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Markttrends
Die indischen Kunden sind in Kauflaune. Die Nachfrage nach Pkw könnte auf über vier Millionen Stück steigen. Die Hersteller beschäftigen sich derweil mit volatilen Regulierungen.
02.04.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Indiens Konjunkturmotor läuft derzeit wie geschmiert. Für das Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) prognostizieren Volkswirte Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 6 und 7,5 Prozent. Für das folgende Finanzjahr wird ein Wirtschaftswachstum von etwa 6,5 Prozent erwartet. Das kommt der Kauflaune im Land zugute und stützt die Fahrzeugnachfrage.
beim weltweiten Absatz von Pkw, hinter China und den USA.
Der Fahrzeugabsatz nimmt zu
Im Finanzjahr 2022/2023 konnten die Hersteller im Vergleich zur Vorjahresperiode rund 27 Prozent mehr Pkw absetzen. Für Busse fiel das Wachstum mit 160 Prozent bei Weitem stärker aus. Die Nachfrage nach Zweirädern wuchs hingegen mit 17 Prozent vergleichsweise gering. Hier spüren die Hersteller noch immer die Folgen der Coronapandemie. Diese hat ärmere Konsumenten finanziell überproportional hart getroffen, was sich bei der Nachfrage nach Einstiegsmobilität in Form von Zweirädern nach wie vor negativ auswirkt. Die Nachfrage nach Kleinwagen ist ebenfalls betroffen.
Für das laufende Finanzjahr sind die Aussichten gut. Zahlen aus den ersten drei Quartalen nach zu urteilen, werden die Vorjahreswerte erneut übertroffen. Damit könnte Indien 2023/2024 mehr als 4 Millionen Pkw absetzen.
Der Hersteller Tata verkauft erneut mehr Pkw als in der Vorperiode. Auch aufgrund seiner Dominanz bei Elektroautos setzt das Unternehmen die (Rück-)Eroberung von Marktanteilen fort. Unangefochtener Platzhirsch bleibt zwar Maruti Suzuki, allerdings verliert die Firma Marktanteile.
In der Breite legten fast alle Hersteller beim Absatz zu. Einzig Renault musste 2022/2023 Einbußen hinnehmen, was unter anderem daran lag, dass die Firma in Indien nur wenige Modelle und darunter vermehrt Kleinwagen anbietet. Im laufenden Finanzjahr 2023/2024 werden die meisten Pkw-Hersteller die Vorjahreswerte übertreffen.
Hersteller | Absatz 2022/2023 | Veränderung | Marktanteil | Absatz 2023/2024*) |
---|---|---|---|---|
Maruti Suzuki India | 1.606.870 | 20,7 | 41,3 | 1.280.090 |
Hyundai Motor India | 567.546 | 17,9 | 14,9 | 454.404 |
Tata Motors | 544.391 | 45,9 | 14,0 | 424.350 |
Mahindra & Mahindra | 359.254 | 59,0 | 9,2 | 333.777 |
Kia Motors India | 269.229 | 44,1 | 6,9 | 180.265 |
Toyota Kirloskar Motor | 173.245 | 40,0 | 4,5 | 174.121 |
Honda Cars India | 91.418 | 6,8 | 2,4 | 63.690 |
Renault India | 78.926 | -9,8 | 2,0 | 33.308 |
SkodaAuto India | 52.269 | 53,7 | 1,3 | 37.087 |
MG Motor India | 48.866 | 21,0 | 1,3 | 34.871 |
Stadtgeländewagen liegen weiter im Trend
Stark nachgefragt bleiben Sport Utility Vehicle (SUV) beziehungsweise Fahrzeuge mit SUV-Optik. Auch kleinere Modelle, die hochgelegt und bullig gestaltet sind, treffen den Geschmack der Kunden. Darüber freuen sich die Hersteller, denn die Modelle gelten als margenstärker im Vergleich zu beispielsweise klassischen Limousinen. Die indischen Kunden legen dabei wenig Markentreue an den Tag. Was für Käufer in Indien zählt, sind ein attraktiver Preis, robuste Technik und ein ansprechendes Design.
