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Special | Frankreich | Halbleiter

Entwicklung der Halbleiterindustrie in Frankreich

Frankreich weist in einigen Industriesegmenten starke Hersteller auf. Diese wollen sich auch an den ambitionierten EU-Plänen zum Ausbau der Halbleiterindustrie beteiligen.

Von Peter Buerstedde | Paris

  • Branchenüberblick: Starke Akteure für Industrieanwendungen

    Frankreich verfügt über einige starke Akteure, die Halbleiter für industrielle Anwendungen entwickeln und produzieren. Auch ausländische Firmen haben Fabriken im Land.

    Die französische Halbleiterindustrie produziert weniger für die großen Nachfragesektoren wie Computer, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik, wo große US-amerikanische, taiwanesische und koreanische Unternehmen dominieren. Sie ist vielmehr auf Industrieanwendungen vor allem im Luftfahrtsektor und der Automobilindustrie sowie auf die Technologiesegmente 5G und Industrie 4.0 fokussiert.

    Die Halbleiterindustrie gruppiert sich um einige wenige, in ihren Märkten gut positionierte Unternehmen, wie STMicroelectronics, Soitec, UMS und Lynred. Hinzu kommen Murata aus Japan und X-Fab aus Deutschland, die im Zuge von Firmenkäufen in den letzten Jahren auch Fabriken in Frankreich übernommen haben. Das Land verfügt zudem über kleinere spezialisierte Hersteller, etwa für den Verteidigungs- und Luftfahrtsektor, und ambitionierte Start-ups wie Kalray und Aledia.

    Zentrum der Halbleiterindustrie in Grenoble

    Die Industrie kann sich auf eine gut entwickelte Forschungslandschaft mit international anerkannten Instituten wie dem CEA-Leti stützen, das sich in Grenoble im Zentrum des wichtigsten Mikroelektronikclusters des Landes befindet. Hinzu kommen strategische Zulieferer wie Air Liquide, das Inertgase für Produktionsumgebungen oder als Ablagerungs- und Ätzmaterial für die Halbleiterherstellung liefert, oder der Spezialchemiehersteller Arkema.

    Nachgelagert verfügt Frankreich über große EMS-Produzenten (electronics manufacturing services). Asteelflash, All Circuits, Eolane und Lacroix Electronics zählen zu den zehn größten europäischen EMS-Unternehmen. Diese sind in den letzten Jahren durch die Auslagerung dieser Aktivitäten aus der Luftfahrt- und Automobilindustrie sowie durch Hersteller elektrischer Ausrüstungen groß geworden. Diese Sektoren fragen weiter in großem Umfang elektronische Bauteile nach. Einige große Unternehmen wie Alstom, Thales, Actia, aber auch Bosch aus Deutschland, bestücken zum Teil selbst ihre Leiterplatten in Frankreich.

    Soitec will von 5G und autonomem Fahren profitieren

    Soitec ist ein weltweit führender Hersteller von Halbleitersubstraten in einem bestimmten Technologiesegment (Silicon-on-Insulator, SOI) für besonders energiesparende Schaltkreise. Zwei Drittel der Produktion geht an die Halbleiterhersteller GlobalFoundries, STMicroelectronics, Tower Jazz, TSMC und UMC. Die Firma besitzt drei Fabriken in Bernin, nördlich von Grenoble. In den letzten Jahren sind weitere Fabriken in Singapur, Belgien und über eine Partnerschaft mit dem chinesischen Unternehmen Simgui Technology in China hinzugekommen.

    Die Halbleiterplatten von Soitec werden vor allem für Übertragungstechnik in Mobilfunkgeräten genutzt. Durch 5G-Netze, 5G-Handys, autonomes Fahren und Industrie 4.0 erwartet das Unternehmen eine stark steigende Nachfrage nach ihren Substraten und will den Umsatz bis 2026 verdreifachen.

    Herzstück STMicroelectronics

    Das Herzstück der Halbleiterindustrie in Frankreich ist aber STMicroelectronics, ein französisch-italienischer Halbleiterhersteller mit Sitz in den Niederlanden, der sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion und Vermarktung von Halbleitern aktiv ist. Er zählt mit Infineon aus Deutschland und NXP aus den Niederlanden zu den drei größten europäischen Herstellern.

