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Healthcare Monitor - Polens Gesundheitsausgaben steigen

Polens Gesundheitsausgaben steigen – auch dank neuer Fördergelder. Einige Marktsegmente profitieren besonders. Unternehmen kritisieren die Erstattungspolitik.

Von Christopher Fuß | Warschau

  • Entwicklungen im Gesundheitswesen

    Polen gibt mehr für Arzneimittel und Medizintechnik aus. Eigentlich ein Grund zur Freude für die Gesundheitsbranche. Allerdings beunruhigen einige geplante Reformen die Firmen.

    Polens gesetzliche Krankenkasse (Narodowy Fundusz Zdrowia, NFZ) nimmt mehr Geld in die Hand. Ab 2023 klettern die Ausgaben auf rund 30 Milliarden Euro – ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die neuen Mittel fließen zu einem großen Teil in die ambulante Versorgung.

    Auch die Zuzahlungen für Medikamente und medizinische Geräte steigen. Das Erstattungsbudget der Kasse legt um eine knappe Milliarde Euro auf rund 4,4 Milliarden Euro zu. Effekte sind bereits sichtbar. Allein im September 2022 landeten über 140 neue Präparate auf der Erstattungsliste.

    Volle Kassen und Personalmangel

    Insgesamt darf sich NFZ über eine gute Finanzlage freuen. Die Gehälter in Polen ziehen an und damit die anteiligen Kassenbeiträge. Auch die Beschäftigtenzahlen steigen. Eine Steuerreform erhöht die Gesundheitsbeiträge von Selbstständigen.

    Die Mehrausgaben sind gesetzlich verankert. Polen verpflichtet sich, ab 2023 mindestens 6 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die öffentliche Gesundheitsversorgung zu investieren. Im Jahr 2022 liegen die Ausgaben bei 5,75 Prozent des BIP.

    Das Gesundheitsministerium will niedergelassene Fachärzte stärken. Es gibt keine Besuchsobergrenzen mehr. Behandlungen werden besser vergütet. Die Zahl der Facharzt-Visiten kehrt 2022 auf das Vor-Corona-Niveau zurück. Nebeneffekt: Patienten warten wegen Personalmangel länger auf einen Termin.

    Das spüren auch die Krankenhäuser. „Mediziner gehen in den Ruhestand, und es gibt keine neuen“, klagt Krankenhausdirektor Krzysztof Zaczek im Zeitungsinterview. Mindestens 71 Stationen mussten im 1. Halbjahr 2022 wegen Personalmangel schließen. Medizinische Fachkräfte protestieren außerdem für höhere Gehälter.

    Branchenvertreter kritisieren Erstattungspolitik

    Es gibt weitere Reibungspunkte in Polens Gesundheitswesen. Eine Reform des Arzneimittelgesetzes stößt auf wenig Gegenliebe bei den Branchenvertretern. Im Sommer 2022 legte das Gesundheitsministerium einen Entwurf vor. Arzneimittelhersteller sind unzufrieden, dass ein Algorithmus Medikamenten-Höchstpreise festlegt. Wer mehr verlangt, fällt aus der Erstattung heraus. Ein weiterer Streitpunkt sind Obergrenzen für Therapien. Das Gesundheitsministerium will Erstattungen ablehnen, wenn die Therapiekosten 51.000 Euro pro gewonnenem Patienten-Lebensjahr übersteigen.

    Positiv bewerten Branchenvertreter, dass die Zuzahlungen für Kombinationspräparate steigen sollen. Apotheken und Großhändler profitieren davon, weil das Gesetz die vorgeschriebenen Margen anhebt. Gleichzeitig verlangt das Gesundheitsministerium, ein Medikament müsse in mindestens 10 Großhandlungen auf Vorrat liegen. Ein Nachteil für ausländische Hersteller ist der Plan Polens, Medikamente aus heimischer Produktion schneller auf die Erstattungsliste zu setzen. Unklar ist, welche Kriterien ein Produkt als polnisch qualifizieren.

    Unbestätigten Zeitungsberichten zufolge befindet sich eine jährliche Zuzahlungs-Obergrenze für verschreibungspflichtige Medikamente in Planung. Zahlt ein Patient mehr, übernähme die Kasse die weiteren Kosten.

