Branchen | Frankreich | Wasserstoff
Eine Branche in Wartestellung
Frankreichs Wasserstoffsektor geht in die Industrialisierungsphase, allerdings langsamer als gedacht. Hohe Kosten und Schwierigkeiten bei der Finanzierung bremsen die Branche.
02.05.2024
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Französische Wasserstoffprojekte wechseln vom Planungs- ins Umsetzungsstadium: Das Observatorium für Wasserstoff VIG'HY listet 200 aktive Wasserstoffvorhaben jeglicher Größenordnung auf. Von der Produktion von Brennstoffzellen und der Erzeugung von Wasserstoff über Projekte aus dem Bereich Speicherung und Transport bis hin zur Produktion von Komponenten ist alles vertreten. Nicht nur Großkonzerne wie Engie, Air Liquide oder Siemens treiben Projekte voran, auch mittelständische Unternehmen oder Start-ups wie McPhy oder Lhyfe legen Großinvestitionen auf.
Gigaprojekte gehen in die Bauphase
So hat Symbio im Dezember 2023 die erste von zwei geplanten Gigafabriken für Brennstoffzellen eröffnet. Das Unternehmen HDF Energy wird im Mai 2024 eine Brennstoffzellenproduktion in Bordeaux einweihen. Eine Tochter der Industriegruppe Samfi-Invest, namentlich H2V, will allein in Frankreich sechs Wasserstoffgigafabriken zur Produktion von grünem Wasserstoff errichten. Dabei handelt es sich um eine Gesamtinvestition von mehr als 3 Milliarden Euro bis 2030.
Automobilzulieferer wie Forvia oder OPMobility bauen eine Zulieferstruktur für Anwendungen im Mobilitätsbereich auf. Der Autobauer Stellantis hat im Februar 2024 die ersten Wasserstofftransporter ausgeliefert. Auch im öffentlichen Bereich besteht Interesse: Die Kommune Lyon möchte bis 2026 ihre Busflotte auf 50 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge ausgeweitet haben. Die ersten 16 Busse sollen ab September 2024 als Schulbusse zum Einsatz kommen, eine Investition in Höhe von 8,5 Millionen Euro.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Investoren |
---|---|---|---|
HyMotive; 2 Gigafactories für Brennstoffzellen, St. Fons | 1.000 | Erste Gigafactory eingeweiht, Inbetriebnahme der zweiten Gigafactory 2028 | Symbio (Joint Venture zwischen Forvia, Stellantis und Michelin) |
H2V; Wasserstoff und E-Methanolproduktion; Kapazität 600 Megawatt Wasserstoff pro Jahr, 140.000 Tonnen E-Methanol pro Jahr; Marseille-Fos | 910 | Abstimmungsverfahren läuft, Inbetriebnahme geplant 3. Quartal 2028 | H2V in Partnerschaft mit Grand Port Maritime de Marseille |
H2V; Wasserstoffproduktion, Kapazität 500 Megawatt, Dunkerque | 550 | Im Bau, Inbetriebnahme geplant 2026/ 2027 | H2V |
Normand'Hy; Produktion grünen Wasserstoffs, Kapazität 200 Megawatt, Le Havre | 400; davon staatliche Förderung 190 Mio. Euro | Inbetriebnahme geplant 3. Quartal 2026 | Siemens/Air Liquide |
Wasserstoffproduktion, Kapazität 100 Megawatt, Le Havre | 200 - 300; davon staatliche Förderung 149 Mio. Euro | Finanzierungszusage erteilt, Inbetriebnahme geplant 2028 | Lhyfe |
Projet d'Artagnan; CO2-Exportinfrastruktur (Terminal und Pipeline), Dunkerque | 220; davon europäische Unterstützung: 189 Mio. Euro | Baubeginn geplant 2025, Inbetriebnahme geplant Ende 2027 | Air Liquide und Dunkerque LNG |
Produktion von Wasserstofftanks, Lachelle (Oise) | 150 | Baubeginn September 2023, Inbetriebnahme geplant 2025 | OPMobility (ehemals Plastic Omnium); |
Sinkende Nachfrage gefährdet Geschäftsmodelle
Dennoch ist die Euphorie, die die Branche in den vergangenen Jahren geprägt hatte, abgeklungen. Erste Großprojekte werden angepasst. So hat Engie im Februar 2024 angekündigt, seine Pläne zum Aufbau von 4 Gigawatt Produktionskapazitäten vom Jahr 2030 ins Jahr 2035 zu verschieben.
Vor allem in der Industrie entwickelt sich die Nachfrage nach grünem Wasserstoff langsamer als prognostiziert. Der REPower EU-Plan hatte 2022 das Ziel gesetzt, dass im Jahr 2030 in Europa 20 Millionen Tonnen Wasserstoff eingesetzt werden. Das französische Commissariat à l'énergie atomique (CEA) erwartet nach aktuellen Entwicklungen einen europäischen Bedarf von lediglich 2,5 Millionen Tonnen Wasserstoff im Jahr 2030, bis Jahr 2040 soll die Nachfrage auf 9 Millionen Tonnen steigen.
