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Wirtschaftsumfeld | Frankreich | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Fachkräfte in Frankreich sind schwer zu finden und noch schwerer zu halten. Aber auch Unternehmen schrauben in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld ihre Anforderungen hoch. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

In Frankreich fehlen in vielen Branchen Arbeitskräfte. "Der Arbeitsmarkt ist zurzeit eher ein Arbeitnehmermarkt", sagt Hilda Sagemüller, Geschäftsführerin der Personalberatungsgesellschaft Dauphin Conseil in Lyon. Gerade in den wirtschaftlichen und industriellen Ballungsgebieten des Landes wie Paris und dem Umland Ile de France oder Lyon fällt es Unternehmen schwer, offene Positionen mit qualifizierten Kandidaten zu besetzen.

Vor allem im IT-Sektor sind bislang noch nicht genug Menschen ausgebildet. Unternehmen konkurrieren auf der Suche nach Mitarbeitenden für die Bereiche Cybersicherheit, künstliche Intelligenz, Internet of Things oder Datenanalyse. 

Allerdings ist der Markt im Umschwung. Angesichts des sich eintrübenden Wirtschaftsklimas werden Unternehmen bei Neueinstellungen und Nachbesetzungen vorsichtiger und anspruchsvoller. In Funktionen wie Marketing und Kommunikation entwickelt sich ein Überangebot an Arbeitskräften.

Frankreich im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Industrie auf der Suche nach Fachkräften

Facharbeiter hingegen bleiben rar. Es werden nicht genug Fachkräfte ausgebildet, obwohl das Land praxisbezogene Ausbildungsgänge wie die betriebliche duale Ausbildung fördert. Gerade für die klassischen industriellen Berufsbilder fehlen Nachwuchskräfte, beobachtet Sagemüller. Auch das Handwerk hat es schwer, motivierten Nachwuchs zu finden. Wegen der Deindustrialisierung des Landes und einer Verlagerung von Arbeitskräften in den Dienstleistungssektor wurde in den vergangenen Jahren in technischen Berufsfeldern nicht mehr genug ausgebildet. Industrielles und handwerkliches Fachwissen ist teilweise verloren gegangen. Um dem Nachwuchsmangel abzuhelfen, legen Großunternehmen wie Hermès, Schneider Electric oder Saint-Gobain eigene Ausbildungsgänge auf.

Gerade in der Industrie werden nicht nur Fachkräfte, sondern auch Arbeitskräfte mit Basisqualifikationen in den Fabriken knapp. Die Industrie leidet trotz attraktiver Löhne und verbesserter Arbeitsbedingungen an einem Imagedefizit. Auch im Tourismussektor mangelt es an geeigneten Mitarbeitern.

Junge Mitarbeiter suchen ein kooperatives Arbeitsumfeld

Für gut ausgebildete, junge Kandidaten ist die Festanstellung in einem Unternehmen zu Beginn ihrer Berufstätigkeit nicht mehr notwendigerweise erste Priorität. Gerade in den städtischen Zentren wagen nicht wenige Studienabgänger den Schritt in die Selbstständigkeit. "Obwohl wir bei Apollo nur auf Geschäftsführerebene arbeiten, sehen wir auch, was generell im Jobmarkt los ist. Social Media und Internetplattformen wie die Kreativbörse Etsy bieten jungen, kreativen Menschen vielfältige Geschäftsmöglichkeiten", erklärt Lara Griebel, Researcherin beim Personalberater Apollo Executive Search. 

Und das erscheint attraktiv. Denn: "Auch in Frankreich suchen gerade junge Arbeitnehmer nicht nur ein Einkommen, sondern auch die Möglichkeit, sich im Rahmen der Arbeit fortzuentwickeln, selbständig und gestaltend arbeiten zu können." 

Freiheit in der Arbeitsgestaltung wird wichtiges Element

Gerade bei Arbeitskräften, die nicht physisch an einen fixen Arbeitsort gebunden sind, wird auch die Freiheit in Bezug auf die Gestaltung von Arbeitsort- und -zeit wichtiger. "Teletravail", also die Möglichkeit, in Telearbeit arbeiten zu können, ist wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Arbeitsplatzes. Zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice sind mittlerweile übliche Regelungen für Büroarbeiter. 

Auch wenn in Frankreich einzelne Unternehmen wie Ubisoft versuchen, ihre Mitarbeiter wieder in Vollzeit ins Büro zu bekommen, so ist dies bislang lediglich ein vereinzelter Trend. Beschäftigte wehren sich zudem gegen Bürozwang. So würden laut einer Umfrage des Vereins für Führungskräfte APEC 45 Prozent der höheren Angestellten einen neuen Arbeitgeber suchen, wenn die Telearbeit gestrichen würde, bei Führungskräften und höheren Angestellten unter 35 Jahren würden sogar 57 Prozent ihre aktuelle Stelle aufgeben.

Längere Lebensarbeitszeit hilft nicht genug gegen den Fachkräftemangel

Die Rentenreform des Jahres 2023 mit einer Verlängerung des Arbeitsalters auf mindestens 64 Jahre sollte ein Baustein zur Minderung des Arbeits- und Fachkräftemangels sein. Allerdings haben es ältere freigesetzte Arbeitnehmer nach wie vor schwer, eine neue, ihren Qualifikationen angemessene Arbeitsstelle zu finden. Bei Arbeitgebern gelten sie nicht selten als zu teuer und unflexibel.

Die stark umstrittene Rentenreform steht nach den Neuwahlen des Sommers 2024 ohnehin auf der Kippe. Es wird erwartet, dass der im September 2024 ernannte neue Premierminister Barnier Korrekturen an der im Land ungeliebten Reform vornimmt. Allerdings dürfte die neue Regierung das nunmehr geltende Renteneintrittsalter von 64 Jahren nicht wieder absenken. Zu belastet sind die Sozialkassen des Landes und zu hoch die Staatsverschuldung Frankreichs.

Schwieriges Wirtschaftsumfeld wird auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar

Die Arbeitslosenquote lag im 2. Quartal 2024 bei 7,3 Prozent. Angesichts der schwachen Konjunktur und der volatilen weltwirtschaftlichen Lage könnte sie 2025 auf 7,6 Prozent steigen, prognostiziert die Banque de France. Erst im Jahr 2026 erwartet die Zentralbank wieder eine leichte Entspannung mit einem Absinken der Arbeitslosenquote auf 7,5 Prozent. Damit bleibt die Beschäftigungslage immer noch besser als im Vorpandemiejahr 2019. Im europäischen Vergleich hingegen liegt Frankreich mit dieser Arbeitslosenquote im unteren Mittelfeld.

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