    Gute Nachrichten gibt es für Hersteller bestimmter Medizinprodukte. Ab 2023 will NFZ höhere Zuschüsse für Hörgeräte, Rollstühle und Kompressionsstrümpfe zahlen. Der Branchenverband POLMED hofft, dass für weitere Produkte die Subventionen steigen. Seit April 2022 übernimmt NFZ die Kosten für den Einsatz von Roboterchirurgie bei der Behandlung von Prostatakrebs-Patienten.

    Kein Durchbruch bei den Krankenhäusern

    Zusammengestrichen hat das Gesundheitsministerium eine Krankenhausreform. Viele öffentliche Einrichtungen sind überschuldet. Zwischen 2018 und 2022 wuchs der Schuldenberg aller Krankenhäuser um 35 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro.

    Das Gesundheitsministerium wollte einige Niederlassungen unter die Aufsicht einer Restrukturierungs-Agentur stellen. Hintergrund: Laut Experten hat Polen zu viele Krankenhäuser. Hinzu kommt, dass sich die Einrichtungen selten spezialisieren.

    Allerdings will keine Gemeinde ihr Krankenhaus verlieren. Nach Protesten ist die Agentur vom Tisch. Entscheidet sich ein Krankenhaus für eine Neuausrichtung, sollen Fördergelder fließen. Eine weitere Herausforderung für Krankenhäuser ist die Inflation. Baumaterialien haben sich verteuert. Das erschwert Renovierungsarbeiten.

    Arzneimittelproduktion und Digital-Health sollen wachsen

    Das Wirtschaftsministerium beklagt, dass Firmen nur 171 aktive pharmazeutische Wirkstoffe (Active Pharmaceutical Ingredient, API) in Polen herstellen. Gleichzeitig importiere das Land fast 1.400 API. Pharmavertreter erwidern, eine heimische Produktion sei nur mit Fördergeldern möglich.

    Polen will auf europäische Töpfe zugreifen, um neue API-Kapazitäten zu schaffen. Polnische Institutionen wie die staatliche Agentur für medizinische Studien (Agencja Badań Medycznych, ABM) stellen Gelder zur Verfügung. ABM unterstützt auch Projekte in der Medizintechnik. Das Wirtschaftsministerium arbeitet seit 2021 an einer Liste mit strategisch wichtigen API. 

    Der Digital Health Sektor entwickelt sich ebenfalls sehr dynamisch. Telemedizin gehört in Polen zum Alltag. Das Gesundheitsministerium führt Programme mit E-Stethoskopen und EKG-Pflastern durch. Patienten wenden die Geräte zu Hause an und ein Arzt wertet die Daten aus. Krankenhäuser hingegen haben Schwierigkeiten bei der elektronischen Patientendokumentation, obwohl sie vorgeschrieben ist.

    Bis September 2022 berieten Regierung und Branchenexperten Polens E-Health Strategie bis 2027. Themen wie Selbstdiagnose, Fernbehandlung und künstliche Intelligenz gehören zu den Schwerpunkten. Patienten sollen außerdem mehr Behandlungen online buchen können.

    Corona spielte in der öffentlichen Wahrnehmung im Herbst 2022 keine Rolle – trotz steigender Fallzahlen. Personen ab 12 Jahren können sich für die zweite Auffrischungsimpfung registrieren. Polen will mit den Impfstoffherstellern neue Lieferbedingungen aushandeln. Viele Präparate verfallen wegen niedriger Impfquoten ungenutzt. Im Gespräch ist, dass Produzenten statt Impfstoffe andere Medikamente liefern.

    Eckdaten Gesundheitsmarkt

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2020 in Mio.)

    37,8

    Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.)

