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Händeschütteln; Geschäftsabschluss Geschäftsabschluss | © iStockphoto/takasuu

Anwendbares Recht und UN-Kaufrecht

Bei internationalen Verträgen stellt sich die Frage des auf den Vertrag anwendbaren Rechts. Eine Einführung in das UN-Kaufrecht und die Regeln des internationalen Privatrechts.

Das anwendbare Recht im internationalen Wirtschaftsverkehr

Welches Recht findet Anwendung, wenn Vertragspartner aus unterschiedlichen Staaten miteinander Verträge abschließen?

Schließen Vertragspartner aus unterschiedlichen Staaten miteinander Verträge ab, stellt sich zunächst die Frage, das Recht welchen Staates anwendbar ist. Dies wiederum richtet sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts. Dabei handelt es sich nicht (wie der Name vermuten lassen könnte) um internationale Regeln, sondern um (grundsätzlich) nationale Regeln, die sich aber mit internationalen Sachverhalten und der Frage, welches (nationale) Recht anwendbar ist, befassen. Die Frage des anwendbaren Rechts stellt sich indes gar nicht erst, soweit Regelungen existieren, die grenzüberschreitende Sachverhalte unmittelbar betreffen. Denn dann gibt es ja bereits auf internationale Sachverhalte abgestimmte Normen. So regelt das UN-Kaufrecht, ein völkerrechtliches Übereinkommen, das mittlerweile mehr als 90 Staaten ratifiziert haben, die Rechte und Pflichten eines internationalen Warenkaufs. Es ist jedoch nicht zwingend, sondern kann wirksam ausgeschlossen werden. In diesem Fall kommt man nicht umhin, sich mit den Regeln dies internationalen Privatrechts, dem sogenannten Kollisionsrecht, näher zu befassen.

Rechtswahl will gut überlegt sein

Innerhalb der EU ist die EU-Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) maßgeblich. Sie enthält den Grundsatz des Rechtes des Verkäuferstaates. Das heißt, dass Kaufverträge dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verkäufers einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Falle von Unternehmen ist dies der Ort der Hauptverwaltung. Die EU-Verordnung lässt jedoch eine Rechtswahl zu. Das bedeutet: Die Vertragsparteien können auch die Anwendung des Rechts eines anderen Staates vereinbaren. Denkbar ist auch, das Recht zwischenstaatlicher Abkommen zu vereinbaren, wie zum Beispiel auch das UN-Kaufrecht (sofern es nicht ohnehin anwendbar ist, was bei nahezu jedem deutschen Export der Fall ist). Auch nichtstaatliche Regelwerke wie die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts oder die Principles of European Contract Law sind vereinbar. Diese sogenannte Rechtswahl ist zwar im internationalen Geschäftsverkehr verbreitet. Dabei ist aber Folgendes zu bedenken: Zum einen ist es eine Frage der Marktmacht, ob der deutsche Exporteur das ihm wohlvertraute deutsche Recht durchsetzen kann. Üblich ist im internationalen Wirtschaftsverkehr eher das Recht aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. Darüber hinaus erkennen auch nicht alle Rechtsordnungen weltweit die Wirksamkeit einer Rechtswahl an. Die innerhalb der EU eingeräumte kollisionsrechtliche Möglichkeit, das Recht frei zu wählen, ist nicht auf alle Teile der Welt übertragbar. Wenn ein Fall nun vor Gerichten landet, dessen Staat nicht die Möglichkeit einer solchen Rechtswahl vorsieht, so hilft diese auch nicht weiter. Schließlich ist auch ins Kalkül zu ziehen, dass nationale Rechte in erster Linie auch nationale Sachverhalte im Blick haben. Die Anwendung eines nationalen Rechts auf internationale Sachverhalte führt daher auch nicht unbedingt zu sachgerechten Ergebnissen. Dies ist ein Grund mehr, sich einen Ausschluss des UN-Kaufrechts, das ja für internationale Sachverhalte konzipiert ist, gut zu überlegen.

