Branche kompakt | Indien | Ernährungswirtschaft
Branchenstruktur
Große Unternehmensgruppen dominieren die Branche, wenngleich viele kleinere Unternehmen im Markt tätig sind. Es wird investiert, aber die Exporte stocken.
29.07.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Der Subkontinent zählt zu den größten Lebensmittelproduzenten weltweit und liegt bei der Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Getreide (besonders Reis und Weizen), Obst und Gemüse sowie bei Milchprodukten mit an der Spitze. Trotz der enormen wirtschaftlichen Bedeutung hinken die Agrar- und Lebensmittelindustrie bei Effizienz und Verarbeitungstiefe im internationalen Vergleich oft hinterher. Weitverbreitete Schätzungen gehen davon aus, dass weniger als 10 Prozent der produzierten Lebensmittel verarbeitet werden. Allerdings dürfte dieser Wert mittlerweile überholt sein.
Zudem gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Produkten: Die Unternehmensberatung Deloitte gab in einer Studie aus dem Jahr 2021 an, dass in Indien beispielsweise 4 Prozent des Obstes und 3 Prozent des Gemüses, aber 92 Prozent des angebauten Reises verarbeitet werden. Auch bei Fleisch (34 Prozent) und Milch (21 Prozent) hat Indien Verarbeitungskapazitäten, die allerdings ausbaufähig sind.
Produkt | 2022/2023 | 2023/2024* | Veränderung |
---|---|---|---|
Zuckerrohr | 490,5 | 446,4 | -9,0 |
Getreide | 303,6 | 285,9 | -5,8 |
Gemüse | 212,5 | 209,4 | -1,5 |
Obst | 110,2 | 112,1 | 1,7 |
Ölsaaten | 41,4 | 36,6 | -11,5 |
Hülsenfrüchte | 26,1 | 23,4 | -10,0 |
Gewürze | 11,8 | 11,8 | -0,2 |
Nahrungsmittelbranche ist wichtiger Arbeitgeber
Laut letztverfügbaren Daten des National Statistical Office gab es 2022 in Indien fast 40.800 registrierte Fabriken für die Nahrungsmittelverarbeitung. Die meisten davon liegen in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Tamil Nadu, Telangana und Maharashtra. Rund die Hälfte der Unternehmen befasst sich mit dem Mahlen von Getreide. Hier zählt der Bundesstaat Punjab ebenfalls zu den wichtigen Unternehmensstandorten. Mit deutlichem Abstand folgen die Herstellung von Ölen und Fetten sowie die Produktion von Getränken beziehungsweise Milch und Milchprodukten. Insgesamt beschäftigt die Branche fast zwei Millionen Personen und ist damit einer der wichtigsten Arbeitgeber des Landes.
Großunternehmen erzielen Milliardenumsätze
Viele der Firmen sind Klein- und Kleinstunternehmen. Auch der quantitativ nur schwer erfassbare informelle Sektor spielt bei der Verarbeitung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Das Beratungsunternehmen Grant Thornten geht davon aus, dass in der Branche rund 75 Prozent Kleinstunternehmen aus dem informellen Sektor sind. Dominiert wird die Nahrungsmittelindustrie aber von großen indischen Unternehmen (darunter ITC, Parle Agro, MTR Foods, Britannia Industries, Amul, Haldiram) und multinationalen Herstellern wie Nestlé, PepsiCo, Mondelez, Coca-Cola und Unilever.
Unternehmen | Wichtige Produktkategorien | Umsatz 2022/2023 |
---|---|---|
Nestlé1) | Instantnudeln, Soßen, Süßwaren, Milch und Milchprodukte | 2.304 |
Parle | Kekse, Snacks | 2.075 |
ITC | Kekse, Nudeln, Fertiggerichte, Getränke, Süßwaren, Gewürze, Snacks | 1.899 |
Britannia | Kekse, Kuchen, Zwieback | 1.881 |
Hindustan Unilever | Soßen, Suppen, Getränke, Eis, Tee | 1.792 |
Tata Consumer Products2) | Grundnahrungsmittel, Fertiggerichte, Getränke, Gewürze | 1.483 |
Modernisierungsprogramme laufen, aber langsam
Der Aufbau von 41 sogenannten "Mega Food Parks" zur Verarbeitung von Lebensmitteln erfolgt weiterhin nur langsam. Diese Parks sollen den heimischen Nahrungsmittelproduzenten optimale Produktionsmöglichkeiten bieten und Investitionen aus dem Ausland anlocken. Ende März 2024 waren laut indischen Angaben erst etwas mehr als die Hälfte der Parks fertiggestellt.