    - 0,11

    Altersstruktur der Bevölkerung (2020)

      Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

    15,2

      Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    18,7

    Durchschnittseinkommen (2020 in Euro)

    1.155

    Gesundheitsausgaben (2020)

      pro Kopf (2020 in Euro)

    936

      öffentlich (2020 in Mrd. Euro)

    26,0

      privat (2020 in Mrd. Euro)

    9,4

    Anteil der Gesundheitsausgaben

      am BIP (2020 in %)

    6,95

      für Medikamente (2020 in %)

    35

    Anzahl Krankenhäuser (2020), davon

    978

      öffentlich (in %)

    51,5

      privat (in %)

    48,5

    Ärzte/1000 Einwohner (2020)

    2,5

    Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2020)

    4,8

    Quelle: Fitch Solutions; GUS

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Gesundheitssystem

    Mindestens 90 Prozent der Bevölkerung in Polen sind pflichtversichert. Private Dienstleister bauen ihre Position aus. Teure Medikamente haben es aber weiterhin schwer.

    Die gesetzliche Krankenkasse Nationaler Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia; NFZ) ist der wichtigste Geldgeber in Polens öffentlicher Gesundheitsversorgung. Arbeitnehmer führen 9 Prozent ihres Bruttogehalts an NFZ ab. Es gibt keine Pläne, einen Arbeitgeberanteil einzuführen. Selbstständige, Familien, Menschen mit niedrigem Einkommen und weitere Gruppen zahlen abweichende Beiträge.

    Steuerfinanzierte Programme decken rund 10,9 Prozent aller öffentlichen Gesundheitsausgaben ab. Der Anteil könnte sinken. Polens Gesundheitsministerium will mehr Leistungen über NFZ abwickeln. Die Krankenkasse soll unter anderem die Kosten für Corona-Impfungen übernehmen. Bislang zahlt hier der Staatshaushalt.

    Polens Gesundheitsausgaben sind relativ niedrig. Laut Eurostat entsprachen die öffentlichen und privaten Auslagen für medizinische Leistungen 2019 rund 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Der Durchschnitt in der Europäischen Union (EU) betrug 9,9 Prozent. Das meiste Geld floss in die knapp 1.000 Krankenhäuser Polens. Neuere Zahlen hat Eurostat nicht.

    Privater Versicherungsmarkt wächst weiter

    Freiwillige Zusatzversicherungen haben, verglichen mit anderen Ländern Mittelosteuropas (MOE), einen hohen Anteil an den Gesamtausgaben. Die Tendenz ist steigend. Der Versicherungsverband PIU (Polska Izba Ubezpieczeń) zählte 2021 rund 3,8 Millionen Personen mit einer Zusatzversicherung, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein vollständiger Wechsel zu privaten Anbietern ist nicht möglich. Versicherungspakete für Mitarbeiter gehören mittlerweile zu den häufigsten Lohnzusatzleistungen.

    Private Anbieter, wie Damian, Luxmed oder Medicover, betreiben Gemeinschaftspraxen, Apotheken und weitere Einrichtungen. Mitglieder erhalten Vergünstigungen. Mittlerweile bieten die Unternehmen auch einige operative Eingriffe an.

    Kampf gegen Fachkräftemangel

    Private und öffentliche Einrichtungen spüren den Personalmangel. Laut OECD gibt es in Polen nur 2,4 Ärzte je 1.000 Einwohner – der niedrigste Wert in der EU. Jüngste Angaben stammen aus einer Studie aus dem Jahr 2020. Polens Gesundheitsministerium kommt in eigenen Berechnungen auf 3,3 Ärzte je 1.000 Einwohner.

    Dennoch spricht auch die Regierung von einem Fachkräftemangel. Universitäten schaffen darum zusätzliche Medizin-Studienplätze. Das Gesundheitsministerium kündigte an, Studiendarlehen zu übernehmen. Eine Voraussetzung ist, dass Studenten sich auf eine bestimmte Fachrichtung spezialisieren und nicht ins Ausland abwandern. Kurzfristig will Polen auch internationale Fachkräfte anwerben. Die Integration von Medizinspezialisten, beispielsweise aus der Ukraine, läuft aber schleppend. Der Grund sind Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen.

