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Special | Frankreich | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Energie: Neue Planung ab 2024

Nach der Umsetzung der Ziele des Green Deal muss bis 2024 auch die Planung für den Energiesektor neu gefasst werden. Atomkraft soll an Gewicht gewinnen.

Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Energieversorgung

Die Planung für den Energiesektor und damit für die an den Klimazielen orientierte Energiewende erfolgt durch die mehrjährige Energieplanung PPE (Programmation pluriannuelle de l'énergie). Der derzeit gültige Plan für zwei 5-Jahresperioden 2019-2028 zielt noch auf das inzwischen überholte Klimaziel einer Rückführung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2030 ab. 2023 wird das Parlament über eine neue Energieplanung entscheiden. 

Die Vorgaben des European Green Deal (55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030) werden in Frankreich per Gesetz (Loi de programmation énergie climat, LPEC) in die Planung übernommen werden. Das eigentlich bis Juli 2023 erwartete Gesetz wird nunmehr voraussichtlich im Herbst 2023 verabschiedet. Innerhalb von 12 Monaten muss danach eine neue Energieplanung PPE für 2024-2033 erstellt werden. Sie dürfte einige wichtige Änderungen bringen, welche Präsident Emmanuel Macron zum Teil bereits angekündigt hat.

Die geltende PPE (2019-2028) zielt im Energiesektor auf die Senkung des Verbrauchs und eine Diversifizierung des Energiemixes ab. Der Endenergieverbrauch soll bis 2023 um 7,6 Prozent und bis 2028 um 16,5 Prozent gegenüber 2012 zurückgehen. Dabei setzt die PPE auf Energiesparmaßnahmen für Gebäude, für den Verkehr, die Industrie und die Landwirtschaft. Hinzu kommt eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien, etwa bei der Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden oder über Fernwärmenetze.

Weiterbetrieb und Neubau von Kernkraftwerken

Für die Kernenergie gibt es eine Akzentverschiebung. Ein im März 2023 durch die Nationalversammlung verabschiedetes Gesetz über den Ausbau der Nuklearenergie sieht Laufzeitverlängerungen und den Neubau von Reaktoren in der Nähe von bereits bestehenden Kernkraftwerken vor. 

Die Obergrenze für den Anteil an der Stromerzeugung fällt weg und bestehende Kraftwerke sollen laut Macron so lange wie möglich betrieben werden. Kein Block soll mehr außer Betrieb gesetzt werden, solange er sicher weiterbetrieben werden kann. Außerdem hat er den Bau von sechs Kernkraftanlagen (dreimal zwei Blöcke) eines neuen Typs (EPR2) ab 2028 angekündigt. Die Inbetriebnahme ist ab 2035 geplant. Für acht weitere sollen Studien erstellt werden. Der französische Rechnungshof schätzt die Kosten für sechs EPR2-Blöcke auf 46 Milliarden Euro.

Ein EPR-Kraftwerk ist in Flamanville im Bau. Bauzeit und -kosten sind stark aus dem Ruder gelaufen. Es soll 2024 ans Netz gehen.

Parallel will die Regierung 1 Milliarde Euro an Fördergeldern im Rahmen des Programms France 2030 für die Entwicklung kleiner neuartiger modularer Kernkraftwerke zur Verfügung stellen. Davon sollen 500 Millionen Euro dem Projekt Nuward des Energiekonzerns Électricité de France zugutekommen. 

Der Ausbau der Kernenergie hängt auch mit den französischen Ausbauplänen für Wasserstoff zusammen. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Bereich Wasserstoff zum weltweit führenden Akteur zu werden. Mithilfe von Wasserstoff soll der CO2-Ausstoß in der Industrie und im Transport schwerer Güter gesenkt werden. Gleichzeitig will die Regierung eine eigene Wasserstoffproduktion aufbauen und die Forschung vorantreiben. Ziel ist eine installierte Kapazität von 6,5 Gigawatt bis 2030. Heimische Kernenergie soll als Quelle für die Wasserstofferzeugung dienen.