Ermittlung des anwendbaren Rechts kann schwierig sein

Ist das anwendbare Recht für Kaufverträge mit grenzüberschreitenden Bezügen wegen des Verkäuferstaatsprinzips noch relativ klar geregelt, kann sich für einzelne Vertragsarten die Ermittlung des anwendbaren Rechts kompliziert gestalten.

Bezüglich des Exportkontrollrechtes sind die Ausfuhrvorschriften des Staates anzuwenden, von dessen Gebiet aus die Ware ausgeführt wird. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch unter bestimmten Vorschriften auch ausländische Vorschriften anzuwenden sind, wenn diese extraterritoriale Geltung beanspruchen. So sind unter der Voraussetzung, dass ein bestimmter Bezug zu den USA besteht (sogenannter "nexus“) auch Vorschriften des US-Exportkontrollrechts zu beachten, obwohl die Ware gar nicht von US-amerikanischem Territorium ausgeführt wird.

Zu beachten sind zwei grundsätzliche Ausnahmen bezüglich der Anwendung ausländischen Rechts. Gemäß dem "ordre public-Grundsatz“ ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates dann nicht anzuwenden, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts nicht vereinbar ist. Darüber hinaus sind sogenannte Eingriffsnormen relevant. Das sind zwingende Vorschriften, deren Einhaltung ein Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses ansieht, dass sie auch dann anzuwenden sind, wenn (auf einen bestimmten Sachverhalt) im Übrigen die Vorschriften eines anderen Staates anwendbar sind. Im Einzelnen kann eine entsprechende Einordnung schwierig sein.

Von Dr. Achim Kampf | Bonn

Internationale Regeln für internationale Sachverhalte

Das UN-Kaufrecht - ein unmittelbar auf internationale Sachverhalte anwendbares Regelwerk.

Ein deutsches Unternehmen exportiert Autos nach London. Der britische Händler entdeckt nun Mängel und nimmt das deutsche Unternehmen in Regress. Dann drängt sich die Frage auf, welches Recht anwendbar ist: Deutsches oder Englisches? Bestehen internationale Regeln für einen solchen internationalen Sachverhalt, erübrigt sich dies. Denn dann gibt es ja bereits spezielle Vorschriften, die unmittelbare Antworten liefern, ohne dass zu entscheiden ist, ob etwa die Regeln des BGB/HGB oder - in dem genannten Beispiel - der englische Sale of Goods Act anwendbar sind. Weitgehend anerkannt ist, dass solche "sachrechtlichen“ Vorschriften, welche Sachverhalte unmittelbar regeln, den Kollisionsregeln (die entscheiden, das Recht welchen Landes anwendbar ist) vorgehen.

Das UN-Kaufrecht

Ein derartiges unmittelbar auf internationale Sachverhalte anwendbares Regelwerk ist das UN-Kaufrecht (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Vienna, 1980) (CISG)). Es handelt sich um einen von der UN-Kommission für internationales Handelsrecht in Wien (UNCITRAL) ausgearbeiteten völkerrechtlichen Vertrag, zu dessen Vertragsparteien seit dem 1. Januar 1991 auch die Bundesrepublik Deutschland gehört. Mittlerweile ist er von mehr als 90 Staaten ratifiziert.

Gemäß seines Art. 1 ist das ratifizierte UN-Kaufrecht anwendbar auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und diese Staaten Vertragsstaaten sind oder die Regeln des internationalen Privatrechts die Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates vorsehen.

Das UN-Kaufrecht definiert den Begriff Waren nicht näher. Nach überwiegender Ansicht zählt hierzu neben beweglichen körperlichen Gegenständen auch abgefülltes oder sonst transportables Gas sowie Standardsoftware. Nicht erfasst sind dagegen Rechte, Forderungen, Patente, Lizenzen, Sendezeit, Geschäftsanteile einer GmbH oder auch Know-How.