    Generika dominieren den Pharmamarkt

    Arzneimittel und medizinische Produkte sind in vier Erstattungsgruppen unterteilt. Die Selbstbeteiligungsquote für Patienten kann bis zu 50 Prozent betragen. Darüber hinaus existieren verschiedene Preislimits. Liegen die Kosten eines Medikaments über einer bestimmten Grenze, fließt nur der Betrag bis zum jeweiligen Richtwert in die Berechnung der Erstattungsgrundlage mit ein.

    NFZ erstattet vor allem Generika. Laut Fitch Solutions ist der Anteil patentfreier Medikamente an allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in keinem europäischen Land so hoch wie in Polen. Hinzu kommen hohe Zuzahlungen von Patienten. OECD-Angaben zufolge stemmen polnische Bürger weit mehr als die Hälfte aller Medikamentenkosten aus eigener Tasche. Untersuchungen zeigen, dass rund ein Fünftel aller Rezepte nicht eingelöst wird – auch wegen der hohen Kosten.

    Mittelfristig erzeugen Generika nach Schätzungen von Fitch Solutions den größten Umsatz im Markt für verschreibungspflichtige Medikamente. Neben patentfreien Artikeln verzeichnen Over-the-Counter Produkte (OTC) steigende Verkaufszahlen. Das liegt auch daran, dass in Polen verhältnismäßig viele Medikamente außerhalb von Apotheken angeboten werden dürfen. Fitch Solutions prognostiziert für den Pharmamarkt ein jährliches Wachstum zwischen 7 Prozent und 8 Prozent bis 2026.

    Polen erstattet mehr teure Medikamente

    Auch innovative Arzneimittel haben Potenzial, vor allem, wenn die Zahl möglicher Patienten gering ist. Seit September 2022 erstattet NFZ Behandlungen mit Zolgensma. Das Medikament wirkt gegen spinale Muskelatrophie (SMA) und gilt als eines der teuersten Arzneimittel der Welt.

    Bereits seit 2021 erstattet das Gesundheitswesen CAR-T-Zell-Therapien und mehrere Gentherapien. In diesem Zusammenhang schafften es auch Arzneimittel der in Deutschland produzierenden Ferring GmbH auf die Erstattungsliste. Beobachter gehen davon aus, dass Polen das Erstattungsangebot für ältere Personen ausbauen wird.

    Der Nachholbedarf bleibt aber groß. Laut europäischem Krebsmedizinerverband ESMO (European Society of Clinical Oncology) haben Patienten in Polen nur zu 27 von 132 empfohlenen Tumor-Therapien vollen Kassenzugang.

    Hochkomplexe Medizintechnik kommt aus dem Ausland

    Investitionsprogramme der Regierung und das Wachstum der privaten Gesundheitsdienstleister wirken sich positiv auf die Absatzchancen von Medizintechnik aus. Fitch Solutions rechnet vor, dass der Markt für Medizinprodukte bis 2026 jedes Jahr um durchschnittlich 6,8 Prozent zulegen wird. Unter anderem kann die Zahnmedizin punkten, auch dank wachsender Beliebtheit privater Zusatzversicherungen.

    Staatliche Einrichtungen wie das nationale Forschungszentrum (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju, NCBR) fördern die Produktion von Medizintechnik in Polen. Unter anderem erweitern die Hersteller von Einweggütern ihre Anlagen. Bislang stellen polnische Firmen hauptsächlich nicht-invasive Produkte her wie orthopädische Geräte, Krankenhaus-Mobiliar, Verbrauchsartikel und Rehabilitationstechnik. Bildgebende Apparate muss das Land importieren. Gemessen an der Einwohnerzahl ist Polen im Vergleich zu anderen Staaten in MOE gut mit Computertomografie- und Kernspintomografie-Geräten ausgestattet. Deutlich schlechter sieht es bei Gammakameras, Strahlentherapie- und Mammografie-Geräten aus.

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Förderung und Investitionen

    Polen investiert in den Ausbau von Krankenhäusern und in moderne Behandlungen. Schon bald könnten neue europäische Fördergelder fließen. Bei einigen Programmen hakt es aber.

    Polen finanziert Modernisierungsprojekte im Gesundheitswesen mit europäischen Mitteln und mit Geldern aus staatlichen Fördertöpfen. Einen wichtigen Beitrag leisten auch private Spendenorganisationen und Crowdfunding-Kampagnen.

    Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Kohäsionspolitik mehrere Programme freigegeben. Schlechter sieht es für die Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds aus. Hier will die Europäische Kommission vorerst keine Mittel auszahlen, weil sie die Rechtsstaatlichkeit in Polen bedroht sieht. Es ist unwahrscheinlich, dass die polnische Regierung und die EU den Konflikt kurzfristig lösen werden.

    Ausschreibungen für europäische Förderprogramme können bald starten

    Polen verteilt die Gelder aus den kohäsionspolitischen Töpfen der EU auf mehrere Landesprogramme. Viele Maßnahmen berühren auch den Gesundheitssektor.

    Das Landesprogramm FERS (Fundusze Europejskie dla Rozwoju Społecznego) stellt Mittel für die Ausbildung von medizinischem Personal bereit. Ziel ist es, mehr Fachärzte und mehr Pflegekräfte mit Zusatzqualifikationen auszubilden. Polen hat sich den Bau von 30 Schulungszentren vorgenommen. Operationssimulatoren und neue Diagnosetechnik sollen zum Einsatz kommen. Das Budget von FERS im Medizinsektor liegt bei rund 212,1 Millionen Euro.

    Mit dem Programm FENG (Fundusze Europejskie dla Nowoczesnej Gospodarki) will Polen die Forschungslandschaft ausbauen. Pharmaunternehmen oder Medizintechnikhersteller können, ebenso wie andere Branchen, auf ein Budget von 8 Milliarden Euro zugreifen. Unterstützung gibt es für die Entwicklung neuer Produkte. Die Europäische Kommission hat das Programm im September 2022 freigegeben. Polens Regierung bereitet Ausschreibungen vor.

    Eine weitere Fördermaßnahme, die von der Europäischen Kommission abgesegnet wurde, heißt FEnIKS (Fundusze Europejskie na Infrastrukturę, Klimat, Środowisko). Rund 815,5 Millionen Euro fließen aus dem Landesprogramm in den Medizinsektor. Arztpraxen können mithilfe der Gelder ihre digitalen Dienstleistungen ausbauen. Unterstützung erhalten auch ambulante Versorger, die in neue Geräte investieren. FEnIKS stellt darüber hinaus finanzielle Mittel für den Bau psychiatrischer Zentren zur Verfügung.

    Der Digital Health-Sektor könnte vom Programm FERC (Fundusze Europejskie na Rozwój Cyfrowy) profitieren. Die branchenübergreifende Maßnahme hat ein Budget von 2 Milliarden Euro. Polen will das Programm nutzen, um die Telemedizin und die elektronische Patientenakte weiterzuentwickeln. Ein zusätzlicher Schwerpunkt liegt auf Lösungen aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Big Data. Schulungen für medizinisches Personal sollen die Akzeptanz neuer Technologien erhöhen.

    Knapp 4,5 Milliarden fließen aus dem europäischen Wiederaufbaufonds in das Gesundheitswesen – wenn die EU die Mittel freigibt. Rund 300 Krankenhäuser sollen neue Geräte erhalten. Auch Praxen haben die Möglichkeit, Gelder für den Kauf von Medizintechnik zu beantragen. Universitäten erhalten Unterstützung bei Modernisierungsprojekten. Medikamentenhersteller, die ihre Anlagen erweitern, können niedrig verzinste Darlehen abrufen. Polen will auf diese Weise die heimische Produktion von aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen (Active Pharmaceutical Ingredient, API) fördern.

    Medizinfonds unterstützt Krankenhäuser und kostspielige Therapien

    Neben den europäischen Töpfen existiert seit 2020 der staatliche Medizinfonds (Fundusz Medyczny). Polen kündigte an, rund 650 Millionen Euro aus dem neuen Förderinstrument in den Ausbau von 14 Kinderkrankenhäusern und Kinderstationen zu stecken. Zu den größten Projekten gehört in diesem Zusammenhang der Bau eines interdisziplinären Behandlungs- und Diagnosezentrums in Warschau. Auf seiner Webseite weist der Fonds regelmäßig auf Ausschreibungen hin.