Vor allem der Preis und Unsicherheiten in Bezug auf die hinreichende Verfügbarkeit von Wasserstoff dämpfen die Nachfrage. Bislang ist grüner Wasserstoff noch zu teuer. Der Preis für ein Kilogramm grünen Wasserstoff liegt laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC bei rund 8 Euro. Dieser ist damit 5 Euro teurer als grauer Wasserstoff. Industrieunternehmen wie der Stahlkonzern Arcelor Mittal zögern entsprechend auf grünen Wasserstoff umzusteigen.
Auch der Mobilitätssektor wächst weniger stark als erwartet. Angesichts sinkender Batteriepreise kehren die Kommunen – anders als Lyon – teilweise zur Elektromobilität zurück und bestellen lieber Elektrobusse als die im Unterhalt teuren und noch kaum erprobten Wasserstoffbusse. So haben unter anderem Pau und Montpellier Pläne auf Eis gelegt, ihre Busflotten auf Wasserstoff umzustellen.
Für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge fehlt es noch an einer hinreichend ausgebauten Lade- und Tankinfrastruktur. Der Sektor gewinnt an Schwung, allerdings nur langsam. Zwar investieren relevante Akteure wie Hynamics, HySetCo, Atawey oder Teal Mobility. Erste Entwickler wie McPhy aber ziehen sich aus dem Tankstellengeschäft zurück. Andere Großanbieter wie Linde zögern, in den Markt einzutreten. Der Wasserstoffverband France Hydrogène prognostiziert dennoch, dass 2026 etwa 200, im Jahr 2030 bereits 747 Tankstationen landesweit in Betrieb sein werden.
Banken zögern mit der Finanzierung
Wasserstoffakteure haben Schwierigkeiten, ihre Großprojekte zu finanzieren. Angesichts hoher Zinsen und damit gestiegener Finanzierungskosten halten sich Investoren zurück. Banken hingegen zögern, Investitionsvorhaben zu unterstützen. Zu unsicher scheint eine Vielzahl von Projekten. Zu wenig vorhersehbar ist auch, wie sich die Branche in den kommenden Jahren entwickelt und welche Unternehmen die harten Anfangsjahre tatsächlich überstehen.
Auch potenzielle Abnehmer von grünem Wasserstoff wie Stahl- und Chemieunternehmen, die ihre Produktion dekarbonisieren wollen, klagen über die Zurückhaltung der Kreditgeber, Projekte zu finanzieren.
Frankreich und Europa unterstützen mit Milliardenprogrammen
Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten steht in Frankreich das Ziel, eine international konkurrenzfähige Wasserstoffindustrie zu entwickeln, nicht in Frage. Die Regierung plant, Frankreich zum Weltmarktführer im Bereich Wasserstoff zu machen. Bis 2035 soll die installierte Produktionskapazität bei 10 Gigawatt liegen, so der Ende 2023 vorgestellte Entwurf der aktualisierten Nationalen Wasserstoffstrategie.
2030 | 2035 | |
---|---|---|
Wasserstoffverbrauch (Industrie und Mobilität; in 1.000 Tonnen) | 770 | 1.000 |
Strombedarf (in Terawattstunden, max.) | 35 | 60 |
Installierte Produktionskapazität (in Gigawatt) | 6,5 | 10 |
Um dies zu erreichen, fördert die Regierung Unternehmen bereits heute intensiv. Im Rahmen des Innovationsprogramms France 2030 und weiterer Förderprogramme stehen bis 2030 Fördermittel in Höhe von 9 Milliarden Euro bereit.
Steuerliche Erleichterungen wie die Steuergutschrift "Crédit d'impôt recherche" sollen Investitionen in Forschung und Entwicklung vorantreiben. Zudem arbeitet die Regierung an einem "Contrat Carbone pour la différence", einem Ausgleichsmechanismus, der für eine Übergangszeit die Wettbewerbsfähigkeit von dekarbonisiertem Wasserstoff sichern soll.
Mit ihren Förderprogrammen steht Frankreich im Einklang mit europäischen Zielen. Die Europäische Kommission hat den Weg für staatliche Beihilfen freigemacht: Im Rahmen der drei IPCEI-Programme "Hy2Tech", "Hy2Use" und "Hy2Infra" hat die Kommission insgesamt 18 französische Wasserstoffprojekte für staatlich förderfähig erklärt. Darüber hinaus fördert die EU die Entwicklung einer konkurrenzfähigen Wasserstoffindustrie mit Finanzierungsprogrammen wie "Horizon Europe" oder dem "Innovation Fund".
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
Germany Trade and Invest | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
AHK Frankreich | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Ministère de la transition écologique | Ministerium für ökologischen Wandel |
France Hydrogène | Wasserstoffverband |
Vig'Hy | Wasserstoff-Observatorium |
Hyvolution | Französische Wasserstoff-Leitmesse; 28.-30.1.2025, Paris |
Stratégie pour le déploiement de l'hydrogène décarboné | Nationale Wasserstoffstrategie, Entwurf Dezember 2023 |