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Zäher Einstieg ins Windkraftzeitalter
Frankreichs Regierung will den Ausbau der Windkraft beschleunigen. Ein neues Gesetz soll Bewegung in eine umstrittene Branche bringen.
14.02.2023
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Frankreich muss den Umbau seiner Energielandschaft vorantreiben. Laut Prognosen des französischen Netzbetreibers RTE wird der Stromverbrauch zwischen 2020 und 2050 um 40 Prozent auf dann geschätzte 645 Terawattstunden steigen. Bislang ist Atomstrom die wichtigste Komponente der französischen Stromversorgung. Angesichts eines alternden Nuklearparks aber reicht aus Kosten- und Zeitgründen der Ausbau neuer Nuklearkapazitäten allein nicht aus, um den zukünftigen Mehrbedarf abzudecken, so Sven Rösner vom deutsch-französischen Büro für die Energiewende.
Günstigere und schneller zu erschließende Stromquellen wie Wind- und Solarkraft sollen helfen, die drohende Energielücke zu schließen. Die Regierung sieht vor, dass 2030 erneuerbare Energien (inklusive Wasserkraft) einen Anteil von 40 Prozent des produzierten Stroms erreichen und damit 33 Prozent des Stromverbrauchs abdecken. Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Frankreich kommt aber langsamer voran als vorgesehen. Im Jahr 2021 betrug deren Anteil am Bruttoelektrizitätsverbrauch lediglich 19,3 Prozent. Damit liegt die Quote unter den von der Regierung angestrebten und nach europäischen Vorgaben geforderten 23 Prozent.
Bislang erreicht Windkraft erst einen Anteil von gut 7 Prozent am genutzten Strom. Gerade der Ausbau von Offshore-Windkraft stockt. Ein erster Offshore-Windpark bei St. Nazaire mit einer installierten Kapazität von 480 Megawatt ist nach mehrjährigen Verzögerungen im November 2022 in Betrieb gegangen. Drei weitere Windparks sind im Bau, sieben weitere geplant. Allerdings laufen hier noch die Abstimmungsverfahren, die sich hinziehen könnten.
Neues Gesetz soll Genehmigungsverfahren beschleunigen
Generell leidet die Umsetzung bestehender Planungen unter der Komplexität und Langwierigkeit der Genehmigungsverfahren. Grundsätzlich befürwortet zwar ein Großteil der Bevölkerung den Ausbau erneuerbarer Energien. In den von Planungen betroffenen Gebieten aber ist Widerstand gegen Land- und See-Windkraftprojekte die Regel. Gerade im ländlichen Raum fürchtet man eine visuelle Verunstaltung von Naturflächen, Licht- und Lärmbelästigung oder schädliche Auswirkungen auf Umwelt und die Wertentwicklung von Immobilien in der Nähe von Anlagen. Entsprechend fließt viel Zeit in Abstimmungsverfahren mit Kommunen und betroffenen Bürgern.
Durchschnittlich benötigen Windkraftprojekte an Land sieben Jahre bis zur Projektgenehmigung. Dies hat laut Branchenverband France Énergie Éolienne dazu geführt, dass 2022 Land-Windkraftprojekte mit einer Gesamtkapazität von 4,5 Gigawatt entgegen ursprünglicher Planungen auf die Umsetzung warten. Bei Offshore-Projekten können durchaus zehn Jahre ins Land gehen, bevor die endgültige Baugenehmigung erteilt wird. Ein am 24. Januar 2023 im Vermittlungsausschuss verabschiedeter Gesetzentwurf zur Förderung erneuerbarer Energien soll Abhilfe schaffen und Genehmigungs- und Abstimmungsverfahren mit betroffenen Kommunen und Bürgern beschleunigen.
Großprojekte in der Pipeline
Die Projektierung von kleinen und größeren Onshore-Windkraftprojekten ist 2022 in eine neue Runde gegangen. 17 Projekte mit einer Gesamtkapazität von knapp 300 Megawatt hat die Commission de régulation de l'énergie vergeben. Im Segment der Offshore-Windenergie sind zur Zeit drei Projekte mit einer Gesamtkapazität von 1.450 Megawatt im Bau. Zudem sollen bis 2030 vorwiegend in der Bretagne und der Normandie weitere sieben Offshore-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 5.350 Megawatt ans Netz gehen. Auch schwimmende Windparks vorwiegend vor der französischen Mittemeerküste sind in Planung. Allerdings musste der Entwickler des ersten schwimmenden Windparkprojekts Frankreichs, der niederländische Ölkonzern Shell, im November 2022 aufgeben. Technische Probleme und der Ausstieg wichtiger Zulieferer hatten zum Scheitern des 300-Millionen-Euro-Projekts vor der südbretonischen Küste geführt.
