Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | Frankreich | Abfallwirtschaft

Frankreich will Rückstände im Recycling rasch aufholen

Mit großen Zielen und vielen Maßnahmen will die Regierung die Abfallwirtschaft umkrempeln. Das eröffnet auch Chancen für deutsche Firmen.  

Von Peter Buerstedde | Paris

  • Marktchancen

    Der Abfallwirtschaft geht es gut. Allerdings hat sie mit immer neuen Vorgaben zu kämpfen. Damit versucht die Regierung den Rückstand Frankreichs im Recycling aufzuholen. 

    Der Abfallsektor hat sich in Frankreich nach der Coronakrise kräftig erholt. Mit dem harten Lockdown von März bis Mai 2020 war der Betrieb von Anlagen zur Mülltrennung vorübergehend eingestellt worden. Auch fielen die Verpackungen der Gastronomie weg. Bei vielen Wertstoffen fürs Recycling (etwa bei Altpapier) kam es 2020 zu Engpässen. Auch Anfang 2021 waren diese Folgen noch spürbar. 

    Die Umsätze in der Abfallwirtschaft haben aber nur einen kurzen Rückfall erlitten. Mit steigenden Rohstoffpreisen sind die Preise für Sekundärrohstoffe in die Höhe geschossen. Folglich stiegen die Umsätze im Recycling. In den ersten vier Monaten 2022 lagen sie mit 19,2 Prozent höher als im selben Vorjahreszeitraum.

    Gleichzeitig hat das Recycling von Haushaltsabfällen in den letzten zwei Jahren zugenommen, weil Haushalte in vielen Landesteilen mehr Plastikabfälle in die gelbe Tonne werfen konnten. Diese Vereinfachung der Mülltrennung soll bis 2023 auf das ganze Land ausgeweitet werden. Zudem sind durch das Wachstum im E-Commerce mehr Verpackungen aus Karton im Umlauf, die gut getrennt werden. 

    Starker Rückstand und ambitionierte Ziele

    Frankreich weist vor allem bei Haushaltsabfällen einen starken Rückstand beim Recycling auf. Das Land hat sich aber in den vergangenen Jahren mit den Gesetzen LCEV (Loi de transition énergétique pour la croissance verte) aus dem Jahr 2015 und dem Gesetz über die Kreislaufwirtschaft AGEC (Loi anti-gaspillage pour une économie circulaire) aus dem Jahr 2020 ambitionierte Ziele gesetzt. 

    Die Umsetzung des Gesetzes AGEC und die damit verbundenen Maßnahmen haben sich durch die Coronakrise in Teilen verzögert. Gleichzeitig hatte die Regierung während der Krise über ihr Konjunkturpaket France Relance auch die Hilfen für die Abfallwirtschaft erhöht. Dies treibt die Investitionen im Sektor an. 

    Im europäischen Vergleich weist Frankreich eine niedrige Recyclingrate auf. So wurden lediglich 25 Prozent des Haushalts-Plastikmülls recycelt. Der europäische Durchschnitt liegt bei 35 Prozent. Immer noch wird mehr deponiert als wiederverwertet.

    Der Müll wird in den Haushalten schlecht getrennt. Bioabfälle werden bisher in den Haushalten fast gar nicht gesammelt und gleiches gilt für viele verwertbare Stoffe. Das soll sich schnell ändern.

    Nach dem Gesetz AGEC sollen ab 2040 keine Einwegkunststoffverpackungen mehr in Umlauf gebracht werden dürfen. Bis 2025 will die Regierung auf ein vollständiges Recycling aller Plastikverpackungen "hinarbeiten". Zahlreiche weitere Ziele betreffen zum Beispiel die Vermeidung (2030: -15 Prozent Haushaltsabfälle gegenüber 2010) und die Deponieverbringung (2030: maximal 10 Prozent der Haushaltsabfälle). 

