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Digital Health
Frankreich treibt die Entwicklung seines E-Health-Sektors regulativ und mit Fördermitteln voran. Es hapert aber noch an der Erstattungsfähigkeit.
10.02.2025
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Der französische Staat und die Gesundheitseinrichtungen des Landes nehmen die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit großem Elan in Angriff. Die Digitalisierung von Krankenhausverwaltung und Behandlung soll wichtiger Bestandteil werden, um Klinikabläufe zu vereinfachen, Ärzte und Pflegepersonal zu entlasten und die Behandlungsqualität zu verbessern. Insbesondere in ländlichen, teils geringversorgten Gebieten sollen telemedizinische Anwendungen wie Telekonsultationen und Telemonitoring zu Pfeilern der Gesundheitsversorgung werden.
Elektronische Patientenakte soll zum Alltag werden
Die elektronische Patientenakte ist in Frankreich bereits digitale Realität. Im Februar 2022 hat die Regierung das Portal "Mon Espace Santé" eingeführt, einen kostenfreien und freiwilligen Service, der es allen in Frankreich krankenversicherten Personen ermöglicht, ihre Krankendaten zentral und gesichert abzulegen und für behandelnde Ärzte zugänglich zu machen. Knapp drei Jahre nach Start des Programms haben im Oktober 2024 nach Angaben der staatlichen Krankenkasse Assurance Médicale (Ameli) rund 15 Millionen Versicherte, etwa 22 Prozent der französischen Bevölkerung, ein Profil angelegt und der Speicherung ihrer Daten und Krankenakten zugestimmt. Dies bedeutet aber auch, dass knapp 80 Prozent der Versicherten das Portal bislang noch nicht nutzen.
Mehr Erfolg hat die französische Anwendung Doctolib. Im Juni 2024 verfügten bereits 50 Millionen Franzosen über ein aktives Doctolib-Konto, so das Unternehmen. Damit hat Doctolib mehr als das dreifache an registrierten Nutzern als der staatliche Service "Mon Espace Santé". Im November 2024 hatte Doctolib angekündigt, ein zentrales Archiv für Krankenakten und damit eine privat geführte digitale Patientenakte anzulegen. Kritiker befürchten das Aus der freiwilligen öffentlichen Krankenakte "Mon Espace Santé" und warnen vor Problemen wie mangelndem Datenschutz.
Erstattung digitaler Gesundheitsleistungen hinkt hinterher
Auch telemedizinische Dienstleistungen werden allmählich zum Alltag, jedoch werden sie insbesondere im ländlichen Raum weniger genutzt als erhofft. Das Erstattungssystem von telemedizinischen Leistungen ist in weiten Bereichen noch im Entwicklungsstadium. Zwar sind Telekonsultationen seit dem Jahr 2018 erstattungsfähig. Leistungen aus dem Bereich Telemonitoring sind zum September 2023 in das allgemeine Erstattungsregime aufgenommen worden. Die Sozialversicherungen erstatten bislang aber lediglich Telemonitoring-Leistungen für die Indikationen Herzinsuffizienz, diabetische Nierenerkrankungen, respiratorische Insuffizienz, implantierbare Herzprothesen und Onkologie.
Außerhalb dieser regulierten Bereiche ist die Zulassung digitaler Gesundheitsanwendungen als erstattungsfähige Leistung schwierig. Das im April 2023 eingeführte PECAN (prise en charge anticipée numérique) -Verfahren bietet die Möglichkeit, digitale medizinische Innovationen außerhalb der geregelten Klassifizierungen für ein Jahr in den Kanon erstattungsfähiger Leistungen aufzunehmen. Der Erstattungshöchstbetrag liegt bei bis zu 800 Euro pro Patient und Jahr.
Gute Marktchancen für digitale Anwendungen
Die Branchenvereinigung France Biotech, die Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik und Digital Health vereinigt, sieht in den kommenden Jahren viel Potenzial für den Digital Health Bereich. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die digitale Gesundheitswende wird darin bestehen, die Datenqualität sowie die Interoperabilität und Kompatibilität verschiedenster digitaler Anwendungen sicherzustellen. Auch der Cyberschutz wird in Zukunft noch dringlicher werden, als dies ohnehin schon der Fall ist. Denn bereits heute sind französische Krankenhäuser regelmäßig Opfer von Cyberangriffen.
Auch bei konkreten Anwendungen sieht France Biotech großes Potenzial. Digitale Zwillinge werden in Zukunft Organe, Körperteile oder Prothesen, aber auch Krankenhausabläufe darstellen. Insbesondere im Bereich der Onkologie gewinnt die Entwicklung von digitalen Plattformen für die Längsschnittüberwachung von Patienten an Bedeutung. Im Bereich bildgebender Verfahren erwartet French Healthtech Entwicklungsmöglichkeiten für mobile, hybride, multimodale und bildgesteuerte Therapieverfahren, die mit Softwarelösungen für die Datenanalyse gekoppelt sind. Und im Bereich Telemonitoring dürfte der Bedarf an Anwendungen auf der Basis von miniaturisierten Sensoren mit künstlicher Intelligenz steigen. Generative, sprachbasierte KI-Anwendungen gelten zudem als Werkzeug, um in Zukunft den administrativen Pflege- und Behandlungsalltag zu erleichtern.
Der Staat fördert eine schnell wachsende Branchenszene
Der Staat treibt die Entwicklung einer E-Health-Infrastruktur voran. Im Mai 2023 hat Frankreich die 2023 - 2027 Digital Healthcare Roadmap aufgelegt. Ziel der Roadmap ist es, in Frankreich eine eigene E-Health-Industrie mit internationalem Führungsanspruch zu etablieren. Bei der Entwicklung des Sektors kann das Land auf eine starke und schnell wachsende Unternehmens- und Start-up-Szene zurückgreifen. 450 Unternehmen waren laut French Biotech im Jahr 2023 im Bereich E-Health und KI tätig, doppelt so viele wie noch im Jahr 2019.
Der Innovationsförderplan France 2030 unterstützt die Entwicklung innovativer Digitalprojekte im Gesundheitsbereich mit 650 Millionen Euro. Anfang 2024 waren von dieser Summe bereits 290 Millionen Euro vergeben worden. Die Förderung im Rahmen von France 2030 wird über Ausschreibungen vergeben, an denen sich auch nicht-französische Unternehmen beteiligen können. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Firmen ihren Hauptsitz in Europa haben und über eine Niederlassung in Frankreich verfügen. Die staatliche Banque d'Investissement Publique unterstützt mit eigenen Förder- und Finanzierungsprogrammen den Auf- und Ausbau der Branche.