Projektbezeichnung | Kapazität / Investitonshöhe | Projektstand | Anmerkung |
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500 MW, Investitionshöhe: 2.400 Mio. Euro | im Bau, Fertigstellung geplant Dezember 2023 | Investor: Iberdrola (Spanien); Bausausführung: Navantia-Windar | |
Kapazität 600 MW, Investitionshöhe: 1.400 Mio. Euro | Genehmigungsverfahren läuft, Baubeginn geplant 2026; Fertigstellung geplant 2028 | Investor: EDF Renouvelables France, Enbridge Éolien France | |
Schwimmender Windpark Golfe du Lion (Fos-sur-Mer; zweiter Standort noch offen) | Kapazität: 2 x 250 MW | Ausschreibung erfolgt, Vergabe erwartet Ende 2023, Fertigstellung geplant 2030 | |
Parc Éolien Mont-des-Quatre-Faux | Kapazität 226 MW; Investitionshöhe: 533 Mio. Euro | Genehmigung 2017, gerichtliche Überprüfung läuft, Baubeginn geplant 2024 | Investor EDF Renouvelables France |
Kapazität: 39,9 MW Investitionshöhe: k.A. | Ausschreibung abgeschlossen, gerichtliche Überprüfung läuft, Baubeginn geplant 2025 |
Deutsche Mittelständler bringen ihr Know-how ein
Die Energiegrößen Total Energie, Engie und der staatliche Energieversorger Électricité de France (EDF) sind auf französischer Seite die dominierenden Anbieter von Windkraftlösungen. Internationale Unternehmen wie General Electrics (USA), Sumitomo (Japan), Iberdrola (Spanien), Vattenfall (Schweden) oder der niederländische Ölkonzern Shell engagieren sich in Großprojekten.
Aber auch deutsche Unternehmen sind in Frankreichs Windkraftsektor gut vertreten. RWE ist seit Anfang der 2000er Jahre in Frankreich vorwiegend im Bereich Onshore-Windkraft aktiv und hat Projekte mit einer Gesamtkapazität von 1.000 Megawatt entwickelt. EnBW hat im Juni 2019 das französische Unternehmen Valeco aufgekauft und betreibt unter dieser Marke sein Windkraftgeschäft in Frankreich. Nach Unternehmensangaben betreibt Valeco Windparks mit einer installierten Gesamtkapazität von 430 Megawatt. Auch deutsche mittelständische Unternehmen wie die Offshore-Entwickler BayWare oder WPD sind im Land vertreten. WPD entwickelt in Kooperation mit EDF Renouvelables den Offshore-Windpark in Dunkerque. Andere deutsche Unternehmen wie Abo Wind entwickeln und betreiben vorwiegend kleinere Projekte im Landesinneren. Dabei, so Sven Rösner, sind deutsche Mittelständler gerade wegen ihres Ansatzes sehr geschätzt, Projekte stark auf die lokalen Interessen auszurichten.
Nicht nur deutsche Projektentwickler, sondern auch Hersteller von Komponenten spielen eine wichtige Rolle im Land. Siemens Gamesa hat im März 2022 in Le Havre eine Fabrik für Komponenten von Windkraftanlagen eröffnet. Hier produziert das Unternehmen Offshore-Gondeln und Rotorblätter für die Verwendung in den lokal geplanten Offshore-Windparks wie St. Brieuc und Dunkerque. Zudem bieten gerade die hochkomplexen Offshore-Projekte gute Beteiligungsmöglichkeiten. So hat das Spezialtiefbauunternehmen Bauer die Gründungsarbeiten für den Windpark St. Brieuc übernommen.
Bezeichnung | Anmerkung |
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Agentur für die Energiewende | |
Informations- und Netzwerkplattform für deutsche und französische Akteure der Energiewende aus Wirtschaft und Politik | |
Staatliche Investitionsbank für Finanzierung und Wirtschaftsförderung | |
Technischer Verband für den Energie- und Umweltbereich | |
Fédération des Services Energie Environnement (Fedene) | Verband für erneuerbare Energien |