    Viele Maßnahmen sollen das Land auf diesen Pfad bringen. Die wichtigsten sind die Ausweitung der Mülltrennung und die Verpflichtung für mehr Wirtschaftssektoren, ihre Abfälle im Rahmen fester Regeln zu entsorgen. Die Ausweitung einer vereinfachten Trennung (alle Plastikabfälle in die gelbe Tonne) auf das ganze Land soll bis Ende 2022 erfolgen. Mitte 2022 konnten etwa zwei Drittel der Haushalte bei der Mülltrennung so verfahren. Dafür sind in den letzten zwei Jahren zahlreiche Zentren zur Mülltrennung umgerüstet worden. Durch die Krise hat sich die Modernisierung der Anlagen zum Teil verzögert.

    Mehr Fördermittel

    Gleichzeitig hat die Regierung über ihr Hilfsprogramm France Relance 2020 der Abfallwirtschaft 500 Millionen Euro zusätzlich an Investitionszuschüssen zur Verfügung gestellt. Die Gelder werden von der Umweltbehörde Ademe verwaltet und über Projektaufrufe vergeben. Sie fließen in die Anpassung der Zentren zur Mülltrennung, aber auch in andere Projekte zur Ausweitung des Recyclings, etwa in neue Maschinen und Anlagen. 

    Damit soll auch die Einführung eines Trennsystems für Biomüll bezuschusst werden, das bis 2023 landesweit eingeführt werden soll. Die genauen Modalitäten sind noch nicht festgelegt worden, aber die Einführung wird zu mehr Investitionen in Kompostieranlagen führen.  

    Großinvestitionen in chemisches Recycling

    Neben mechanischen Recyclinganlagen für Kunststoffe wollen eine Reihe von Investoren Anlagen zum chemischen Recycling von Stoffen aufbauen, die derzeit noch nicht mechanisch recycelt werden können. Die Firmen Eastman, Loop und Carbios haben 2022 Großinvestitionen angekündigt und schließen Vereinbarungen mit der Kosmetik- oder Nahrungsmittelindustrie ab. Sie erhalten unter anderem Subventionen aus dem staatlichen Förderprogramm France 2030.

    Das Recycling wächst auch, weil der Staat im Rahmen des Programms zur "erweiterten Verantwortung der Hersteller" (responsabilité élargie du producteur, REP) immer mehr Wirtschaftssektoren (sogenannte filières REP) verpflichtet, für ihre Produkte die Kosten der Entsorgung zu tragen und gleichzeitig Zielvorgaben für mehr Recycling macht.

    Dies geschieht über Öko-Organisationen (éco-organismes), die vom Staat zertifiziert werden. Sie erhalten Abgaben von Unternehmen, die bestimmte Produkte in Umlauf bringen, und finanzieren damit die Abfallsammlung- und -trennung durch die Kommunen oder Privatfirmen. Zuständig für die Sammlung und Trennung von Haushaltsabfällen sind in Frankreich die Gemeinden (überwiegend interkommunale Verbünde), die sie in der Regel privaten Unternehmen übertragen. Die Regionen sind für gefährliche Abfälle und Bauschutt verantwortlich. 

    Aufkommen nach Art der Abfälle (2018)

    Gesamt (in Mio. t)

    Pro Kopf (in kg)

    Gewerbe-/Industrieabfälle (ohne Bau)

    72

    950

    Bauabfälle

    240

    3.600

    Haushaltsabfälle

    39

    582

    Gesamt

    342

    5.132

    Quelle: Ademe 2022


    Durch das AGEC-Gesetz aus dem Jahr 2020 kommen etliche REP-Sektoren hinzu und für die bereits bestehenden werden die Regeln angepasst. Die wichtigsten neuen Sektoren sind Baumaterialien sowie Verpackungen im B2B-Geschäft und in der Gastronomie. Der unten aufgeführte Kalender zur Einführung hat sich allerdings um einige Monate verzögert.