Räumlich müssen alternativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Entweder haben die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten und diese Staaten sind Vertragsstaaten oder die Regeln des internationalen Privatrechts sehen die Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates vor. Eine "Niederlassung“ in einem Vertragsstaat hat ein Unternehmen nicht nur dann, wenn sich dort der Hauptverwaltungssitz befindet. Dies können auch rechtlich unselbstständige Außenstellen sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Außenstelle über eine gewisse Selbstständigkeit und Kompetenz im Hinblick auf den Abschluss und die Durchführung von Kaufverträgen verfügt.

Anwendbar auf nahezu jeden deutschen Warenexport

Das formulierte Zusammenspiel mit den Regeln des internationalen Privatrechts führt dazu, dass auch Exporte in Staaten, die dem UN-Kaufrecht nicht beigetreten sind, diesen Vorschriften unterliegen können. In dem oben genannten Beispiel führt dies dazu, dass ein deutscher Exporteuer, der seine Waren ins Vereinigte Königreich verkauft, dem UN-Kaufrecht unterliegt, obwohl UK (bis heute) kein Vertragsstaat des UN-Kaufrechts ist. Denn die innerhalb der EU maßgeblichen Regeln des internationalen Privatrechts (europäische Verordnung "Rom I“, 593/2008) stellen auf das Recht des Staates ab, in dem diejenige Vertragspartei ihren Sitz hat, welche die vertragstypische Leistung erbringt. Dies ist der Verkäufer. Da dieser in dem Beispiel aber seinen Sitz in Deutschland hat, kommt deutsches Recht zur Anwendung, mithin das Recht eines Vertragsstaates mit der Folge, dass das UN-Kaufrecht heranzuziehen ist. Das Prinzip des Rechtes des Verkäuferstaates findet sich auch in vielen anderen außereuropäischen Rechtsordnungen.

Vorbehalte beachten

Zu beachten ist, dass die Art. 92 ff. UN-Kaufrecht den Vertragsstaaten die Erklärung diverser Vorbehalte einräumen. Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden haben von dem Vorbehalt gemäß Art. 94 UN-Kaufrecht Gebrauch gemacht. Hiernach findet das UN-Kaufrecht auf Kaufverträge und ihren Abschluss keine Anwendung, wenn die Vertragsparteien ihre Niederlassung in diesen Staaten haben. Soweit diese Staaten auch einen Vorbehalt nach Art. 92 UN-Kaufrecht angebracht hatten, haben sie diesen zwischenzeitlich zurückgenommen.

Ausschluss wirksam - aber Vorsicht!

Das UN-Kaufrecht ist nicht zwingendes Recht. Den Vertragsparteien steht es frei, einzelne Bestimmungen zu modifizieren oder das UN-Kaufrecht auch gänzlich auszuschließen. Hierbei ist aber auf Folgendes zu achten:

Die Formulierung "auf den Vertrag sind die Regelungen des deutschen Rechts anwendbar“ nach ganz überwiegender Meinung1 nicht ausreichend ist.

Denn zum "deutschen Recht“ gehört auch das von Deutschland ratifizierte UN-Kaufrecht, welches in seinem Art. 1 die Anwendungsvoraussetzungen seiner einzelnen Regelungen festlegt. Hiernach sind diese aber (auch) dann anwendbar, wenn durch zulässige Rechtswahl deutsches Recht vereinbart ist. Die Vereinbarung der Anwendbarkeit "deutschen Rechts“ schließt das UN-Kaufrecht somit nicht aus, sondern führt – ganz im Gegenteil – zur Anwendbarkeit seiner einzelnen Regelungen. Erforderlich ist für einen wirksamen Ausschluss daher stets der Zusatz "mit Ausnahme des UN-Kaufrechts“. Eine das UN-Kaufrecht wirksam ausschließende Klausel könnte daher lauten: "Auf den Vertrag sind die Regelungen des deutschen Rechts mit Ausnahme des UN-Kaufrechts anwendbar“. Eine andere Frage ist freilich, ob ein solcher Ausschluss sinnvoll ist.