    STMicroelectronics stellt vor allem Halbleiter für die Kfz-Industrie, für Sensoren und Übertragungstechnik (auch für Handys) her und hat drei Fabrikstandorte in Frankreich und zwei in Italien. Hinzu kommen Produktionsstätten in Malta, Marokko, China, Malaysia, Singapur und den Philippinen. Die Firma baut eine neue Fabrik vor den Toren von Mailand und will die Kapazitäten in Crolles nahe Grenoble verdoppeln. 2021 will sie 1,8 Milliarden bis 2 Milliarden Euro investieren und den Umsatz auf über 12 Milliarden Euro ausweiten. STMicroelectronics hat durch Partnerschaften etwa mit Renault, Thales, Orange und Dassault ihre Position in den Zukunftsfeldern Elektromobilität und Industrie 4.0 weiter ausgebaut.

    Halbleiterhersteller in Frankreich (Umsatz in Millionen Euro)

    Unternehmen

    Aktivität

    Umsatz 2020

    STMicroelectronics

    Design, Fertigung und Vermarktung von Halbleitern für viele Anwendungsbereiche

    10.219

    Soitec

    Herstellung von Substraten für Halbleiter

    583,8

    Lynred

    Design, Fertigung und Vermarktung von Halbleitern für Wärme- und Infrarotsensoren

    237

    United Monolithic Semiconductors

    Design, Fertigung und Vermarktung von Übertragungstechnik

    73,6

    Quelle: Jahresberichte, BFM-Verif 2021

    UMS und Lynred sind kleinere spezialisierte Hersteller. United Monolithic Semiconductors (UMS) entwickelt und fertigt Halbleiter für Übertragungstechnik im Verteidigungssektor, aber auch für die kommerzielle Telekommunikation und die Automobilindustrie. UMS ist ein französisch-deutsches Unternehmen, das 1996 als Joint-Venture zwischen Thales und Airbus Defense and Space gegründet worden ist, mit Fabriken in Villebon-sur-Yvette südlich von Paris und in Ulm.

    Lynred ist 2019 aus dem Zusammenschluss der Firmen Sofradir und ULIS entstanden und gehört jeweils zur Hälfte Thales und Safran. Die Firma stellt Infrarot- und Wärmesensoren für den Verteidigungs- und Luftfahrtsektor, aber auch für die Industrie her. Lynred verfügt über Fabriken in Veurey-Voroize nahe Grenoble und in Palaiseau südlich von Paris.

    Auch Werke ausländischer Hersteller in Frankreich

    Der Halbleiterhersteller X-Fab aus Deutschland hat 2016 die Firma Altis übernommen und damit eine Fabrik in Corbeil-Essonnes. Im selben Jahr hatte Murata aus Japan die Firma IPDiA aufgekauft, die über eine Fabrik in Caen verfügt. Ebenfalls 2016 übernahm die japanische TDK die Firma Tronics. Sie stellt in Crolles nördlich von Grenoble Sensoren für die Luftfahrt her. In Grenoble unterhält auch die britische Firma Teledyne e2v ein Halbleiterwerk. Sie hat im Mai 2021 ein Projekt zur Modernisierung der Reinräume begonnen.

    Die Halbleiterforschung bringt in Frankreich immer wieder Firmengründungen hervor. Aus dem Institut CEA-Leti sind etwa Kalray und Eladia hervorgegangen. Eine neuartige Beschleunigungskarte (acceleration card) für Datenzentren von Kalray soll im 2. Halbjahr 2021 in die Massenfertigung gehen. Damit soll der Umsatz von Kalray von 1 Million Euro 2020 bis 2023 auf 100 Millionen Euro ansteigen. Aledia entwickelt Mikro-LEDs und will Ende 2021 eine eigene Bildschirmproduktion in einer neuen Fabrik in Champagnier nahe Grenoble in Betrieb nehmen.  

    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Strategien und Ziele: Fokus auf Kfz und Industrie 4.0

    Die Förderung auf nationaler und EU-Ebene ist in der Krise erweitert worden. Damit will Frankreich auch unabhängiger von nichteuropäischen Zulieferungen werden.