Branchenexperten bemerken, dass sich Kunden zunehmend bewusst die luxuriösere Ausstattung oder das größere Modell leisten. Hinzu kommt die wachsende Nachfrage nach Fahrzeugen der Oberklasse. Obwohl diese nur einen kleinen Anteil am Gesamtmarkt ausmachen, meldeten die deutschen Hersteller Audi, BMW und Mercedes ein starkes Wachstum in Indien – allerdings auf niedrigem Niveau. Branchenmedien zufolge wuchs 2023 beispielsweise für Mercedes der Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent. Das entspricht circa 17.400 veräußerten Pkw.
Regulierung bleibt komplex
Im Frühjahr 2022 hatte Indiens Regierung angekündigt, dass zukünftig sechs Airbags für Pkw verpflichtend sein sollen. Bis Herbst 2023 sollten die Hersteller ihre Produktion entsprechend anpassen. Im September 2023 erfolgte aber eine Rolle rückwärts: Der indische Verkehrsminister gab bekannt, dass sechs Airbags nun doch nicht verpflichtend sind. Mangelnde regulatorische Berechenbarkeit wird von deutschen Unternehmensvertretern immer wieder als Herausforderung in Indien genannt.
Die Bemühungen der Regierung, mehr industrielle Wertschöpfung ins Land zu holen, stellen die Unternehmen der Kfz-Branche vor neue Aufgaben. Indien setzt dabei verstärkt auf eigene Standards. Momentan betrifft dies beispielsweise Befestigungsmittel wie Schrauben und Muttern. Unternehmen müssen sich bemühen, entsprechend zertifiziert zu werden oder Zulieferer mit der entsprechenden Zertifizierung finden. Das sorgt für Herausforderungen in etablierten Lieferketten, auch weil die Übergangsfristen häufig kurz sind.
Neue Grenzwerte werfen ihre Schatten voraus
Mit "Bharat Stage VI" hat Indien bereits Abgasnormen, die vergleichbar mit "EURO 6" sind. Zudem gelten seit Frühjahr 2023 neue Vorgaben für Tests von Abgaswerten. Damit sind Hersteller verpflichtet, die Abgaswerte nicht nur unter Laborbedingungen, sondern auch auf der Straße zu testen. Hinzu kommen seit 2023 Grenzwerte für den durchschnittlichen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) pro Pkw im Sortiment eines Hersteller (Corporate Average Fuel Efficiency II; CAFE II). Aktuell liegt der Wert bei 113 Gramm CO2 pro Kilometer.
Nicht alle Unternehmen schaffen es derzeit, diesen vorgegebenen Wert zu erreichen. Laut Medienberichten stehen beispielsweise Kia und Hyundai heftige Strafzahlungen bevor. Zudem bereiten sich die Branchenunternehmen darauf vor, dass die CAFE II-Normen in den kommenden Jahren weiter verschärft werden. Im Raum stehen Werte knapp unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer.
Infrastruktur zur Altfahrzeugentsorgung noch im Anfangsstadium
Bereits 2021 stellte Indien die Einführung einer Abwrackprämie in Aussicht. Seit April 2023 werden nun schrittweise verpflichtende, regelmäßige Technik- und Verkehrssicherheitsprüfungen eingeführt, zunächst für Nutzfahrzeuge älter als 15 Jahre. Im Juni 2024 folgen Pkw älter als 20 Jahre.
Allerdings ist die für die Entsorgung notwendige Infrastruktur noch unzureichend entwickelt. Indiens Verkehrsminister gab Ende 2023 bekannt, dass erst 85 Verschrottungszentren offiziell zertifiziert waren. Der Bedarf liegt bei 1.000 solcher Einrichtungen. Zusätzlich seien mindestens 400 Testzentren notwendig, um die Verkehrssicherheit von Fahrzeugen zu prüfen. Die aktuell vorhandene Zahl dürfte deutlich darunter liegen.
(Stand Februar 2024)