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Bitte beachten Sie die folgende Fußnote:

1 Das OLG München vertritt in einer Entscheidung (IHR 2014,68) die Ansicht, dass bereits die Vereinbarung deutschen Rechts (als solche) zum Ausschluss des UN-Kaufrechts führt. Dies stellt jedoch (zumindest bislang) eine absolute Mindermeinung dar.

Von Dr. Achim Kampf | Bonn

Inhalte und Vorteile des UN-Kaufrechts

Das UN-Kaufrecht ist ein auf den internationalen Warenkauf zugeschnittenes Regelwerk. Ein Ausschluss will gut überlegt sein.

Trägt man sich mit dem Gedanken, das UN-Kaufrechts auszuschließen, so sollte eines nicht die Motivation dafür sein: bloße Unkenntnis. Es ist sinnvoll, sich zunächst mit den Inhalten des Regelungswerkes auseinanderzusetzen, um dann zu entscheiden, ob diese im konkreten Fall weiterhelfen, oder ein (zumindest teilweise) Ausschluss sinnvoll ist.

Welche Regelungen enthält das UN-Kaufrecht im Einzelnen?

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das UN-Kaufrecht nicht alle Aspekte des Warenkaufs behandelt. So sind die Anfechtbarkeit eines Vertrages oder eine etwaige Sittenwidrigkeit nicht vom UN-Kaufrecht umfasst. Bezüglich des praxisrelevanten Themas allgemeiner Geschäftsbedingungen ist zu differenzieren: Während die Einbeziehung von AGB‘s in den Vertrag das UN-Kaufrecht regelt, liefert es auf die Frage, ob die AGB‘s unter dem Gesichtspunkt ihres Inhaltes wirksam sind, keine Antworten. Für alle diejenigen Rechtsmaterien, die sich nicht nach dem UN-Kaufrecht richten, ist das nach den Regeln des internationalen Privatrechts berufene Recht maßgeblich.

Wenig zielführend sind die Überlegungen, ob das UN-Kaufrecht nun eher käufer- oder eher verkäuferfreundlich ist.

Manche Regelungen entsprechen den Interessen des Verkäufers, andere denjenigen des Käufers. Aus Sicht desjenigen, der seine Geschäfte überwiegend auf der Basis des deutschen Rechts abschließt, sind stets auch Unterschiede zwischen UN-Kaufrecht und deutschen Regelungen zu beachten. So gewährt das UN-Kaufrecht als käuferfreundliche Regelung im Falle von Vertragsverletzungen dem Käufer einen Schadensersatzanspruch, ohne dies von einem Verschulden (vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten) abhängig zu machen (wohingegen das deutsche Recht Verschulden voraussetzt). Dies ist etwa dann von Bedeutung, wenn sich etwaige Ansprüche gegen den Zwischenhändler richten und diesen keine Schuld trifft.

Verkäuferfreundlich dagegen ist, dass eine Aufhebung des Vertrages gemäß den Regelungen des UN-Kaufrechts bei Lieferung mangelhafter Ware nur möglich ist, wenn die Vertragsverletzung des Verkäufers "wesentlich“ und der Käufer die Aufhebung innerhalb angemessener Frist erklärt.

Zu beachten ist auch die Regelung des Rückgriffs eines Unternehmers gegenüber seinem Lieferanten. Während nach der Regelung des deutschen Rechts (§§445a, 445b, 478 BGB) der weiterverkaufende Unternehmer seinen Lieferanten bis zu 5 Jahre nach Ablieferung an ihn (den weiterverkaufenden Unternehmer) in Regress nehmen kann, sind nach dem UN-Kaufrecht solche Regressansprüche bereits zwei Jahre nach Ablieferung ausgeschlossen.