    Der französische Staat fördert seit vielen Jahren die Entwicklung und Industrialisierung in der Halbleiterelektronik. Dies geschieht vor allem über mehrjährige Förderprogramme (Plans Nano) und seit 2019 auch über eine Vereinbarung zwischen Staat und Unternehmen über mittelfristige Ziele. Zunächst ging es darum, den als strategisch erachteten Sektor zu stärken. Mit der Coronakrise und den Lieferengpässen für Halbleiter, die seit Mitte 2021 auch in Frankreich Unterbrechungen vor allem in der Kfz-Produktion nach sich ziehen, hat sich die Zielrichtung erweitert. Die Förderung im Rahmen der Corona-Konjunkturhilfen auf nationaler und EU-Ebene zielt auch auf eine stärkere Unabhängigkeit von außereuropäischen Zulieferungen ab. 

    Der Plan Nano 2012 (2008 bis 2012) hatte mit 457 Millionen Euro an staatlichen Subventionen für Industrieprojekte über 2,3 Milliarden Euro die Entwicklung kleinerer Halbleiter von bis zu 22 Nanometern befördert, sowie SOI-Technik (Silicon On Insulator), die vor allem von der Firma STMicroelectronics eingesetzt wird. Der nachfolgende Plan Nano 2017 (2012 bis 2017) über 600 Millionen Euro Subventionen für 3,5 Milliarden Euro an Projekten wurde zu 30 Prozent über das Forschungsprogramm Horizont der EU-Kommission gefördert.

    Dritter Förderplan und IPCEI-Beteiligung

    Der Plan Nano 2022, der sich auf den Zeitraum 2018 bis 2023 bezieht, ist der dritte Förderplan und bildet den französischen Beitrag zu einem Gemeinschaftsprojekt auf EU-Ebene (IPCEI, Important Project of Common European Interest). Am IPCEI Mikroelektronik, das von Frankreich, Deutschland, Italien und dem Vereinigten Königreich gemeinsam 2018 ins Leben gerufen wurde, sind Firmen und Forschungseinrichtungen aus vielen Mitgliedsländern beteiligt. Nano 2022 wurde im März 2019 offiziell gestartet und hatte bis Ende 2020 die Beteiligung von 40 französischen Firmen an 11 Projekten finanziert.

    Der Förderplan soll in Frankreich über einen Zeitraum von fünf Jahren etwa 5 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren mit rund 1,1 Milliarden Euro an staatlichen Zuschüssen (rund 890 Millionen Euro) und Zuschüssen von der EU. Sechs Firmen (STMicroelectronis, Soitec, Lynred, UMS, Murata und XFab) und das Forschungsinstitut CEA-Leti mit seinen sechs regionalen Niederlassungen sind bei den Vorhaben federführend. Ihr technisches Know-how soll ausgebaut werden und damit der Mikroelektronikstandort Frankreich.

    Fokus auf 5G, Elektromobilität und Industrie 4.0

    Die Vorhaben betreffen unter anderem 5G-Antennen, energieeffiziente Halbleiter, Mikrocontroller, Künstliche Intelligenz und Sensorik. Sie sollen damit französische Unternehmen in den Nischen voranbringen, in denen die Regierung im internationalen Wettbewerb gute Chancen sieht: Halbleiter für die Kfz-Industrie (unter anderem Leistungselektronik für die Elektromobilität) sowie für 5G- und Industrie-4.0-Applikationen (Edge Computing und Embedded IoT).

    Gleichzeitig mit dem Start von Nano 2022 hatte die Regierung mit der Elektronikindustrie eine Sektorvereinbarung (Contrat de filière) getroffen, die Maßnahmen zur Stärkung der Industrie vorsieht, etwa für die Ausbildung von Fachkräften und für eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Industrien. Eine Aktualisierung des Vertrags vom März 2021 sieht unter anderem ein nationales Forschungsprojekt für cyberphysische Systeme und die Erstellung einer technologischen Roadmap für die nationale Halbleiterindustrie vor.

    Konjunkturprogramm auch für die Elektronikindustrie

    Aufgrund der Coronakrise und Halbleiterengpässen sind auf französischer und EU-Ebene neue Förderinstrumente ins Leben gerufen worden. Frankreich hat im September 2020 das Konjunkturprogramm France Relance aufgelegt, um die Konjunktur zu stützen und die französische Industrie insgesamt wettbewerbsfähiger zu machen. Dabei werden die in der Krise gelockerten EU-Beihilferegeln genutzt, um über Projektaufrufe in großem Maße Subventionen für Modernisierungs-, Digitalisierungs- und Relokalisierungsprojekte in der Industrie zu vergeben.

    Davon hat auch die Elektronikindustrie profitiert. Nach Daten des Wirtschaftsministeriums wurden mit staatlichen Zuschüssen von 110 Millionen Euro bis Juli 2021 Investitionen von rund 400 Millionen Euro gefördert. Ein Projekt ist zum Beispiel die Verlagerung der Produktion von 180-Nanometer-Halbleitern von Malaysia nach Corbeil-Essonnes durch die deutsche Firma X-Fab. Sie hatte die Fabrik 2016 durch den Kauf des insolventen französischen Herstellers Altis Semiconductor übernommen.

    Auf EU-Ebene hatten 22 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, im Dezember 2020 in einer gemeinsamen Erklärung mehr Zusammenarbeit vereinbart, um die Halbleiterindustrie in der EU auszubauen. Das soll über eine Industrieallianz zwischen wichtigen Unternehmen und über ein neues Gemeinschaftsprojekt IPCEI geschehen. Die EU-Kommission hat im Juli 2021 die Industrieallianz für Prozessor- und Halbleitertechnologien ins Leben gerufen, der Firmen und Institute beitreten können.

    Französische Firmen treten EU-Halbleiterallianz bei

    Dabei geht es um Halbleiterdesign, aber auch um eine starke Ausweitung der Fertigung in der EU. In ihrem "Digitalen Kompass bis 2030" hatte die EU-Kommission im März 2021 das Ziel vorgegeben, bis 2030 den Anteil der weltweiten Produktion modernster Halbleiter innerhalb der EU von derzeit rund 8 Prozent auf mindestens 20 Prozent anzuheben. Die neuesten Halbleitergenerationen, die etwa in Mobilfunkgeräten, PCs und Speicherchips zum Einsatz kommen, werden allerdings derzeit nicht in der EU produziert.

    Daher sollen europäische Firmen über die Allianz und das künftige zweite IPCEI in die Lage versetzt werden, sehr kleine, leistungsstarke und energieeffiziente Halbleiter des 2-Nanometer-Technologieknotens zu fertigen. Die Details der Umsetzung sind noch nicht bekannt. Am 21. Juli hatten mit den Firmen STMicroelectronics und Soitec sowie dem Forschungsinstitut CEA-Leti wichtige Akteure in der französischen Halbleiterindustrie ihren Beitritt angekündigt.

    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Rahmenbedingungen

    Halbleiter unterliegen diversen nationalen Bestimmungen zu Exportkontrollen.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht  sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Durch das Information Technology Agreement (ITA) sind IKT-Produkte, Halbleiterprodukte inbegriffen, weitgehend zollfrei. Dem Abkommen sind 82 WTO-Mitglieder beigetreten, die für 97 Prozent des Welthandels mit diesen IKT-Produkten stehen.

    Informationen zu Exportkontrollen finden Sie bei den zuständigen Exportkontrollbehörden der Länder wie dem SBDU .

    Weitere Informationen bietet der Artikel Das Exportkontrollrecht im Überblick.

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministère de l'Economie, des Finances et de la Relance

    Wirtschaftsministerium, federführend bei staatlicher Industrieförderung

    Conseil national de l'industrie

    Staatlicher Industrierat zur Koordinierung innerhalb von Industrien und für Vereinbarungen zwischen Staat und Industrie

    CEA-Leti

    Führendes staatliches Forschungsinstitut für Mikroelektronik

    Fédération des industries électriques, électroniques et de communication (FIEEC)

    Dachverband der Elektronikindustrie

    Syndicat National des Entreprises de Sous-traitance Électronique (SNESE)

    Verband der Auftragshersteller von Elektronik

    ACSIEL Alliance Électronique

    Verband der Hersteller elektronischer Komponenten

    Syndicat professionnel de la distribution en éléctronique industrielle (SPDEI)

    Verband des Großhandels für Industrieelektronik


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