Special | Griechenland | Start-ups
Gründerszene gewinnt an Attraktivität
Die griechische Start-up-Szene wächst intensiv. Immer mehr internationale Investoren interessieren sich für junge, neue Unternehmen.
28.10.2024
Von Michaela Balis | Athen
In Griechenland gibt es rund 2.500 Start-ups mit einem Gesamtwert von 8,2 Milliarden Euro, dabei stehen die zehn wertvollsten Start-ups für einen Wert von 6,4 Milliarden Euro. Das berichtet das internationale Beratungsunternehmen Ernst & Young in seiner Studie "EY Attractiveness Survey" vom Juli 2024. Das Forschungszentrum StartupBlink identifiziert im "Global Startup Ecosystem Index 2024", der sich auf das Gesamtjahr 2023 bezieht, zwei Unicorns: Viva Wallet, ein FinTech-Unternehmen, das digitale Finanzdienstleistungen anbietet und PeopleCert, das Fach- und Sprachkenntnisse zertifiziert. Ein Unicorn ist ein Start-up-Unternehmen, das mit mehr als 1 Milliarde US-Dollar (US$) bewertet wird.
Im Jahr 2023 investierten etwa 30 Kapitalgeber rund 485 Millionen Euro in mehr als 70 griechische Start-ups, so der Bericht "Startups in Greece 2023-2024". Er ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der griechischen Förder- und Bildungsplattform für Start-ups, Found.ation, des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts EIT Digital sowie der griechischen Entwicklungs- und Investitionsbank HDBI (Hellenic Development Bank of Investments).
Venture-Capital-Geber | Start-up | Investitionssumme | Branche |
---|---|---|---|
Susquehanna Private Equity Investment (Lead Investor, USA) | Blueground | 45,0 | Immobilien, Vermietung |
ETF Partners (UK, daran beteiligt sind die Entwicklungsbanken HDBI und KfW) | Hellas Direct | 32,0 | Versicherung |
IAG Capital Partners (USA) | DeepCure | 24,6 | Pharma |
Eurazeo (Frankreich) | Kinvent | 17,3 | Gesundheitswesen, Physiotherapie |
New Energy Partners (Lead Investor, Griechenland) | Brite Hellas | 9,3 | Energie, Solar |
Der bedeutendste Verkauf eines Start-ups, der sogenannte "Exit", im Jahr 2023 betraf das griechische Agrotechnik-Start-up Augmenta. Es wurde an den US-amerikanisch-italienischen Hersteller von Land- und Baumaschinen CNH Industrial für 103 Millionen Euro abgegeben. An 2. Stelle steht der Erwerb des Maritimtechnikunternehmens MarineTraffic durch den führenden Anbieter von technologiegestützten Marktdaten und Analysen Kpler mit Sitz in Belgien. Der drittwichtigste Exit fand zwischen dem griechischen Schifffahrtssoftware-Start-up DeepSea Technologies und dem japanischen Maschinenbauhersteller Nabtesco statt.
Starkes Engagement amerikanischer Investoren
Mit dem Aufkauf durch den US-amerikanischen Softwareanbieter Cadence Design Systems im 1. Halbjahr 2024 reiht sich das Start-up Beta Cae Systems als Drittplatzierter unter die Unicorns. Der Übernahmepreis lag bei 1,24 Milliarden US$. Das griechische Jungunternehmen ist ein weltweit führender Anbieter von Simulations- und Analysesoftware.
Im Jahr 2023 erwarben folgende US-amerikanische Technologieriesen griechische Start-ups: Hewlett Packard Enterprise kaufte das griechische Start-up Arrikto, das Telekommunikationsunternehmen Cisco erwarb das Spin-off Code Bgp, Dell kaufte das Cloud Management Start-up Mist.io und Intel das Jungunternehmen InAccel.
Rund 80 Prozent der Investitionen in Start-ups kamen im Jahr 2023 aus dem Ausland. Etwa ein Drittel der Investoren stammte aus den USA.
Start-ups sind vorrangig im B2B-Geschäft tätig
Fast 80 Prozent der Start-ups, die im Jahr 2023 Investoren anzogen, boten ihre Produkte anderen Unternehmen an (B2B), so der Found.ation-Bericht. Der griechische Markt gilt als zu klein, um Produkte und Dienstleistungen von Start-ups direkt an Verbraucher zu verkaufen.
Insbesondere die Bereiche RetailTech, also Dienstleistungen im Einzelhandel, KI-Anwendungen und Technologielösungen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft sind für Investoren interessant.
Gründerszene ist bei deutschen Unternehmen beliebt
Im Jahr 2023 investierte die deutsche Risikokapitalgesellschaft Point Nine in das griechische Agrotechnik-Jungunternehmen Wikifarmer. Weitere deutsche Kapitalfonds, die in griechische Start-ups investierten, sind Bosch Ventures, Cherry Crypto und Visionaries Club.
Daimler war das erste deutsche Unternehmen, das die griechische Start-up-Szene entdeckte. Im Jahr 2016 kaufte der deutsche Automobilhersteller die griechische Taxi-App Taxibeat für 43 Millionen Euro. Der börsennotierte Betreiber von digitalen Bestell- und Lieferplattformen, Delivery Hero, erwarb im Jahr 2020 das griechische Start-up Instashop, einen Fast-Food-Lieferdienst, für 360 Millionen Euro. Das deutsche Softwareunternehmen Celonis übernahm 2021 das griechische Start-up Lenses.io für 70 Millionen Euro, schätzt der Found.ation-Jahresbericht. Lenses.io liefert ein innovatives DataOps-Portal für alle Streaming-Anwendungen und Daten.
Name | Wert *) |
---|---|
Viva Wallet | 1.500-2.000 |
Skroutz | 750-1.000 |
Persado | 600-900 |
Blueground | 600-800 |
Workable | 250-400 |
Flexcar | 200-300 |
Axelera AI | 200-300 |
Causaly | 150-250 |
Hack the Box | 150-200 |
Tile DB | 100-150 |
Griechenland unter den 50 beliebtesten Standorten
Gemessen an der unternehmerischen Innovation nimmt Griechenland Rang 49 unter 100 untersuchten Ländern ein, geht aus dem Global Startup Ecosystem Index 2024 weiter hervor. Doch damit bleibt Griechenland weiter attraktiv. Andere Volkswirtschaften wie Bulgarien und Zypern holen rapide auf. Neben Ländern untersucht die Studie auch Städte. Dabei erreicht Athen Platz 120 unter den 1.000 beliebtesten Städten. Auch Thessaloniki (Rang 470) und Heraklion (Rang 759) schaffen es auf die Liste.
Nach Einschätzung der Experten des Forschungsinstituts StartupBlink könnte sich Griechenland zu einem regionalen Tech Hub entwickeln. Sie begründen dies mit dem Interesse internationaler Investoren und der geostrategischen Lage. Griechenland bietet gut ausgebildete fremdsprachige Arbeitskräfte und günstige Lohnkosten sowie eine mehrsprachige IT-Branche. Die Start-up-Szene beschäftigt etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer der Technologiebranche, rund 10.000 Personen, geht aus dem Bericht "Greeking Out 2.0" der britischen Mediengesellschaft Sifted hervor.
Zu den Nachteilen Griechenlands als Standort für Start-ups zählen laut StartupBlink die Abwanderung potenzieller Fachkräfte, bürokratische Hürden sowie die mangelnde Vernetzung zwischen den Trägern. Doch Marktexperten vor Ort stellen Fortschritte bei den bürokratischen Verfahren, beispielsweise der Gründung, fest.