Zahl der Käufer nicht, steht dem Verkäufer ein Anspruch auf Zinsen zu, der auch dann besteht, wenn den Käufer an der ausbleibenden Zahlung kein Verschulden trifft. Allerdings sagt das UN-Kaufrecht nichts über die Höhe der Zinsen, so dass sich dies nach den Regeln des Staates richtet, die gemäß dem internationalen Privatrecht auf diese Frage anwendbar sind.

Abweichungen zum deutschen Recht bestehen auch bezüglich des Vertragsabschlusses. Ist der Kaufpreis nicht bestimmbar und haben die Parteien auch nicht deutlich gemacht, dass sie auch ohne Einigung über den Preis eine vertragliche Bindung wollen, ist der Vertrag unwirksam. Die Möglichkeit, dass (wie im deutschen Recht) der Verkäufer den Preis bestimmen kann, besteht im UN-Kaufrecht nicht. Eine verspätete Annahmeerklärung ist kein Gegenangebot, sondern unbeachtlich. Das Zustandekommen eines Vertrages im Wege des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kennt das UN-Kaufrecht nicht. Ein Vertragsangebot ist auch dann noch widerrufbar, wenn es der anderen Vertragspartei zugegangen ist, solange diese es noch nicht angenommen hat.

Einen vertieften Überblick über die Inhalte des UN-Kaufrechts sind der GTAI-Publikation "UN-Kaufrecht in Deutschland - 25 Jahre Relevanz für den Warenexport“ zu entnehmen. Des Weiteren sind einem Webinar vom April 2020 zahlreiche Informationen zu entnehmen.

Für das UN-Kaufrecht sprechen schlagende Argumente

Dafür, das UN-Kaufrecht nicht auszuschließen, sprechen insbesondere folgende Erwägungen:

  • Das UN-Kaufrecht ist für grenzüberschreitende Rechtsfragen konzipiert und hat die entsprechenden Interessen im Blick. Nationale Regelwerke sind dagegen zunächst einmal für rein nationale Sachverhalte gedacht.
  • Vereinbaren die Vertragsparteien nationale Regelungen müssen sie auch nationale Rechtsentwicklungen beachten.

Das UN-Kaufrecht hingegen ist supranational und geht als völkerrechtliche Regelung (zumindest faktisch) den nationalen Regelungen vor.

  • Das UN-Kaufrecht ist nicht zwingend. Die Parteien können seine Bestimmungen so modifizieren, dass es der Interessenlage im konkreten Fall genau entspricht.
  • Es existieren mittlerweile eine umfangreiche Rechtssprechungssammlung.

Fazit: Das UN-Kaufrecht ist ein auf den internationalen Warenkauf zugeschnittenes Regelwerk. Ein Ausschluss will gut überlegt sein.

Von Dr. Achim Kampf | Bonn

Force Majeure in Zeiten von Corona

Lösungen des internationalen Wirtschaftsrechts.

"Force Majeure“ als Allheilmittel?

Aus dem breiten Feld der durch das Corona-Virus geschaffenen Problemlagen werden außenhandelsorientierte Unternehmen insbesondere die dadurch ausgelösten Störungen internationaler Lieferverträge interessieren. Wirft man dazu einen Blick in das Internet, taucht immer wieder der Begriff Force Majeure auf.1 Dabei wird allerdings nicht immer hinreichend deutlich herausgestellt, dass Force Majeure kein international allgemein anerkanntes und international durchsetzbares Rechtsinstitut ist, sondern überhaupt nur in wenigen Rechtsordnungen gesetzlich geregelt ist und obendrein mit Force Majeure recht unterschiedliche Lösungsansätze verbunden werden.