    Kalender zur Einführung neuer REP-Sektoren

    Jahr

    Sektoren

    2021

    Tabakprodukte

    2022

    Baumaterialien, Spielzeug, Garten- und Heimwerkerbedarf, Schmiermittel

    2023

    Verpackungen in der Gastronomie

    2024

    Kaugummi, Einweg-Sanitärartikel

    2025

    Verpackungen im B2B-Geschäft, Angelzeug mit Kunststoffanteil

    Quelle: AGEC-Gesetz


    In den neuen Sektoren ergeben sich Chancen für deutsche Anbieter von Recyclinganlagen, aber auch als éco-organisme. Bei Haushaltsabfällen ist seit 2018 Léko, ein Tochterunternehmen von Reclay aus Deutschland, als éco-organisme im Geschäft.  


    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Frankreich

    Projekt

    Investition (in Mio. Euro)

    Stand

    Projektträger

    Recyclinganlage für PET-Verpackungen (160.000 t im Jahr, chemisches Recycling), Port-Jérôme

    850

    Ende März Standort ausgewählt

    Eastman (USA)

    Recyclinganlage für PET (70.000 t im Jahr durch chemisches Recycling), Port-Jérôme

    250

    Bau soll 2023 beginnen

    Loop (Kanada), Suez (Frankreich)

    Plattform zur Abfallbehandlung Runeva, La Réunion

    220

    Rückzug des Generalunternehmers Paprec vom Projekt im Juni 2022

    Runeva

    PET-Recyclinanlage durch Enzyme, Meurthe-et-Moselle

    150

    Ende Februar Standort ausgewählt

    Carbios (Frankreich)

    Umrüstung der Papierfabrik Chapelle Darblay auf Kartonfertigung aus Rezyklat, Grand-Couronne

    120

    Fabrik im Mai 2022 aufgekauft

    Veolia (Frankreich)

    Anlage zur Mülltrennung Eco-Pôle (200.000 t pro Jahr), Chêne-en-Semine

    70

    Grundsteinlegung im Februar 2022

    Excoffier Recyclage (Frankreich)

    Anlage zur Biogas- und Düngergewinnung aus Nahrungsmittelresten, Île-de-France

    52

    Baubeginn Anfang 2023

    Paprec (Frankreich)

    Recyclinganlage für Kunststoff, Elven

    35

    Baubeginn 2023

    Paprec (Frankreich)

    Quelle: Tagespresse 2022

    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Branchenstruktur

    Mit Veolia und Suez kommen zwei der weltgrößten Umweltfirmen aus Frankreich. Ihr Zusammenschluss lässt die Abfallbehandlung in Frankreich zunächst außen vor. 

    Im Zuge der zunehmenden Differenzierung und Wiederverwertung von Abfallstoffen hat die Anzahl der Einrichtungen, die mit Entsorgung und Recycling befasst sind, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Aber es gibt auch Konsolidierungstendenzen. So sind die großen international tätigen französischen Versorgungsunternehmen sowohl im Ausland als auch im Inland weiter auf Einkaufstour. Sie versuchen immer stärker alle Wertschöpfungsetappen von der Sammlung über das Recycling bis zur Energiegewinnung unter einem Dach zu vereinen. Der Dachverband Fnade zählte in der Abfallwirtschaft 2020 insgesamt 2.317 Firmen und 48.940 Mitarbeiter und der Dachverband Federec im Recycling 1.200 Firmen mit 31.000 Mitarbeitern.

    Große Entsorger werden noch größer

    An der Spitze der französischen Abfallwirtschaft stehen die weltweit aktiven Großkonzerne Veolia und Suez sowie mit Derichebourg, Paprec und Séché drei auch auf europäischer Ebene bedeutende mittelgroße Firmen. Dahinter folgt eine Vielzahl kleiner und mittlerer Familienunternehmen. Paprec ist führend bei der Trennung und dem Recycling von Verpackungsmüll und Derichebourg in der Wiederverwertung von Metallen. Veolia und Suez weiten aber ihre Aktivitäten in allen Segmenten des Recyclings immer weiter aus.  

