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Branchen | Finnland | Energiesicherheit und -preise

Grüner Wasserstoff für Deutschland

Finnland investiert in die Energieerzeugung. Vor allem der Windenergiesektor entwickelt sich rasant. Daran sind auch deutsche Firmen beteiligt.

Von Niklas Becker | Helsinki

Finnland kann in Zukunft ein Energielieferant für europäische Länder werden. Im Jahr 2023 könnte das Land beim Strom erstmals autark werden und genügend Elektrizität für den eigenen Verbrauch produzieren. Ein großer Standortvorteil des Landes sind die Energiepreise: Sie gehören zu den niedrigsten in der EU. Finnlands Energieverbrauch Pro-Kopf zählt hingegen zu den höchsten in der EU. Das liegt unter anderem an der heimischen energieintensiven Industrie sowie dem kälteren Klima.

Wichtige Indikatoren zum Energiemarkt
 

Finnland

Deutschland

Bevölkerung (in Mio.; 2023)

5,6

83,2

Energieproduktion (PJ; 2020)

770

4.045

Stromverbrauch (TWh; 2021)

86,5

550,7

Nettoenergieimporte (PJ; 2021)

540,9

7.916

Pro-Kopf-Verbrauch (GJ/Kopf; 2021)

250,4

144,9

CO2 Emissionen (Mio. T; 2021)

35,9

622

Strompreis Industrie (Euro/ kWh; 1. Hj. 2023)1

0,1002

0,2085

Strompreis Endverbraucher (Euro/ kWh; 1. Hj. 2023)2

0,2383

0,4125

PJ=petajoule, GJ=gigajoule; ¹= Ohne MwSt. und erstattungsfähige Steuern und Abgaben; ²= alle Steuern und Abgaben einbegriffen.Quelle: IEA World Statistics 2023; Eurostat 2023

 

Niedrigste Strompreise in der EU

Zusätzlich zu den Strompreisen fallen in Finnland noch eine Stromsteuer sowie Übertragungsnetzentgelte an. Für Unternehmen, die im verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau, im Erdbau oder im gewerblichen Gewächshausanbau tätig sind, fällt die Steuer deutlich geringer als für andere Branchen aus. 

Eine große Bedeutung bei der Stromproduktion hat das sogenannte Mankala-Prinzip. Dies bedeutet, dass mehrere Unternehmen zusammen eine Aktiengesellschaft für einen gemeinsamen Zweck - in diesem Fall die Energieproduktion - gründen. Die Gesellschaft beteiligt sich dann beispielsweise finanziell am Bau eines neuen Kernreaktors. Die beteiligten Firmen tragen die entstehenden Kosten im Verhältnis zu ihrem Anteil. Dafür erhalten sie Strom zum Selbstkostenpreis. Etwa die Hälfte des in Finnland erzeugten Stroms fällt unter das Mankala-Prinzip. 

Finnland vom europäischen Gasnetz abgeschnitten

Finnland meldete Anfang Oktober 2023 einen erheblichen Schaden in der Gaspipeline Balticconnector. Mit dieser ist das finnische mit dem estnischen Gassystem verbunden. Nachdem Russland im Mai 2022 den Gasexport per Pipeline nach Finnland eingestellt hatte, ist der Balticconnector die einzige Verbindung des nordischen Landes zu den Gasnetzen anderer europäischer Länder. 

Die Versorgungssicherheit ist nach Angaben der Regierung jedoch trotzdem gewährleistet: Finnland hat 2022 im Eilverfahren ein schwimmendes Flüssigerdgasterminal (LNG-Terminal) in Inkoo installiert. Zudem spielt Erdgas in Finnland nur eine kleine Rolle, es wird vor allem in der Industrie sowie in der Hauptstadtregion zur Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt.

Russland hat im Mai 2022 auch den Stromexport nach Finnland eingestellt. Kurzfristig konnte das nordische Land diesen durch höhere Einfuhren aus Schweden ausgleichen. Eine weitere Komponente zur Kompensierung der russischen Stromimporte ist Finnlands fünfter Atomreaktor Olkiluoto 3, der im April 2023 ans Netz gegangen ist. Ursprünglich sollte das Kernkraftwerk 2009 fertiggestellt werden. Bei voller Auslastung kann Olkiluoto 3 die russischen Stromimporte vollständig ersetzen. Finnland setzt auf Kernenergie. Das Regierungsprogramm forciert den Bau von sogenannten kleinen Atomkraftwerken. 