Im deutschen Recht des BGB/HGB - wenn also für den internationalen Liefervertrag die Geltung des deutschen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts/CISG2 vereinbart ist - wird Force Majeure ("höhere Gewalt“) nur bei der Hemmung der Verjährung, § 306 BGB, und der Gastwirthaftung, § 701 Abs. 3 BGB, nicht aber im eigentlichen Vertragsrecht und somit auch nicht für das Kaufrecht angesprochen. Leistungsstörungen infolge der Covid-Pandemie sind folglich mit den allgemeinen Vorschriften des Vertragsrechts zu bewältigen. Danach ist der Schuldner gemäß § 275 BGB von der Pflicht zur Erbringung der vertraglich zugesagten Leistung befreit, wenn ihre Erbringung absolut unmöglich oder in bestimmten Grenzen jedenfalls wirtschaftlich unmöglich ist. Des Weiteren kann der Schuldner nach § 313 BGB eine Anpassung des geschlossenen Vertrages verlangen, wenn sich die dem Vertrag zugrundeliegenden Umstände schwerwiegend verändert haben und dem Schuldner ein weiteres Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Unter welchen Bedingungen die näheren Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschriften erfüllt sind, wird vom Gesetzgeber nicht beantwortet. Richtungsweisende Rechtsprechung zu Covid-19-Störungen in Lieferverträgen ist bislang auch nicht ersichtlich. Die Rechtslage nach BGB/HGB ist daher alles andere als klar.3

ICC Force Majeure Klauseln

Es erscheint schon fast wie eine Koinzidenz, dass die Internationale Handelskammer, Paris, (ICC) nach langjährigen Vorarbeiten gerade im März dieses Jahres die überarbeiteten ICC Force Majeure and Hardship Clauses 20204 veröffentlicht hat. Die ICC Force Majeure Klauseln gibt es in einer Lang- und in einer Kurz-Fassung. Voraussetzung für das Eingreifen der ICC Force Majeure-Klauseln ist wie schon bei der Vorgängerversion, dass infolge eines bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbaren, von den Vertragsparteien vernünftigerweise nicht kontrollierbaren Ereignisses die Erfüllung vertraglich eingegangener Verpflichtungen verhindert wird und die Auswirkungen dieses hindernden Ereignisses von der betroffenen Partei nicht mit angemessenen Mitteln vermieden oder überwunden werden können. In Absatz 3 der Langfassung ist eine Liste von Umständen zusammengestellt, die ein nicht kontrollierbares Ereignis vermuten lassen. Dort heißt es unter 3 e) "plague, epidemic, natural disaster or extreme natural event“.

Gleichwohl ist übermäßiger Optimismus nicht angebracht. Die Force Majeure Klauseln gelten nämlich in aller Regel nur, wenn sie von den Parteien eines jetzt notleidend gewordenen Kaufvertrages zu dessen Inhalt gemacht worden sind. Diese Voraussetzung ist nach den Erfahrungen der Praxis im mittelständischen Sektor sowie bei einfachen Kaufverträgen eher selten gegeben. Dessen ungeachtet wird man auch für künftig erst noch abzuschließende Verträge kaum davon ausgehen können, sich im Falle Covid-bedingter Leistungsstörungen auf Force Majeure berufen zu können. Denn Voraussetzung für ihr Eingreifen war und ist weiterhin, dass das störende Ereignis bei Abschluss des Vertrages vernünftigerweise nicht vorhersehbar war. In Anbetracht der derzeitigen Verhältnisse kann für die Zukunft jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es nicht zu weiteren Covid-bedingten Störungen kommt. Da weitere Störungen nicht unvorhersehbar sind, ist auf Force Majeure Klauseln als Vorsorge gegenüber künftigen Covid-Störungen kein Verlass. Vertragliche Vorkehrungen sind auf andere Art und Weise zu treffen.5

