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Chinas Halbleiterindustrie droht Rückfall um Jahrzehnte

Beschränkungen und Sanktionen auf Lieferungen von Halbleiterausrüstung treffen die Branche hart. Bei Hochleistungschips wächst die Abhängigkeit von ausländischen Importen weiter.

Von Roland Rohde | Bonn

Chinas Halbleiterindustrie droht durch Sanktionen und Beschränkungen weiter ins Hintertreffen zu geraten. Die heimische Branche kann die inländische Nachfrage nicht annähernd decken und ist auf Importe angewiesen. Im Jahr 2021 betrug die Selbstversorgungsquote bei Chips laut dem Marktforschungsunternehmen IC Insights gerade einmal 17 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist die Rate sogar um 1 Prozentpunkt gefallen, trotz einer Reihe von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Beijings Ziel ist es, bis 2025 eine Quote von 70 Prozent zu erreichen. Diese Zielmarke rückt aber in immer weitere Ferne.

Besonders groß ist die Lücke bei Hochleistungschips, denn China produziert vor allem einfache Halbleiter. Die Chipfertigung hat sich laut Angaben des Nationalen Statistikamtes zwischen 2017 und 2022 auf 340 Milliarden Stück mehr als verdoppelt. Doch bei modernen Halbleitern im niedrigen Nanometer-Bereich hinkt das Reich der Mitte nach Einschätzung von Branchenexperten der Konkurrenz um zwei Generationen hinterher. Beim Design gehören die USA zur weltweiten Spitze, während Taiwan in der Auftragsfertigung (Foundry) etabliert ist.

Chinas Halbleiterimporte 2022 leicht rückläufig

Das Reich der Mitte muss daher große Mengen an Halbleitern importieren. Die entsprechenden Einfuhren erreichten 2021 gemäß Angaben des International Trade Centre mit fast 500 Milliarden US-Dollar (US$) einen Rekordwert. Zum Vergleich: Der Wert entspricht jeweils annähernd den gesamten Warenimporten von Spanien oder Kanada im Jahr 2021.

Doch die USA beschränken zunehmend Chinas Zugang zu Hochtechnologie. Die Regierung von Präsident Biden verhängte 2022 ein Lieferverbot nach China für hochmoderne Halbleiter, Chipdesign-Software sowie in den USA hergestellte Komponenten und Anlagen zur Fertigung von Halbleitern. Die Exportverbote gelten für alle Unternehmen, die US-Halbleitertechnologie verwenden. Daher sanken 2022 die Halbleitereinfuhren der Volksrepublik, wenn auch nur um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Prekärer ist die Lage jedoch bei US-Sanktionen im Ausrüstungsbereich. Dort zielen die Beschränkungen auf Anlagen ab, mit denen Hochleistungschips im 12- und 14-Nanometer-Bereich hergestellt werden. Auf diesem Gebiet gibt es weltweit nur wenige spezialisierte Maschinenbauer. Dazu gehören neben den US-Firmen Applied Materials, Lam Research und KLA außerdem ASML aus den Niederlanden und Tokyo Electron aus Japan.

Japan und Niederlande verschärfen Exportkontrolle

Außerdem drängen die Vereinigten Staaten auf internationale Unterstützung und führten Gespräche mit weiteren bedeutenden Anbietern von Maschinen zur Halbleiterherstellung. Daraufhin gab Japans Regierung Ende März 2023 bekannt, Lieferungen von Halbleiterausrüstung voraussichtlich ab Juli 2023 stärker zu prüfen. Künftig sollen Produkte zur Herstellung von Chips wie Produktionsanlagen für EUV-Lithographie der Exportkontrolle unterliegen.

Die Niederlande kündigten ebenfalls an, den Zugang zu Technologien für die Produktion moderner Computerchips zu beschränken. Schon seit 2019 verbietet die niederländische Regierung ASML den Export von Lithografiemaschinen zur Herstellung von fortschrittlichen Mikrochips nach China. Lithografiesysteme niedrigerer Qualität darf ASML jedoch bislang in die Volksrepublik liefern. Das könnte sich mit den neuen Maßnahmen ändern.

