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Indiens Bausektor soll grüner werden

Von der Projektplanung über die Materialauswahl bis hin zur Bauschuttbehandlung lassen sich in der indischen Bauindustrie noch viel Energie und Ressourcen einsparen.

Von Boris Alex | New Delhi

Um bis 2070 klimaneutral zu sein, muss Indien auch im Bau- und Gebäudesektor die Treibhausgasemissionen deutlich senken. Dessen Anteil an Gesamtausstoß wird auf 20 bis 25 Prozent geschätzt. 

Mit dem Einsatz nachhaltiger Baustoffe, moderner Fassadendämmung und effizienter Klimatechnik könnten ungenutzte Einsparpotenziale aktiviert werden, so die Aussage des India Green Building Council (IGBC). Der Markt für Lösungen und Produkte rund um das nachhaltige Bauen hat sich seit 2018 auf 30 Milliarden US-Dollar (US$) mehr als verdoppelt. Bis 2028 soll der Umsatz um durchschnittlich 5 Prozent jährlich auf 38 Milliarden US$ zulegen, prognostiziert der Marktforscher Global Data. 

Der National Real Estate Development Council (NAREDCO) schätzt das Marktvolumen bereits für 2025 auf 39 Milliarden US$. Davon werden 28 Milliarden US$ auf den Wohnungs- und 11 Milliarden US$ auf den Gewerbebau entfallen, so der Verband.

Flächenbedarf wächst in allen Bausegmenten

Wachstumstreiber für nachhaltiges Bauen sind sowohl Neubauten als auch die energetische Sanierung von Bestandsbauten. Vor allem in den indischen Ballungszentren wird der Bedarf an Wohnraum in den nächsten Jahren stark steigen. Bis 2050 werden rund 100 Millionen zusätzliche Wohneinheiten im urbanen Raum benötigt, prognostiziert die Builders' Association of India. 

Der Stromverbrauch allein im städtischen Wohnungssegment dürfte sich dadurch bis 2050 verdreifachen, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA). Im Gewerbebau könnten bis 2030 jedes Jahr 2 Millionen Quadratmeter an neuer Bürofläche fertiggestellt werden. Auch im Einzelhandel, in der Industrie und im Logistiksektor wächst der Flächenbedarf bei neuen Einkaufszentren, Fabrikgebäuden und Lagerhäusern – und damit der Energieverbrauch.

Darüber hinaus werden bei Büroimmobilien jährlich etwa 3 Prozent des Gebäudebestands saniert. Viele dieser Maßnahmen zielen darauf ab, den Energieverbrauch der Bauten zu senken, etwa durch eine verbesserte Dämmung der Gebäudehülle oder dem Einsatz von effizienter Klimatechnik sowie von Gebäudeautomation. 

So soll beispielsweise der Absatz von Smart-Home-Technik, mit der sich der Energieverbrauch senken lässt, in Indien bis 2028 um jährlich 9 Prozent auf 9,2 Milliarden US$ steigen, prognostiziert der Marktforscher Resurgent India. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Internet of Things gestützten Steuerungssystemen für die Beleuchtung und Klimatisierung ließen sich allein bei gewerblichen Bauten bis zu 20 Prozent des Energieverbrauchs einsparen, schätzt NAREDCO.

Kleinerer ökologischer Fußabdruck durch nachhaltigere Baustoffe

Der Kohlenstoffdioxid (CO2)-Verbrauch im Bau- und Gebäudesektor kann schon beim Materialeinsatz während der Bauphase verringert werden. Der Baustoffbedarf wird in den nächsten Jahren weiter stark wachsen. Der Marktforscher Avendus prognostiziert, dass der Verbrauch von Baustoffen ohne Stahl bis 2027 um jährlich knapp 10 Prozent auf 212 Milliarden US$ zulegen wird. 

Zement ist mit einem Anteil von 22 Prozent das größte Segment. Der Stahlverbrauch des Bausektors dürfte in den nächsten vier Jahren jeweils um rund 6 Prozent auf 125 Milliarden US$ steigen, so Avendus. Zement und Stahl sind nicht nur die bedeutendsten Baustoffe, sondern auch die Materialien, bei denen sich CO2 einsparen ließe.

Die Nachfrage nach Stahl und Zement, bei deren Produktion weniger CO2 anfällt, soll trotz höherer Preise kontinuierlich wachsen. Der Markt für "grünen Zement" dürfte bis 2029 jedes Jahr um 6 Prozent auf 3,3 Milliarden US$ zulegen, prognostiziert TechSci Research. Der Marktforscher geht davon aus, dass die indischen Zementhersteller ihre Kapazitäten in diesem Segment ausbauen werden. 

Indien ist nach China der zweitgrößte Produzent und Verbraucher von Zement weltweit. Die Nachfrage dürfte mittelfristig die heimische Produktion übersteigen und den Markt für ausländische Produkte attraktiv machen, so das Fazit von TechSci Research. Für grünen Stahl wird eine ähnliche Nachfrageentwicklung erwartet. Indische Hersteller wie SAIL, JSW und TATA Steel wollen Stahl auf den Markt bringen, bei dem grüner Wasserstoff statt Kohle im Produktionsprozess zum Einsatz kommt.

Immer mehr Gebäude erhalten Effizienzzertifikate

Hersteller von nachhaltigen Baustoffen können ihre Produkte auf der Homepage der Green Rating for Integrated Habitat Assessment (GRIHA) registrieren lassen. Die Datenbank ermöglicht Projektentwicklern, sich über Baustoffe zu informieren, die den GRIHA-Kriterien für energiesparende Gebäude entsprechen. Seit 2007 wurden knapp 4.000 Neu- und Bestandsbauten mit dem staatlich anerkannten GRIHA-Effizienzlabel ausgezeichnet. 

Bei der Zertifizierung nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) lag Indien 2023 auf Rang drei hinter China und Kanada. Insgesamt 248 Gebäude mit einer Fläche von sieben Millionen Quadratmetern erhielten 2023 die international anerkannte Auszeichnung. Damit sind inzwischen rund 2.200 Gebäude mit einer Gesamtfläche von über 60 Millionen Quadratmetern nach LEED zertifiziert, so die Angaben des IGBC.

Beim Recycling von Bauschutt besteht Nachholbedarf

Jedes Jahr fallen in Indien bis zu 500 Millionen Tonnen Bauschutt an. Gerade einmal 1 Prozent davon wird recycelt, schätzt der Building Materials & Technology Promotion Council (BMTPC). Der Rest landet auf Müllhalden und trägt mit zur hohen Feinstaubbelastung in den Ballungszentren bei. 

Ende 2023 gab es indienweit 27 Recyclinganlagen für Bauschutt, in denen 5 Millionen Tonnen jährlich behandelt werden können. Weitere knapp 30 Anlagen befanden sich zu dem Zeitpunkt im Bau oder in der Planung, so die Angaben des Center for Science and Environment. 

Dadurch wird die Nachfrage nach Maschinen zum Trennen und Sortieren sowie zum Zerkleinern des Bauschutts wie Backenbrecher in den kommenden Jahren wachsen, prognostiziert BMTPC. Indien importierte 2023 entsprechende Ausrüstung im Wert von rund 550 Millionen US$ – ein Plus von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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