    Im August 2022 hat Polens Kabinett außerdem ein Programm zur Krankenhausmodernisierung verabschiedet. Die nötigen Investitionen finanziert der Medizinfonds. Bald sollen Wettbewerbe und Ausschreibungen stattfinden. Das Budget bis zum Jahr 2029 liegt bei rund 1,5 Milliarden Euro. Auf der Einkaufsliste stehen zusätzliche Betten für die Langzeitpflege, neue Ausrüstung für Notfallabteilungen in Krankenhäusern, neue Krankenwagen und der Bau von Hubschrauberlandeplätzen.

    Der Medizinfonds übernimmt die Kosten für teure Medikamente. Ein Beispiel ist Zolgensma. Das Arzneimittel gegen spinale Muskelatrophie (SMA) steht seit September 2022 auf der Erstattungsliste. Weitere Medikamente und Impfstoffe sollen laut einem Gesetzentwurf folgen.

    Beobachter kritisieren, das Förderinstrument arbeite sehr langsam. Im Sommer 2022 lagen rund 740 Millionen Euro ungenutzt auf dem Konto des Medizinfonds. Jedes Jahr wächst das Budget um eine knappe Milliarde Euro.

    Einige Programme finanziert Polen mit neuen Steuern. Seit 2021 zahlen Verkäufer von Getränken mit hohem Zuckergehalt eine neue Abgabe. Rund 300 Millionen fließen auf diese Weise jährlich in die Staatskasse. Das Gesundheitsministerium nutzt die Einnahmen, um beispielsweise die Behandlung von Fettleibigkeit zu finanzieren. Davon profitieren auch Krankenhäuser. Diese erhalten neue Geräte für Magenoperationen.

    Polen ist bei digitalen Lösungen stark

    Hersteller von Medizintechnik und Pharmaprodukten freuen sich dank der unterschiedlichen Fördermaßnahmen über neue Absatzmöglichkeiten. Polen ist Nettoimporteur von medizinischen Geräten und von Medikamenten. Für Pharmaunternehmen bleibt, neben Zuzahlungen aus den verschiedenen Fonds, die Erstattungspolitik der wichtigste Wachstumsfaktor.

    Im Segment Digital Health müssen sich deutsche Anbieter auf starke heimische Konkurrenz einstellen. Polen setzt in vielen Fällen auf eigene Lösungen. Polnische Anbieter sind darüber hinaus auf Expansionskurs. Ende 2021 kaufte das E-Health Start-up Docplanner den deutschen Konkurrenten jameda. Auch im Bereich Medizintechnik sind es vor allem die jungen Unternehmen, die mit ambitionierten Wachstumszielen auf sich aufmerksam machen.

    Ausgewählte Investitionsvorhaben in Polen (Investitionssumme in Millionen Euro)

    Projekt

    Art der Investition

    Zeitraum

    Investitionssumme 

    Beschreibung des Projekts

    Universitätsklinik für Kinder (Uniwersytecki Szpital Dziecięcy) (Kraków)

    Ausbau

    2022-2026

    64

    Umbau und Ausbau der Klinik, II Etappe

    Öffentliches Klinisches Krankenhaus der Pommerschen Medizinischen Universität (Samodzielny Publiczny Szpital Kliniczny nr 1 im. Tadeusza Sokołowskiego Pomorskiego Uniwersytetu Medycznego) (Szczecin)

    Neubau

    2022-2026

    64

    Bau eines innovativen und interdisziplinären Chirurgie-Behandlungszentrums für Kinder

    Danziger Medizinische Universität (Gdański Uniwersytet Medyczny)(Gdańsk)

    Neubau

    2022-2026

    64

    Bau eines Zentrums für Pädiatrie-Medizin mit 110 Betten und komplexer Ausstattung

    Gesundheitszentrum für polnische Mütter (Instytut - Centrum Zdrowia Matki Polki) (Łódź)

    Neubau 

    2022-2026

    56

    Bau eines neuen Gebäudekomplexes mit Pädiatrie-Operationsblock und zentralem Sterilisationsraum, Schaffung des ersten landesweiten ECMO-Zentrums (Extracorporeal Membrane Oxygenation) mit Intensivstation-Komplex

