Die Gesundheitswirtschaft spielt eine maßgebliche Rolle im Kampf gegen das Coronavirus. Besonderes Augenmerk gilt den vergleichsweise jungen Branchen wie Digital Health oder der medizinischen Biotechnologie. Covid-19 hat die Vorteile digitaler Lösungen in der Gesundheitsversorgung in den Vordergrund gerückt. Bei der Überwachung der Ausbreitung des Virus leisten digitale Technologien einen wichtigen Beitrag. Auch Biotech-Unternehmen helfen beim Weg aus der Krise mit Impfstoffen und diagnostischen Tests. Die Branchen boomen und bessere Rahmenbedingungen, hohe Investitionen und mehr Fördergelder unterstützen die Dynamik.
EU unterstützt Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten
Die Pandemie machte weltweit den hohen Modernisierungsbedarf der Gesundheitsinfrastruktur deutlich. Dabei geht es nicht nur um die Bewältigung kurzfristiger Krisen. Seit Jahren sorgen globale Entwicklungen, wie der demografische Wandel oder der Anstieg von chronischen Erkrankungen, für eine immer höhere Nachfrage nach innovativeren Gesundheitslösungen, beispielsweise zur Fernüberwachung von Patienten.
Obwohl die Systeme in den EU-Ländern im weltweiten Vergleich gut aufgestellt sind, waren diese den Covid-Infektionswellen nicht ausreichend gewachsen und der Nachholbedarf ist deutlich sichtbar. Die EU will mit Hilfspaketen wie dem 9,4 Milliarden Euro teuren EU4Health-Programm nun die Systeme für künftige Krisen besser vorbereiten. Zu Beginn der Pandemie fehlten vor allem medizinische Ausrüstung und Arzneimittel. Darum ist ein zentrales Ziel des Programms, Reserven in den Mitgliedsstaaten aufzubauen. Auch nationale Hilfspakete und Programme werden für mehr Investitionen im Gesundheitswesen sorgen.
Die geplanten höheren Ausgaben und Investitionen in den EU-Ländern ermöglichen deutschen Branchenunternehmen in den kommenden Jahren zahlreiche Geschäftschancen. Sie sind stark exportorientiert, und Produkte und Dienstleistungen mit dem Label ‘‘Made in Germany‘‘ sind in der EU begehrt. Laut Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) exportierten deutsche Medizintechnikunternehmen 2020 rund 66 Prozent ihrer Produkte, Tendenz steigend. Der wichtigste Absatzmarkt ist die EU mit 41 Prozent (Stand 2019) gefolgt von Asien (19,3 Prozent) und Nordamerika (18,9 Prozent). Ähnlich sieht die Nachfrage nach Arzneimitteln aus Deutschland aus, etwa 64,9 Prozent der Produkte deutscher Pharmaunternehmen gehen ins Ausland.
Medizintechnik: Investitionen in Kliniken kurbeln Nachfrage in Polen und Frankreich an
Aufgrund des erwarteten Anstiegs der Gesundheitsausgaben in Polen von aktuell 5,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf 7 Prozent bis 2027 eröffnen sich neue Lieferchancen. Besonders Medizintechnikhersteller könnten von hohen Investitionen in Krankenhäuser profitieren. Polens Vorhaben werden zusätzlich durch EU-Mittel flankiert, denn das Land zählt zu den größten Empfängern von Hilfen aus Brüssel. Neben dem Bau neuer Kliniken werden so auch umfangreiche Modernisierungsarbeiten finanziert.
In Frankreich sind die Kliniken während der Pandemie ebenfalls enorm unter Druck geraten. Im Hilfspaket der französischen Regierung nimmt die Unterstützung von Krankenhäusern und der Ausbau der Krankenhausinfrastruktur ebenfalls eine zentrale Rolle ein. In den nächsten Jahren werden zahlreiche Großprojekte wie Klinikneubauten und Instandsetzungen den Bedarf an medizintechnischer Ausrüstung antreiben. Zudem will das Land Pflegeheime modernisieren.
Arzneimittel: Mehr Inlandsproduktion in Frankreich und höhere Ausgaben in Italien
Frankreich gehört zu den wichtigsten Abnehmern deutscher Gesundheitsprodukte in der EU und ist der viertgrößte Abnehmer von Arzneimitteln aus Deutschland. Laut Branchenexperten wird der französische Arzneimittelmarkt von 36,9 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 39,7 Milliarden Euro bis 2025 wachsen. Aufgrund der Engpässe bestimmter Pharmazeutika während der Krise will die Regierung nun die Inlandsproduktion stärker fördern. Frankreich soll als Standort für Hersteller attraktiver werden.
Italien ist als sechstgrößter EU-Importeur von Arzneimitteln aus Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt. Zwar produziert das Land selbst große Mengen Pharmazeutika. Der Inlandsbedarf wird jedoch zu drei Vierteln durch Importe bedient. Bis 2025 soll das Marktvolumen laut Analysten von knapp 29 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 33,9 Milliarden Euro steigen. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: Italiens Bevölkerung ist die Älteste in der EU, die Bereitschaft privater Ausgaben für Medikamente steigt und Käufer bevorzugen Markenprodukte.
Digital Health: Pioniere Schweden und Spanien gehen nun ins Feintuning
Wenn es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens geht, gilt Schweden als einer der Vorreiter in Europa. Digitale Leistungen werden erstattet und durch die Affinität der schwedischen Bevölkerung für digitale Lösungen sind bereits Strukturen und viel Expertise vorhanden, von denen deutsche Unternehmen profitieren können. Gleichzeitig bieten sich Geschäftschancen für deutsche Anbieter bei Lösungen für den Altenpflegesektor oder das psychische Wohlbefinden.
Aufgrund seiner fortschrittlichen regionalen Anwendung von digitalen Gesundheitslösungen gehört auch Spanien zu Europas Spitze bei Digital Health. Dünn besiedelte Regionen sorgen seit Jahren dafür, dass Patienten digitale Angebote nutzen. Durch die Pandemie angetrieben will das Land nun die Digitalisierung des Gesundheitssektors stärken. Besonders bei der Analyse der gesammelten Daten und bei telemedizinischen Anwendungen ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft.
Biotechnologie: Spannende Forschungsszene in Spanien und Schweden
Für die Biotechnologie ist Spanien ein bedeutender Markt. Das Land hat den viertgrößten Sektor in der EU, der auf nationaler sowie regionaler Ebene kräftig gefördert wird. Covid-19 diente für die Branche als Katalysator und treibt unter anderem die Entwicklung von Impfstoffen an. Bereits jetzt ist die spanische Biotechbranche auf medizinische Anwendungsgebiete ausgerichtet. Laut Fachverband AseBio forschen 65 Prozent seiner Mitglieder in diesem Bereich. Führend bei biotechnologischen Entwicklungen sind die Regionen Katalonien und Madrid.
Auch nach Schweden lohnt sich der Blick deutscher Biotech-Unternehmen: Das Land belegt laut Invest Europe den sechsten Platz bei der Gewinnung von Risikokapital und der Anzahl an Unternehmen im Lifesciene-Sektor in Europa. Gemessen am BIP steckt das Land europaweit am meisten Geld in Forschung und Entwicklung. Diese Förderung will Schweden stetig ausbauen.
Mehr über die Pläne und Entwicklungen der Gesundheitsbranche in Frankreich, Italien, Polen, Schweden und Spanien sowie zu Unterstützungsangeboten bieten die Fact Sheets von Germany Trade & Invest und der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft.