien.
Aber auch im Bausektor haben sich chinesische Konzerne längst etabliert. Die Liste der chinesischen Bauprojekte in Serbien ist die vielfältigste und gewichtigste in ganz Europa. Firmen aus der Volksrepublik bauen mehrere Abwasseranlagen und modernisieren Kraftwerke. Sie erweitern auch die Belgrader U-Bahn. Mehrere Autobahnprojekte, darunter die Strecke E763, Teil des Prestigeprojekts "Korridor XI", werden ebenfalls mit chinesischer Hilfe erbaut. Alleine diese Route schlägt mit fast 1 Milliarde Euro zu Buche. Viele der Projekte werden von der China Exim Bank finanziert.
Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
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U-Bahn Belgrad | 6000 | PowerChina, Alstom, Egis, Schneider | Zwei neue Linien mit 20 und 23 Haltestellen; Absichtserklärung 2020, Vertrag Mai 2021; Finanzierung durch Frankreich, China, Serbien |
Umbau der Stahlfabrik Smederevo | 1400 | China Metallurgical Construction Engineering Group | Modernisierung des 2016 von Heesteel erworbenen Kraftwerks; Baubeginn 2019 |
Budapest-Belgrad Bahnstrecke | 1045 | China Railway Group, CCCC | Finanziert durch China Exim Bank; Modernisierung von insgesamt 183,1 km Strecke; Baubeginn 2017, Fertigstellung bis 2024 |
Autobahn E763 (Corridor 11) | 952 | Shandong Hi-Speed Group, CCCC | Finanziert durch China Exim Bank; Neubau mehrerer Bauabschnitte (mindestens 120 km von insgesamt 269 km); erste Verträge 2016, teilweise noch im Bau |
Reifenfabrik Linglong | 800 | Energy China Tianjin | Neubau einer Reifenfabrik der Firma Linglong in der Freihandelszone Zrenjanin; Vertrag 2018k, Fertigstellung bis 2025 |
Abwasseranlage in Veliko Selo, Belgrad | 800 | China Machinery Engineering Corporation | Mehrere Teilprojekte, Vertrag 2020 |
Kostolac Kraftwerk Phase II | 640 | China Machinery Engineering Corporation | 350 MW Kohlekraftwerk nach EU-Emissionsstandards in Pozarevac; Baubeginn 2017 |
Fruskogorski-Korridor | 606 | China Road and Bridge Corporation (CCCC) | Finanziert durch China Exim Bank; Neubau von 48 km Verbindungskorridor zwischen E75 und E70 mit Brücken und Tunneln; Vertrag und Baubeginn 2021 |
Autobahn Belgrad-Zrenjanin-Novi Sad | 530 | Shandong Hi-Speed Group | 106 km Neustrecke; Baubeginn 2021 |
Industriepark in Borca, Belgrad | 229 | China Road and Bridge Corporation (CCCC) | Bau eines Industrieparks für die Ansiedelung von chinesischen Gewerbe-, Logistik- und Hochtechnologiefirmen; Vereinbarung 2018, Bau hat noch nicht begonnen |
Autobahnbrücke E70/E75 über den Fluss Sava | 227 | PowerChina, Azvirt | Finanziert durch China Exim Bank; Neubau einer Autobahnbrücke nach EU-Standard; Vertrag 2016 |
Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Pancevo (160 MW) | 212 | Shanghai Electric, Energy China Tianjin | Kraftwerk soll Raffinerie Pancevo und Stadtbevölkerung versorgen; Baubeginn 2018 |
Fernwärmeleitung Obrenovac | 210 | SEPCO II, PowerChina | Finanziert durch China Exim Bank; Vertrag 2017, im Bau |
Autobahnabschnitt Iverak-Lajkovac | 158 | China Shandong Economic Technical Coorperation Group | 18,3 km lange Anbindung an E763 in Lajkovac; Baubeginn Juni 2020 |
Autobahn E75 "Donaukorridor" | k.A. | Shandong Hi-Speed Group | 68 km langer Autobahnabschnitt der E75; Vertrag 2021 |
In Bosnien baut China Energieinfrastruktur
In Bosnien und Herzegowina liegt der Fokus der chinesischen Aktivitäten auf der Energiewirtschaft. Gleich mehrere Wasser- und Kohlekraftwerke wurden oder werden von chinesischen Firmen gebaut oder modernisiert. Die Ankündigung von September 2021, dass China künftig keine Kohleprojekte mehr finanzieren werde, wirkt sich dabei auf bereits geplante Projekte wie das Braunkohlekraftwerk Bonavici aus, dessen Finanzierung sich derzeit in der Schwebe befindet. Auch in Bosnien übernehmen die China Exim Bank und China Development Bank die Finanzierung vieler Bauprojekte.
Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
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Tuzla 450MW Kohlekraftwerk | 722 | Gezhouba Group | Finanzierung durch China Exim Bank; Vertrag 2014, Baubeginn 2020 |
Ugljevik III Kraftwerk (2x350 MW) und Tagebau | 700 | China National Electric Engineering Company (Sinomach) | Finanziert durch China Development Bank; Vertrag Juli 2021 |
Braunkohlekraftwerk Bonavici (350 MW) | 450 | Dongfang Electric | Finanziert durch ICBC China; angekündigt 2013, mehrmals verschoben, Finanzierungsschwierigkeiten |
Stanari Kohlekraftwerk (300 MW) | 350 | Dongfang Electric | Finanziert durch China Development Bank; erstes Projekt im Rahmen der 16+1 Initiative; Inbetriebnahme 2016 |
Banja Luka-Prijedor Autobahn | 297 | Shandong Hi-Speed Group | Vierspurig, 42 km, 7 Tunnel, 35 Brücken; Vertrag 2017, Baubeginn 2021 (36 Monate) |
Banja Luk-Novi Grad-Dobrljin | 265 | Shandong Hi-Speed Group | 110 km Bahnstrecke; vereinbart 2017, noch kein Baubeginn |
Dabar Wasserkraftwerk | 240 | Gezhouba Group | Finanzierung durch China Exim Bank; Trebinje Region; 160 MW; Vertrag vom 04.05.20 |
Buk Bijela Wasserkraftwerk (93,52 MW) | 200 | China National Aero-Technology International Engineering | Finanzierung durch China Exim Bank; Wasserkraftwerk über dem Fluss Drina in der Republika Srpska; vereinbart 2017 |
Čapljina Autobahn | 100 | China State Construction, PowerChina | Bau eines 10 km langen Streckenabschnittes mit Brücken; Teil des Paneuropäischen Korridors V |
Wasserkraftwerk Bistrica | 90 | China National Aero-Technology International Engineering | Vertrag 2019 |
Ulog Wasserkraftwerk (34,44 MW) | 70 | PowerChina | Baubeginn 2019, geplante Fertigstellung März 2024 |
Flughafen Trebinje | 50 | China National Aero-Technology International Engineering | Neubau Flughafen in Republika Srbska; Vertrag 2019, im Bau |
Chinesische Firmen bauen Straßen in Montenegro und Nordmazedonien
Geringer fällt das chinesische Engagement in den kleineren Balkanstaaten Montenegro und Nordmazedonien aus. Aber auch dort konnten sich Sinohydro und andere chinesische Firmen Aufträge sichern, speziell in den Bereichen Straßenbau, Wasserkraft und Windkraft. Das Kohlekraftwerk Pljevlia in Montenegro soll bis 2023 an europäische Standards angepasst werden. Auftragnehmer ist die chinesische Dongfang Electric Corporation.
Die Bar-Boljare-Autobahn in Montenegro machte im vergangenen Jahr international Schlagzeilen. Das Land hatte sich trotz negativer Machbarkeitsstudien der EU für die Umsetzung des komplizierten Projektes entschieden, das eine gefährliche Serpentinenroute ersetzen soll. Dafür wurde bei der China Exim Bank ein Kredit in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar aufgenommen. Nachdem die montenegrinische Regierung im Jahr 2021 Schwierigkeiten bekommen hatte, den Kredit zu bedienen, schloss sie ein Abkommen mit drei westlichen Banken, mit dem die Rückzahlungszinsen halbiert werden konnten.
Land | Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
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Nordmazedonien | Kicevo-Ohrid Autobahn | 370 | Sinohydro | Finanziert durch China Exim Bank; 56,6 km Teil vom europäischen Korridor VIII; Baubeginn Mai 2014 |
Nordmazedonien | Miladinovci-Stip Autobahn | 203 | Sinohydro | Finanziert durch China Exim Bank; vereinbart 2013, eröffnet 2019 |
Nordmazedonien | Kozjak Wasserkraftwerk (2x40 MW) | 150 | China International Water & Electric Corporation (Three Georges Group) | Finanziert durch Bank of China; Juni 2004 Inbetriebnahme; Erweiterung auf 100 MW 2009 |
Montenegro | Bar-Boljare Autobahn | 867 | China Road and Bridge Corporation (CCCC) | Finanziert durch China Exim Bank; Gesamtlänge 180 km; Baubeginn 2015, Fertigstellung 2022 |
Montenegro | Mozura Windpark (23x2 MW) | 87 | Shanghai Electric, Enemalta | Inbetriebnahme 2019. |
Montenegro | Umbau des Kohlekraftwerks Pljevlja I | 55 | Dongfang Electric | Anpassung an EU-Standards; Vertrag Juni 2021, Umsetzung bis 2023 |
Montenegro | Renovierung der Straße M2 zwischen Tivat-Budva | k.A. | China Civil Engineering Construction | Vertrag Juli 2021 |
In Albanien und im Kosovo ist China kaum aktiv
In Albanien hält sich das chinesische Engagement im Bausektor in Grenzen. Die chinesische Geo-Jade Petroleum Corporation kaufte im Jahr 2016 Albaniens einziges Ölfeld von seinem kanadischen Vorbesitzer. Chinas größter Kupferkonzern Jiangxi Copper Corporation hält 50 Prozent der Anteile am türkischen Bergbaukonzern Nesko Metal und ist darüber auch an Albaniens Ölfeldern beteiligt. Zwischen 2016 und 2020 war der Flughafen Tirana im Besitz der China Evergrande Group, bevor der albanische Ölkonzern Kastrati den Flughafen zurückkaufte. Größere chinesische Bauprojekte finden sich in dem Land dagegen nicht.
Wenig transparent sind Chinas wirtschaftliche Aktivitäten in Kosovo. Die Volksrepublik erkennt die Unabhängigkeit des Landes offiziell nicht an. Die beiden Länder handeln trotzdem miteinander, am Infrastrukturbau im Kosovo beteiligt sich China aber bislang nicht.