Force Majeure im UN-Kaufrecht/CISG

Anders als vorstehend dargestellt ist die Rechtslage hingegen, wenn das UN-Kaufrecht/CISG nicht ausgeschlossen wurde.6 Das UN-Kaufrecht/CISG gilt im Prinzip automatisch für alle Exportgeschäfte in Deutschland ansässiger Exporteure und für den ganz überwiegenden Teil der Importe7 und enthält in Art. 79 CISG eine Regelung, die dazu führen kann, dass der Schuldner ähnlich wie nach den ICC Force Majeure Klauseln bei Vorliegen bestimmter Umstände für eine Leistungsstörung nicht einzustehen hat. Dazu muss die Partei, die sich darauf beruft, aber darlegen, dass ihr die ihr vertraglich an sich obliegende Leistung unmöglich geworden und diese Unmöglichkeit einer Störung zuzuschreiben ist, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war, und von dieser Partei nicht kontrolliert und auch nicht vermieden oder anderweitig überwunden werden kann.8 Die Voraussetzungen, um nach Art. 79 CISG befreit zu werden, sind sehr hoch. So trägt der Verkäufer regelmäßig das Beschaffungsrisiko9 für die von ihm verkaufte und der Käufer das Verwendungsrisiko10 für die gekaufte Ware. Selbst wenn eine jenseits dieser Bereiche einzuordnende Störung der Erfüllung der vertraglichen Pflichten entgegensteht und bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war, bleibt die betroffene Partei gleichwohl zur Lieferung verpflichtet, wenn das Leistungshindernis vermieden oder seine Auswirkungen anderweitig überwunden werden können. So hat die Rechtsprechung zum Beispiel entschieden, dass der von seinem Zulieferer vertragswidrig nicht belieferte Verkäufer von Gattungsware seinem Käufer gegenüber zur Lieferung verpflichtet bleibt, solange noch vergleichbare Ersatzware auf dem Markt erhältlich ist, und ein geschäftlicher Verlust aufgrund Verdreifachung des Marktpreises in dem konkreten Fall zumutbar ist.11

Soweit und solange die Voraussetzungen nach Art. 79 CISG erfüllt sind, entfällt der Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz wegen der zeitweiligen oder endgültigen Nichterfüllung, Art. 79 Abs. 5 CISG. Alle sonstigen Rechtsbehelfe, die der Gläubiger wegen der Vertragsverletzung geltend machen könnte, bleiben ihm jedoch ungeschmälert erhalten. Es entscheidet mithin der Gläubiger, wie mit der eingetretenen Situation umgegangen wird. Der Schuldner bleibt hingegen an den Vertrag gebunden und kann ohne eine Zustimmung des Gläubigers die eingetretene Situation nicht einseitig auflösen.

Empfehlungen für die Praxis

  1. Bevor aufwändige Untersuchungen zu Force Majeure angestellt werden, sind der Vertrag und das maßgebliche Gesetzesrecht darauf abzuklopfen, welches genau die zu erbringende Pflicht ist, um die es jetzt geht. Soweit der Verkäufer etwa seiner Lieferpflicht bereits genügt, wenn er die Ware lediglich übernahmebereit zur Verfügung stellt,12 ist er regelmäßig nicht zur Verladung verpflichtet. Folglich kann er unabhängig davon erfüllen, ob etwa in einem Terminal Verladungen durchgeführt werden können oder nicht. Ebenso hat der Verkäufer den auf einer C-Klausel der Incoterms aufbauenden Liefervertrag erfüllt, wenn er den Frachtvertrag geschlossen und der Frachtführer die Ware übernommen hat, aber den in der C-Klausel bezeichneten Bestimmungshafen13 Corona bedingt nicht anlaufen kann.14
  2. Ist die aus dem Kaufvertrag resultierende Pflicht hingegen noch nicht erfüllt und erscheint ihre Erfüllung unmöglich, ist zu untersuchen, ob für die verpflichtete Partei nicht ein Zurückhalterecht, Art. 71 CISG, oder eine Befreiung wegen Gläubiger-Verursachung, Art. 80 CISG, in Betracht kommen kann.
  3. Kann jedoch eine Partei des Kaufvertrages ihre Pflicht nicht erfüllen und kommen Art. 71, 80 CISG nicht in Betracht, ist sie vorbehaltlich abweichender vertraglicher Absprachen grundsätzlich verpflichtet, der anderen Partei Schadensersatz wegen nicht vertragsgemäßer Erfüllung zu leisten. Diese Schadensersatzpflicht entfällt allerdings, wenn sich die nicht leistende Partei auf ein Hindernis im Sinne des Art. 79 CISG berufen kann.15 Art. 79 CISG kommt aber überhaupt erst in Betracht, wenn festgestellt ist, dass die betroffene Partei eine vertragliche Pflicht zu erfüllen hat, die sie infolge zwischenzeitlich eingetretener Ereignisse nun nicht erfüllen kann.
  4. Für erst jetzt nach Aufkommen der Pandemie abgeschlossene Verträge sind Störungen durch Corona nicht mehr unvorhersehbar und daher eine Berufung auf Force Majeure bzw. Art. 79 CISG kaum noch vorstellbar. Neben vertraglichen Ergänzungen bzw. Modifikationen der Regel des Art. 79 CISG sollten künftige Verkäufer versuchen, einen Selbstbelieferungsvorbehalt zu vereinbaren. Dann begeht der Verkäufer keine Vertragsverletzung, wenn er den Kaufvertrag nicht erfüllen kann, weil ihn sein Lieferant nicht vereinbarungsgemäß beliefert. Umgekehrt sollten auf besondere Lieferungen angewiesene Käufer über eine veränderte Lagerhaltung, vielleicht über Konsignationsverträge oder dual oder multiple sourcing nachdenken. Möglichkeiten, durch vertragliche Gestaltungen eine flexible Antwort zu erzielen, gibt es. Dazu bedarf es häufig aber Lösungen außerhalb der bisher beschrittenen Wege und kreativer, die realistischen Interessen beide Seiten einbeziehender Ansätze. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, früh einsetzende Informationspflichten vorzusehen, um sich auf Komplikationen frühzeitig einstellen zu können.

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Bitte beachten Sie die folgenden Fußnoten und Hinweise:

1. Etwa LEXOLOGY oder GTAI, Stichwort: Force Majeure.

2. Ohne diesen Zusatz führt die Vereinbarung „Deutsches Recht“ zum UN-Kaufrecht/CISG als dem für internationale Kaufverträge geltenden Spezialrecht.

3. Rothermel, IHR 2020, 89 ff. („In beiden Varianten sind wieder schwierige Fragen zu beantworten, ehe die Rechtsfolge klar ist … diffusen Regelungen im BGB …“).

4. Die deutsche Textfassung kann unter International Chamber of Commerce abgerufen werden. 

5. Näher dazu siehe im letzten Abschnitt unter der Überschrift Empfehlungen für die Praxis.

6. Siehe dazu oben Fn. 2.

7. Näher dazu siehe die Veröffentlichung „Das UN-Kaufrecht in der Praxis“ der GTAI.

8. Näher dazu insbesondere Janssen/Wahnschaffe, EuZW 2020, 410 ff.

9. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Widmer Lüchinger, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 79 Rn. 26 ff.; Staudinger/Magnus, Wiener UN-Kaufrecht, Neubearbeitung 2018, Art. 79 CISG, Rn. 22 f.

10. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Widmer Lüchinger, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 79 Rn. 33; Staudinger/Magnus, Wiener UN-Kaufrecht, Neubearbeitung 2018, Art. 79 CISG, Rn. 22.

11. OLG Hamburg, IHR 2020, 170 ff.; zu weiteren Urteilen siehe die Zusammenstellung in IHR 2020, 140 ff.

12. Vgl. etwa Art. 31 (b) und (c) CISG und die Incoterms®-Klauseln EXW, FCA (A2 3.b) und FAS; anders hingegen § 433 BGB.

13. Etwa „CIF Buenos Aires“.

14. Siehe Regel A2 zu den C-Klauseln der Incoterms.

15. Sie dazu oben unter der Überschrift Force Majeure im UN-Kaufrecht/CISG.

 

Von Prof. Dr. Burghard Piltz

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