Um die angestrebten Ziele zu erreichen, setzt Frankreich auf eine umfassende öffentliche Förderung. Die 2020 vorgestellte Wasserstoffstrategie umfasst 7 Milliarden Euro an Fördergeldern. Das Förderprogramm France 2030 von November 2021 stellt für die Erforschung von Wasserstoffanwendungen weitere knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Großteil dieser Anwendungen sind IPCEI-Gemeinschaftsprojekte (Important projects of common European interest). Hinzu kommen 1,2 Milliarden Euro für die Entwicklung eines Mittelstreckenflugzeugs auf Wasserstoffbasis bis 2035.  

Stromerzeugung

Die Stromerzeugung soll diversifiziert werden, vor allem durch einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2023 soll die installierte Leistung aus erneuerbaren Quellen gegenüber 2017 um 50 Prozent steigen und bis 2028 verdoppelt werden. Die Atomkraft soll entgegen der noch gültigen Energieplanung wieder angeschoben werden.

Ausbauziele für erneuerbare Energien nach PPE (installierte Leistung in Gigawatt)

2020 (Ist)

2023 (Ziel)

2028 (Ziel)

Wasserkraft

25,7

25,7

26,4 - 26,7

Windkraft an Land

17,6

24,1

33,2-34,7

Offshore-Windkraft

0,0

2,4

5,2-6,2

Fotovoltaik

10,4

20,1

35,1-44,0

Biomasse

0,68

0,8

0,8

Biogas

0,24

0,27

0,34-0,41

Geothermie

0,024

0,024

0,024

Gesamt

54,6

73,4

101,1-112,8

Zielvorgaben in Gigawatt laut PPE 2019-2023 (2020); keine Berücksichtigung von MüllverbrennungsanlagenQuelle: Réseau de Transport d'Electricité (RTE) 2022; Ministère de la transition écologique 2022

Kohleausstieg verzögert sich

Die Energieplanung sieht einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2022 vor, der sich jedoch verzögert. Wegen des Ausfalls zahlreicher Kernkraftwerke entschied die Regierung im Frühjahr 2022, zwei von vier bestehenden Kohlekraftwerken im Winter 2022/23 weiter zu betreiben, um Stromengpässe zu vermeiden.

Macron setzt auf Fotovoltaik und Offshore-Windkraft

Die Regierung hat sich im Vorgriff auf die neue Energieplanung ab 2023 bereits ein Stück weit von den Zielen der PPE entfernt. Auch, weil etwa die Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien inzwischen unerreichbar scheinen. Im Februar 2022 hielt Präsident Emmanuel Macron in Belfort eine Grundsatzrede zur Ausrichtung des Energiesektors. Dabei orientierte er sich an einer Studie des Netzbetreibers RTE von Oktober 2021 (Futurs énergétiques 2050), die verschiedene Szenarien beschreibt, um den Nettotreibhausgasausstoß im Energiesektor bis 2050 auf null zu drücken. Die Ankündigungen des Präsidenten deckten sich indes nicht genau mit den Szenarien.

Beim Ausbau erneuerbarer Energien hat Macron bis 2050 eine Verzehnfachung der Fotovoltaikleistung auf 100 Gigawatt und eine Erhöhung der Kapazität von Offshore-Windkraft auf 40 Gigawatt angekündigt. Ein erster Offshore-Windpark ist im November 2022 vor Saint-Nazaire ans Netz gegangen. Insgesamt aber hinkt der Ausbau den Planungen hinterher.

Weil Windräder an Land schlecht akzeptiert werden, sieht Macron hier nur eine Verdopplung der Leistung bis 2050 voraus, ohne ein konkretes Ziel zu benennen. Noch ist unklar, wie die Steigerungen erreicht werden sollen. Eine höhere Ausbaugeschwindigkeit dürfte Chancen für deutsche Anbieter und Projektierer eröffnen. 

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