Atomkraftwerke zum Teil mit russischen Brennstäben
Im Bereich der Kernenergie ist Finnland zum Teil noch von Russland abhängig: Die beiden Reaktoren in Loviisa sind - anders als die drei Reaktoren in Olkiluoto - Kraftwerke vom Typ WWER, bei denen russische Brennstäbe eingesetzt werden. Zusammen stemmen diese beiden Reaktoren zehn Prozent des finnischen Strombedarfs. Für Loviisa soll jedoch bereits eine Ersatz-Lieferkette in Aussicht sein. 

Windenergiesektor erlebt Boom

Einen weiteren großen Beitrag zur finnischen Energieunabhängigkeit leistet der Onshore-Windenergiesektor. Das nordische Land erlebt einen Boom beim Bau neuer Windkraftanlagen. Allein 2022 gingen mehr als 400 Anlagen ans Netz. Derzeit laufen eine Reihe weiterer Onshore-Projekte. Nach Einschätzung des heimischen Windenergieverbandes soll Wind bereits 2027 die größte Stromquelle Finnlands sein. 

Allerdings berichtet der finnische Sektor auch von Problemen. Nur für 2024 und 2025 sind die Auftragsbücher noch gefüllt. Aufgrund der hohen Kreditzinsen und Materialkosten werden keine neuen Investitionsentscheidungen getroffen. Zudem wird dem Sektor der eigene Erfolg zum Verhängnis. Die Zahl der neuen Windkraftanlagen drückt den finnischen Strompreis. Das wiederum stellt die Wirtschaftlichkeit neuer Projekte infrage.

Finnlands neue Regierung will den Ausbau erneuerbarer Energien weiter fördern. So soll beispielsweise die Erteilung von Genehmigungen für Wind- und Solaranlagen vereinfacht werden. Die Regierung betont insbesondere die Bedeutung der Offshore-Windkraft. Bisher besitzt das Land keine nennenswerten Offshore-Windkraftanlagen. Das soll sich ändern. In 2023 und 2024 sind jeweils zwei Auktionen für Offshore-Windparks geplant.

Finnland soll ein bedeutender Akteur im Bereich saubere Energie werden. Die Offshore-Windenergie wird in zwanzig Jahren unsere wichtigste Form der Energieerzeugung sein.

Kai Mykkänen Finnlands Umwelt- und Klimaminister

Finnland ist potenzieller Wasserstoff-Lieferant

Aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Land wird Finnland zeitnah in der Lage sein, Energie in andere Länder zu exportieren. Allerdings sind die derzeitigen Interkonnektoren des Landes voll ausgelastet. Der finnische Übertragungsnetzbetreiber Fingrid will deshalb in den Bau neuer Leitungen zu den Nachbarländern sowie in das heimische Stromnetz investieren: Insgesamt 4 Milliarden Euro bis 2033. Unter anderem soll ein neuer Interkonnektor zu Estland gebaut werden. 

Finnland könnte den überschüssigen Strom auch zur Herstellung von Wasserstoff nutzen. Aufgrund der großen Windkraftpotenziale wäre das vor allem grüner Wasserstoff. Bereits jetzt sind in Finnland eine Reihe von Wasserstoffinvestitionen geplant: Laut Zentralverband der finnischen Wirtschaft beläuft sich die Gesamtinvestitionssumme dieser Projekte Mitte Oktober 2023 auf über 13 Milliarden Euro. 

Neben der Herstellung von Wasserstoff umfassen die Projekte auch Investitionen zum Einsatz des Energieträgers in der Produktion. Per Pipeline könnte Finnland den grünen Wasserstoff auch nach Deutschland liefern. Zwei entsprechende Projekte gibt es bereits. 

Finnlands Energie- und Klimaziele
Das nordische Land hat sich eine Reihe ambitionierter Energie- und Klimaziele gesetzt. So soll 2030 beispielsweise 10 Prozent des in der EU hergestellten Wasserstoffs 2030 aus Finnland kommen. Für 2035 wird zudem die CO₂-Neutralität angestrebt. Abzuwarten bleibt jedoch, ob die im Sommer 2023 vereidigte neue Regierung auch langfristig an diesen Zielen festhält.

Gute Chancen für deutsche Unternehmen

In den kommenden Jahren bieten beispielsweise der weitere Ausbau der Windenergie und der kleinen Atomkraftwerke gute Geschäftschancen für deutsche Unternehmen. Dabei stehen sie jedoch im Wettbewerb mit den vielen etablierten Windkraftentwicklern im Land. Auch im Offshore-Bereich zeigen viele große internationale Entwickler Interesse am finnischen Markt. 

Deutsche Firmen könnten auch bei der Wartung und Instandhaltung von finnischen Windparks zum Zuge kommen, hier berichten Entwickler von Problemen bei der Ersatzteilbeschaffung. 

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