    Fabrik von Servier (Warschau)

    Ausbau

    2022-2023

    43

    Ausbau der Arzneifabrik und Steigerung der Kapazitäten zur Herstellung von innovativen Kombinationspräparaten, unter anderem gegen Bluthochdruck

    Warschauer Medizinische Universität (Warszawski Uniwersytet Medyczny) (Warschau)

    Neubau

    2022-2023

    28

    Bau eines Zentrums für medizinische Simulationen - neues Gebäude mit realitätsnaher Abbildung von Operationsräumen, Intensivstation, Geburtssälen, Rettungsdienst zur Ausbildung und Training von Fähigkeiten und Zusammenarbeit

    Ausbau des Sanatorium-Stadtteils im Kurort Ustroń-Zawodzie (Ustroń)

    Neubau

    2023

    k.A.

    Komplexer Ausbau des Stadtteils und Umgestaltung des öffentlichen Raums; Bau von neuem Sanatorium, neue Fußgängerzone, Modernisierung der Infrastruktur

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Rahmenbedingungen und Marktzugang

    Die Zulassung von Medikamenten und technischen Geräten funktioniert in Polen dank EU-Mitgliedschaft nach bekannten Standards. Besonderheiten gibt es trotzdem.

    Wichtigster Ansprechpartner bei der Einführung neuer Medikamente ist die Zulassungsstelle für Heilprodukte, Medizinische Erzeugnisse und Biozide (Urząd Rejestracji Produktów Leczniczych, Wyrobów Medycznych i Produktów Biobójczych; URPL). Pharmaunternehmen können vier Wege nutzen, um ein Produkt auf den Markt zu bringen.

    Wer die Zulassung auf Basis des polnischen Pharmagesetzes vornehmen will, nutzt die sogenannte Nationale Prozedur. URPL nimmt die Anträge entgegen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure; MRP) steht Unternehmen offen, die ein Präparat bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der EU verkaufen. Beantragt der Pharmahersteller in mehreren EU-Ländern eine Zulassung, kann er das Dezentralisierte Verfahren (Decentralized Procedure; DCP) oder das Zentralisierte Verfahren (Centralised Procedure; CP) nutzen. Mehrere nationale Zulassungsstellen sind am DCP beteiligt. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) leitet hingegen das CP. Unternehmen können Anträge für die Nationale Prozedur, die MRP und DCP über das Common European Submission Portal (CESP) einreichen. Eine Ausnahme gilt für die Active Substance Master File (ASMF). Sie muss beim URPL eingehen.

    Generika dominieren den Erstattungsmarkt

    Zugelassene Medikamente können auf der Erstattungsliste der gesetzlichen Krankenkasse landen. Pharmaunternehmen reichen den Antrag über das Rückerstattungssystem ein (System Obsługi List Refundacyjnych; SOLR). Das polnische Erstattungsrecht gilt als sehr komplex. 

    Polen erstattet vor allem preisgünstige Generika. Das polnische Gesundheitsministerium verlangt oft ein Risk Sharing Agreement. Danach erstattet die gesetzliche Krankenkasse ein Medikament nur bis zu einem Höchstwert. Übersteigt die Nachfrage das Budget, übernimmt der Hersteller Teile der Erstattungskosten.

    Im Pharmamarkt sind Apotheken wichtige Vertriebskanäle. Die Umsätze steigen, auch bedingt durch den Zuzug ukrainischer Geflüchteter. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Filialen. Apotheken beziehen ihre Waren in der Regel von Großhändlern. Drei Firmen geben im Großhandel den Ton an. Es handelt sich um die Unternehmen Neuca, Pelion und Farmacol.

    Neue Werbevorschriften für Medizintechnik

    Das URPL ist auch für die Medizintechnik zuständig. Importeure und Händler haben nach der Ersteinführung eines Produkts auf dem polnischen Markt sieben Tage Zeit, um die Behörde in Kenntnis zu setzen. Die europäische Datenbank EUDAMED bietet weitere Möglichkeiten für die Produktregistrierung. 

