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Markets International 4/24 I Eritrea I Investitionsklima

Weißer Fleck am Roten Meer

Eritrea ist eine der letzten Leerstellen auf der Weltkarte ­deutscher Exportunternehmen. Unser Reisekorrespondent für ­Ostafrika, hat sich am Horn von Afrika umgeschaut.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Der Manager des Zementwerks in Massawa hat sich intensiv auf den Besuch aus dem Ausland vorbereitet. Es war schon länger niemand mehr aus Deutschland da – und er braucht Hilfe. Dringend, denn er leitet den einzigen Zementhersteller in Eritrea. Schon seit 1963 arbeitet die ältere von zwei Anlagen hier am Roten Meer. Mittlerweile allerdings nur noch so halb. Es fehlt an Ersatzteilen des Anlagenbauers, „Krupp Eisen- und Stahlbau Rheinhausen“ hat der Mann auf einen Zettel geschrieben. Bei der Absackvorrichtung für den Zement, auch made in Germany, klemmt es ebenfalls. „Wir hatten immer eine sehr gute Zusammenarbeit mit den deutschen Firmen“ – bei diesen Worten blättert der Manager in Fotos aus den 90er-Jahren mit gut gelaunten Geschäftspartnern – „und waren mit der Qualität ihrer Technik immer sehr zufrieden.“ Er habe keine Ahnung, ob die Teile noch produziert werden. Auf Anfragen bekomme er keine Antwort. Vielleicht lasse sich ja so etwas ausrichten …

Markets International Ausgabe 4/24

Markets International 04/24 Markets International 04/24 | © GTAI

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 4/2024. Lesen Sie noch weitere informativen Beiträge der aktuellen Ausgabe.

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Diese Art Vermittlung ist zwar nicht so, wie Exportförderung bei GTAI normalerweise funktioniert, aber normal ist hier in Eritrea sowieso nichts. In diesem abgeschotteten, kleinen Land am Horn von Afrika ist von Aktivitäten deutscher Firmen nichts bekannt. Eritreas Regierung beklagt eine „große Zurückhaltung“ westlicher Unternehmen. Müsste es doch auch hier Marktchancen für deutsche Exporteure geben? 

Vielleicht in der Telekommunikation. Wenn jemand erleben will, wie sich Freunde bei einem Treffen noch unterhalten, statt nur aufs Handy zu starren, sollte nach Eritrea gehen. Facebook, Whatsapp oder auch nur Telefon-Roaming, alles Fehlanzeige. Noch nicht mal Internet gibt es, jenseits der paar Inseln von Firmen oder Hotels. Sie verschaffen sich mit Tausenden von US-Dollar im Monat einen Zugang zum Netz. Wenn das Handy dann „Das Netzwerk wird eventuell überwacht“ vermeldet, kommt unwillkürlich die Frage auf: Ist das nun ein Relikt der Apps, welche die freundliche Dame von der Rezeption zwecks Netzverbindung installiert hat? Oder doch ein Gruß vom Überwachungsstaat? 

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„Jeder Zehnte von den Leuten hier ist ein Spitzel“, meint auf einem belebten Platz in Eritreas Hauptstadt Asmara ein Ausländer, der schon eine Weile hier lebt. Die Regierung muss sich bei der Kontrolle der Bevölkerung ihrer Sache inzwischen allerdings recht sicher sein. Polizei ist in Asmara oder in der Hafenstadt Massawa kaum zu sehen. Selbst beim Besuch im Büro von einem der obersten Vertreter der Staatspartei gibt es keinen Sicherheitscheck: kein Personal außer der Sekretärin, niemand will in die Tasche sehen. 

Harte Fakten? Fehlanzeige 

Das Thema des Besuchs: die Wirtschaft Eritreas. Vieles weiß man nicht darüber. Schon bei den grundlegenden Daten zum Land herrscht Unklarheit. Leben nun gut sechs Millionen Menschen im Land, wie der US-Geheimdienst CIA meint? Oder sind es doch eher drei Millionen, was näher bei der Angabe der Weltbank wäre? Der Parteigewaltige lächelt. „Gehen Sie mal von 4,5 Millionen aus.“ Kennt er denn selbst die wirkliche Zahl? Natürlich, kommt es zurück, wie sonst wolle man ein Land regieren? 

Auf die Frage nach der Größe der Volkswirtschaft gibt er keine Antwort. Deren Wachstum scheint man immerhin bis auf die Nachkommastelle ausgerechnet zu haben: „3,5 bis 4 Prozent im Jahr.“ Ob sich das jetzt auf dieses, das nächste oder auf das vergangene Jahr bezieht? Man weiß es nicht so genau.

Westliche Unternehmen tun sich schwer in einem Land, mit dem die politischen Beziehungen kompliziert sind. Wo in einem Ministerium jemand erklärt: „Erst müssen die Menschen genügend zu essen bekommen und ein Dach über dem Kopf haben, bevor man sich um Bürgerrechte kümmern kann.“ Gefragt ist bei dieser Sachlage, werden sich manche Wirtschaftsvertreter denken, eine strikte Trennung von Politik und Geschäft. Und ein sehr pragmatisches Handeln. So wie man das gemeinhin den Chinesen nachsagt.

Was man weiß: Chinas Firmen dominieren den Bergbau, die mit Abstand wichtigste Exportbranche für Eritrea. Zijin, Sichuan & Co. haben in den vergangenen Jahren westliche Firmen aus sämtlichen großen Bergwerken und Minenprojekten herausgekauft. Aber auch sie scheinen nicht vollkommen zufrieden mit den Dingen, wie sie im Land laufen. So werde es schwierig mit den Erträgen im Bergbau, wenn die Kupferminen nicht einmal, wie allgemein üblich, ihre Nebenerzeugnisse als Dünger für die Landwirtschaft verkaufen dürfen. In Eritrea haben sie es sich nämlich in den Kopf gesetzt, dass Dünger künftig nur noch aus organischen Quellen stammen soll.

Die Eigensinnigkeit, die Beobachter der eritreischen Regierung zuordnen, mag zu tun haben mit dem langen Unabhängigkeitskampf gegen den großen Nachbarn Äthiopien. Auch für die Wirtschaft gilt: Bloß nicht alle Eier in einen Korb legen – so ließe sich ein vielfach in Ministerien geäußerter Wunsch zusammenfassen. Ein leises Verständnis für diese Haltung dämmert dem Besucher bei Vorbeifahrt an einem festungsartigen Riesengelände, das sich als Chinas Botschaft in Asmara entpuppt. 

Fischer verladen Eis aus einer deutschen Maschine am Hafen Massawa. Fischer verladen Eis aus einer deutschen Maschine am Hafen Massawa. | © Ulrich Binkert /GTAI

Auch schaut das Bergbauministerium den Chinesen auf die Finger, lässt sich aus einem Gespräch in der Behörde mitnehmen. Ein Beispiel: Im Goldbergwerk Zara soll der neue chinesische Haupteigner viel Gerät von zu Hause mitgebracht haben, nachdem er den australischen Vorbesitzer herausgekauft hatte. Allerdings kamen die Chinabrecher nicht mit dem harten eritreischen Gestein zurecht. Man habe mit dafür gesorgt, dass jetzt westliche Technik den Job macht, so der Vertreter des Ministeriums. 

„Ich will keine Maschinen aus China!“, sagt auch der Chef des Hafens Massawa. „Wir brauchen hier die beste Technik und eine gute Ersatzteilversorgung“, bekräftigt der Mann, der auch oberster Herr von Eritreas Hafenbehörde ist. Was für ihn beste Technik ist? Er zeigt auf seine Verladekräne: allesamt europäische Marken. Der neueste Ship-to-Shore-Kran stammt aus Deutschland. Für den mobilen Kran, dessen Beschaffung ansteht, liegt dem Hafenchef schon ein Angebot des deutschen Unternehmens auf dem Tisch.

Unterm Strich macht die Visite in Eritrea klar: Marktpotenzial gibt es schon, die Chinesen machen es vor. Und wenn es zum Teil nur aus dem Ersatzbedarf für uralte Maschinen besteht. Da könnte der Besuch im Zementwerk schon was gebracht haben. „Wir kümmern uns“, heißt es, dann wieder in Deutschland, bei einem der Lieferanten von damals. 

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