    Veolia hatte 2020 eine feindliche Übernahme von Suez gestartet. Die Europäische Kommission und eine Reihe nationaler Wettbewerbsbehörden hatten Veolia für eine Zustimmung Auflagen auferlegt. So musste das Unternehmen in Frankreich die abfallwirtschaftlichen Teile von Suez einem Investorenkonsortium überlassen und konnte nur die internationalen Aktivitäten übernehmen. Das inländische Abfallgeschäft firmiert zunächst weiter unter dem Unternehmensnamen Suez, könnte aber weiterveräußert werden. Die Übernahme unter Auflagen wurden weitgehend Ende Januar 2022 abgeschlossen. Derichebourg hat Mitte Dezember 2021 die Übernahme des Konkurrenten Ecore abgeschlossen.

    Große Akteure in der französischen Abfallwirtschaft (Umsatz in Millionen Euro)

    2020

    2021

    Veolia

    26.010

    28.508

      darunter Abfallbehandlung

    9.673

    11.227

    Suez

    6.609

    7.534

      darunter Abfallbehandlung

    2.782

    3.486

    Derichebourg Environnement SA

    1.628

    2.744

    Paprec

    1.333

    2.071

    Séché Environnement

    642

    736

    Quelle: Geschäftsberichte der Firmen 2022; Tagespresse 2022


    Im Rahmen des Programms zur "erweiterten Verantwortung der Hersteller" (responsabilité élargie du producteur, REP) werden sukzessive immer mehr Branchen in die Sammlung und Wiederverwertung von Rohstoffen eingebunden. In einigen Bereichen wurden aufgrund europäischer Richtlinien oder französischer Gesetze verpflichtende, in weiteren Feldern freiwillige Ziele vereinbart. Zur ersten Gruppe gehören unter anderem Elektro- und Elektronikabfälle, Batterien, Altautos, Medikamente, Lösungsmittel, Kühlflüssigkeiten und Verpackungen. Auf nationaler Ebene eingeschlossen sind beispielsweise Reifen, Möbel, Textilien und Haushaltschemikalien. Freiwillige Vereinbarungen existieren etwa für pflanzliche Heilstoffe, Druckerpatronen sowie Verpackungen von Saatgut und Düngemitteln.

    Rücknahmesystem von deutschem Anbieter mit starkem Wachstum

    In der Regel gibt es für jedes Segment ein oder mehrere Rücknahmesysteme (éco-organisme), die meistens von den Herstellern getragen werden. Seit 2018 macht Léko, ein Tochterunternehmen von Reclay aus Deutschland, bei Verpackungsmüll dem bisherigen Monopolisten Citeo (früher Eco-emballages) Konkurrenz. Léko konnte zuletzt vor allem unter Onlinehändlern viele Neukunden gewinnen, die bisher nicht alle Abgaben geleistet hatten. Der Abstand zu Citeo ist aber weiter gewaltig.

    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Rahmenbedingungen

    Frankreich und Deutschland sind Teil des EU-Binnenmarkts. Die EU-Regelungen gelten entsprechend für beide Länder. 

    Besondere Hürden bei der Auftragserlangung für deutsche Unternehmen existieren in Frankreich nicht. Die Ausschreibungspraxis folgt den EU-Richtlinien. Öffentliche Ausschreibungen können auf dem Internetportal Boamp und im European Tender Information System (ETIS) abgerufen werden. Als ETIS-Partner bietet Germany Trade & Invest Ihnen Zugang unter https://www.gtai-eu-ausschreibungen.de/gtai/home/index.do.

    Die Umweltabteilung der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer kann Unternehmen bezüglich der Verpflichtungen gegenüber den Rücknahmesystemen unterstützen und die Meldung der verwendeten Verpackungen und Materialien übernehmen.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.


    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Minstère de la transition écologique 

    Umweltministerium

    Agence de la transition écologique (Ademe)

    Umweltbehörde

    Fédération Professionnelle des Entreprises du Recyclage (Federec)

    Dachverband der Recyclingwirtschaft

    Fédération Nationale des Activités de la Dépollution et de l’Environnement (Fnade)

    Dachverband der Abfallwirtschaft

    Pollutec

    Führende nationale Umweltmesse


    Von Peter Buerstedde | Paris

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.