    Das Gesundheitsministerium informiert über Ausschreibungen in Krankenhäusern und weiteren medizinischen Einrichtungen auf einem Webportal. Auch das Amt für öffentliches Auftragswesen (Urząd Zamówień Publicznych; UZP) führt eine öffentliche Datenbank mit Ausschreibungen. Die gezielte Suche nach Investitionen im Bereich der Medizintechnik ist dort allerdings nicht möglich.

    Seit Mai 2021 gilt die Medical Device Regulation (MDR) der EU. Polen hat das Regelungswerk im Mai 2022 in nationales Recht übersetzt und dabei einige zusätzliche Punkte formuliert. So dürfen medizinische Produkte nicht mit Bildern von medizinischem Fachpersonal oder mit Bilder von vorgeblich medizinischem Fachpersonal beworben werden. Verboten ist außerdem öffentliche Werbung bei Produkten, die für Ärzte und Medizin-Fachkräfte bestimmt sind. 

    URPL hat weitere Sanktionsmöglichkeiten erhalten. Ein neues Register für Importeure, Distributoren und einige Hersteller schaltet die Behörde ab Juli 2023 frei. 

    Internationale Pharmahersteller und Medizintechnikunternehmen sollten in Polen unbedingt mit lokalen Experten zusammenarbeiten. Vor allem die Aufnahme auf die Erstattungsliste ist ohne Unterstützung kaum möglich.

    Polnische Firmen reichen mehr Patente ein

    Deutsche Pharmaunternehmen konkurrieren in Polen mit global agierenden Produzenten. Hierzu gehören Hersteller wie AstraZeneca, GSK, Johnson & Johnson, Roche, Sanofi und USP Group. Die Firmen unterhalten in Polen Vertriebsbüros und in einigen Fällen auch Forschungseinrichtungen oder Produktionsstätten.

    Das Unternehmen Polpharma gilt als der größte polnische Pharmakonzern. Die Produktpalette umfasst hauptsächlich verschreibungspflichtige Generika. Aktuell investiert das Unternehmen in neue Anlagen. Polpharma übernimmt voraussichtlich die Produktion eines Vitamin D-Präparates von GSK. Zu den führenden polnischen Arzneimittelherstellern gehören ferner Adamed, Bioton und Polfa-Tarchomin. Heimische und internationale Anbieter schließen sich in Clustern zusammen, wie zum Beispiel dem Warsaw Health Innovation Hub (WHIH).

    Internationale Hersteller von Medizintechnik haben einen festen Stand auf dem polnischen Markt. Besonders sichtbar sind Unternehmen wie GE Healthcare, Philips und Stryker. Aber auch polnische Firmen bieten in fast allen Produktsegmenten Lösungen an. Mercator Medical beispielsweise produziert medizinische Verbrauchsmaterialien. Das Unternehmen Medicalgorithmics hat sich auf Pulsmessgerät spezialisiert. Ein weiterer polnischer Hersteller ist die Firma Emtel. Das Unternehmen AssisTech wiederum gewann 2022 den deutsch-polnischen Wirtschaftspreis der AHK Polen. AssisTech stellt Blickerfassungsgeräte her.

    Pharmaunternehmen und Medizintechnik-Firmen aus Polen arbeiten an neuen Produkten. Die Zahl der Patentanmeldungen in beiden Segmenten steigt. Im Jahr 2021 reichten polnische Hersteller 65 Patentanmeldungen im Bereich Medizintechnik und 39 Anmeldungen für Pharmaprodukte beim Europäischen Patentamt (EPO) ein. Damit ist das Land Spitzenreiter in Mittelosteuropa (MOE), aber noch deutlich von Deutschland oder Frankreich entfernt.

    Polen will sich in mittelfristiger Zukunft stärker auf Biomedizin konzentrieren. Eine 2022 verabschiedete Industriestrategie der polnischen Regierung kündigt Investitionen von 425 Millionen Euro in den Biomedizinsektor an. Zu den führenden Branchenvertretern gehören die Unternehmen Ryvu, Scope Fluidics und Captor Therapeutics.

    Von Christopher Fuß | Warschau

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