Etwas besser kommt der Aufbau der "Agro Processing Cluster" voran. Im Frühjahr 2024 hatten 76 Projekte die Freigabe erhalten. Die Cluster sind Teil des Programms Pradhan Mantri Kisan Sampada Yojana und sollen für den Aufbau von Verarbeitungsstrukturen in der Nähe von Lebensmittelanbaugebieten sorgen. Dabei geht es insbesondere darum, die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Das beinhaltet auch Lager- und Kühlhäuser sowie Sortier- und Verpackungsmöglichkeiten.
Das Programm "Scheme of Creation/Expansion of Food Processing & Preservation Capacities" macht ebenfalls Fortschritte. Ende April 2024 waren 591 Anträge bewilligt, 328 davon stehen am Beginn oder sind in der Umsetzungsphase. Gleiches gilt für den Ausbau von Kühlkapazitäten im Land. Im Oktober 2023 gab es 372 gebilligte Anträge auf staatliche Unterstützung für Kühlkettenprojekte. Nur ein Teil dieser Vorhaben ist bereits fertiggestellt.
Neue Fertigungsanlagen entstehen
Investoren haben das Potenzial des Wachstumsmarktes erkannt und tragen dem Rechnung. Sowohl einheimische Firmen, als auch die vor Ort tätigen Ableger internationaler Konzerne investieren im Land.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Kapazitätserweiterung der Anlage zur Schokoladenherstellung durch Mondolez | 192,8 | Bau hat begonnen | Die Anlage befindet sich in Sri City (Andra Pradesh). Nach eigenen Angaben soll die Anlage zum konzernweit größten Standort für die Schokoladenherstellung werden |
Bau einer Anlage für Herstellung von Aromen durch PepsiCo | 152,5 | Angekündigt | Die Anlage soll in Ujjain (Maharashtra) entstehen. Die hergestellten Aromen sollen in Getränken zum Einsatz kommen |
Bau einer Anlage zur Herstellung von Instantnudeln durch Nestlé | 107,7 | Angekündigt, Produktionsbeginn 2025 | Die Anlage soll in Kurdha in Odisha entstehen. Sie kann zu einem späteren Zeitpunkt für die Produktion von Schokolade und Süßwaren erweitert werden. Es ist das 10. Werk in Indien. Zudem plant Nestlé Investitionen in den Ausbau der bereits bestehenden Werke in Sanand (Gujarat), Moga (Punjab) und Ponda (Goa) |
Bau einer neuen Anlage zur Milchverarbeitung durch Mother Dairy | 60,2 | Angekündigt | Das Projekt soll in Nagpur (Maharashtra) entstehen. Die Verarbeitungskapazität soll bei zunächst 600.000 Litern Milch am Tag liegen |
Ausbau der Schokoladenproduktion durch Lotte | 22,3 | Angekündigt | Die Anlage entsteht in Nemam (Tamil Nadu). Zusätzlich soll Mitte 2024 eine Eiscremefabrik in Pune (Maharashtra) in Betrieb genommen werden |
Bau einer neuen Anlage zur Verarbeitung von Obst durch Mother Dairy | 15,1 | Angekündigt | Das Projekt soll in Karnataka entstehen |
Dem Ministry of Food Processing Industries zufolge beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung im Finanzjahr 2021/2022 (1. April bis 31. März) auf 710 Millionen US-Dollar (US$). Von April 2022 bis September 2022 wurden weitere 431 Millionen US$ eingeworben. Aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar. Allerdings ist bekannt, dass von April 2000 bis Dezember 2023 in der Summe 12,5 Milliarden US$ in den Sektor flossen, so das Department for Promotion of Industry and Internal Trade.
Exportbeschränken zeigen Auswirkungen
Die Ausfuhren von Nahrungsmitteln sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allerdings erlitten die Exporte im Finanzjahr 2023/2024 einen Rückschlag. Das Ministry of Commerce and Industry meldete Ausfuhren von Nahrungsmitteln und Getränken in Höhe von 43,3 Milliarden US$, wobei es sich hier um Daten für 1. April 2023 bis 29. Februar 2024 handelt. Das ist ein Minus in Höhe von 8,8 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die wichtigsten Zielländer der indischen Exporte waren die USA, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bangladesch und Vietnam.
Ein Grund für diese Entwicklung sind Ausfuhrverbote. Das seit Mitte Mai 2022 geltende Exportverbot für Weizen hat weiter Bestand und wird wohl nicht auf absehbare Zeit aufgehoben werden. Zudem gilt seit 2022 ein Exportverbot für Bruchreis. Im Jahr 2023 kam zudem ein Ausfuhrverbot für Nicht-Basmati-Reis hinzu. Mit geringeren Ausfuhren möchte Indien die Nahrungsmittelpreise im eigenen Land unter Kontrolle halten. Hier ist frühestens nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahlen Anfang Juni 2024 mit einer Lockerung zu rechnen.
Importe spielen nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich im Bereich der Pflanzenöle ist Indien stark auf Einfuhren angewiesen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Palmöl, welches aus Indonesien importiert wird.