Einfuhren von Halbleiterausrüstung brachen zum Herbst 2022 ein

Der Technologiestreit mit den USA schlägt sich seit längerem in der Handelsstatistik nieder. Chinas Halbleiterfirmen deckten sich in den letzten Jahren auf Vorrat mit entsprechender Ausrüstung ein. Von 2016 bis 2021 haben sich die Einfuhren von Maschinen zur Halbleiterproduktion gemäß chinesischem Zoll mehr als verdreifacht und erreichten 38 Milliarden US$. Doch im Oktober 2022 brachen die Importe kräftig ein. Für das 4. Quartal 2022 ergab sich ein Rückgang von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Der Rückwärtstrend setzte sich in den ersten beiden Monaten 2023 laut chinesischer Zollstatistik fort. Die Lage dürfte 2023 angespannt bleiben, denn regulär stammt mehr als die Hälfte der chinesischen Importe von Halbleitermaschinen aus den USA, Japan und den Niederlanden, die nach und nach Beschränkungen erlassen. Die Einfuhren von Maschinen zur Halbleiterproduktion könnten 2023 auf rund 20 Milliarden US$ fallen.

Deutsche Lieferanten sind entweder direkt oder indirekt betroffen, wenn sie für von Beschränkungen betroffene Unternehmen als Zulieferer fungieren. China importierte 2022 Halbleiterausrüstungen "Made in Germany" im Wert von 830 Millionen US$  ein Rückgang von rund 16 Prozent gegenüber 2021.

Chinas Importe von Maschinen zur Halbleiterherstellung 2022 nach Lieferländern (in Milliarden US-Dollar; Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent)*

Land

2022

Veränderung

Japan

9,1

-10,9

USA

5,4

-21,3

Singapur

4,4

-10,7

Südkorea

3,3

-20,6

Niederlande

2,7

-20,1

Taiwan

2,0

12,2

Malaysia

1,4

70,9

Deutschland

0,8

-15,9

* HS-Position 8486, ohne 8486.30 (Maschinen zur Herstellung von LED-Bildschirmen)Quelle: Chinesischer Zoll 2023

Beijing kann Sanktionen kaum etwas entgegensetzen

Chinas Ziel, von ausländischen Importen unabhängiger zu werden, ist schwer realisierbar. Zumindest im Hochleistungsbereich können ohne entsprechende Anlagen keine neuen Fabriken gebaut oder modernisiert werden. Damit wird das Land von Spitzentechnologie faktisch ausgeschlossen. Da Halbleiter in nahezu allen Branchen zum Einsatz kommen, dürften viele Industrien technologisch ins Hintertreffen geraten. In der Halbleiterbranche selbst wird sich der Abstand zur ausländischen Konkurrenz nach Einschätzung von Branchenexperten weiter vergrößern.

Beijing kann den Sanktionen wenig entgegensetzen. Ausbauprogramme zur Erhöhung der Autarkie haben in der Vergangenheit große Summen verschlungen, gleichzeitig wurden die Mittel nicht effizient eingesetzt. Erst Ende 2022 kündigte die Regierung ein Unterstützungspaket für die Halbleiterindustrie im Umfang von 150 Milliarden US$ an, das bereits im Januar 2023 jedoch wieder auf Eis gelegt wurde. Beijing will bei Projekten wohl im Einzelfall über Investitionen entscheiden. Internationale Chipkonzerne wenden sich derweil von der Volksrepublik ab und investieren stattdessen in den USA, Europa, Taiwan, Südkorea oder Japan. Die Foundries der Zukunft entstehen aktuell an diesen Standorten. China bleibt damit letztendlich nur die Option, sich auf die Produktion von weniger modernen Chips zu spezialisieren.

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