Special | Indien | Rohstoffsicherung
Indien erlaubt Privatsektor Förderung von kritischen Rohstoffen
Indien ist bei der Rohstoffsicherung auf Importe angewiesen. Der erste Lithiumfund im Land sorgt für Euphorie – es wird für erneuerbare Energien und Elektromobilität benötigt.
12.04.2024
Von Boris Alex | New Delhi
- Vorkommen: Bedeutende Lagerstätten von Titan, Mangan und Bauxit
- Erschließung: Versteigerung von Förderlizenzen gestartet
- Verarbeitung: Indien verarbeitet importierte Rohstoffe weiter
- Verwendung: Energiesektor benötigt dringend kritische Rohstoffe
- ESG: Regierung will Bergbau umwelt- und sozialverträglicher machen
Vorkommen: Bedeutende Lagerstätten von Titan, Mangan und Bauxit
Der indische Subkontinent verfügt über Vorkommen von 95 Rohstoffen, darunter Kohle, Erze, mineralische Rohstoffe, Steine und seltene Erden. Das geologische Potenzial schätzt die Regierung auf 17 Prozent der Landmasse, insgesamt 570.000 Quadratkilometer. Davon wurden bis 2020 erst 10 Prozent untersucht und nur 1,5 Prozent für den Bergbau erschlossen, so eine Analyse der regierungsnahen Denkfabrik NITI Aayog. Indien zählt bei einigen der insgesamt 34 von der Europäischen Kommission als kritisch eingestuften Rohstoffen zu den Ländern mit den höchsten Vorräten weltweit.
Bei den beiden Titanmineralien Rutil und Ilmenit, die zur Herstellung von Titanmetall verwendet werden, verfügt Indien über die zweit- und drittgrößten sicheren und wahrscheinlichen Vorräte. Bei den seltenen Erden belegt das Land weltweit den 5. Rang und bei Mangan den 7. Platz. Die Rohstoffvorkommen konzentrieren sich in den zentralindischen Bundesstaaten Gujarat, Madhya Pradesh, Chhattisgarh, Jharkhand und Odisha. Auch im Süden des Landes sowie in der Himalaya-Region gibt es Reserven von mineralischen Rohstoffen und Erzen.
Lithiumfund verändert die Rahmenbedingungen für Rohstoffsicherung
Im Februar 2023 wurden erstmals Lithiumvorkommen auf dem indischen Subkontinent bestätigt. In Jammu und Kaschmir in der Grenzregion zu Pakistan sollen knapp 6 Millionen Tonnen des begehrten Leichtmetalls lagern, so die Daten des Geological Surveys of India. Die indische Regierung hofft, durch den Fund die Importabhängigkeit bei Lithium – 2022 lag das Einfuhrvolumen bei rund 3 Milliarden US-Dollar (US$) – zu verringern. Indiens Lithiumbedarf wird angesichts der Ausbaupläne für erneuerbare Energien und Elektromobilität in den nächsten Jahren weiter stark wachsen.
Rohstoff | Vorräte (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Titanmineral Rutil | 7.400 | 15,7 |
Titanmineral Ilmenit | 85.000 | 11,0 |
Seltene Erden | 6.900 | 6,0 |
Mangan | 34.000 | 4,2 |
Bauxit | 660.000 | 2,2 |
Erschließung: Versteigerung von Förderlizenzen gestartet
Indien war laut World Mining Data 2023 im Jahr 2021 mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Tonnen der fünftgrößte Rohstoffförderer der Welt. Der Subkontinent lag bei den von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffen Baryt auf dem 1. Platz und bei Feldspat auf Platz 2 der wichtigsten Förderländer. Bei seltenen Erden, Bauxit, Mangan und Grafit schaffte es Indien 2021 jeweils in die Top Ten.
Die Regierung hat in den letzten Jahren ihre Aktivitäten zur Rohstoffsicherung verstärkt. Sie erstellte 2023 eine Liste mit 30 kritischen Rohstoffen. Diese deckt weitgehend die gleichen kritischen Rohstoffe ab wie die Liste der EU. Ausgehend davon soll die Förderung der eigenen Vorkommen ausgebaut und internationale Kooperationen zur Erschließung im Ausland unterstützt werden.
Im Finanzjahr 2021/2022 (1. April bis 31. März) lag der Anteil des Privatsektors an der wertmäßigen Rohstoffförderung bei 55 Prozent. Die Regierung hat im Juli 2023 sechs Rohstoffe – darunter Lithium, Beryllium, Niob und Tantal – erstmals für die Förderung durch den Privatsektor freigegeben. Ende November 2023 wurden 20 Abbaulizenzen mit kritischen Mineralien wie Lithium, Bauxit, Nickel, Kupfer, Grafit, Mangan, Phosphorit und seltene Erden im Wert von schätzungsweise 5,4 Milliarden US$ versteigert.
Presseinformationen zufolge sollen 56 Gebote – darunter die Bergbaukonzerne Vedanta und NMDC sowie Tata Steel und Jindal Power – eingegangen sein. Ende Februar 2024 wurden weitere 18 Abbaulizenzen im Wert von 3,6 Milliarden US$ auktioniert. Die Regierung will in den nächsten Jahren insgesamt 500 Abbaulizenzen für mineralische Rohstoffe versteigern.
Abkommen zur Lithiumförderung in Argentinien
Die Regierung setzt bei der Rohstoffsicherung auch auf internationale Kooperationen und ist im Juni 2023 der von den USA angeführten "Minerals Security Partnership" beigetreten. Um die Rohstoffaktivitäten im Ausland zu koordinieren, wurde 2019 die Bundesgesellschaft KABIL India gegründet. Anfang 2024 hat KABIL ein Abkommen über den Kauf von fünf Abbaulizenzen für Lithium mit dem argentinischen staatlichen Bergbaukonzern CAMYEN geschlossen.
Rohstoff | Förderung (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Baryt | 2.000 | 22,4 |
Seltene Erden | 37 | 16,0 |
Bauxit | 22.073 | 6,2 |
Mangan | 963 | 4,7 |
Titan | 235 | 4,5 |
Verarbeitung: Indien verarbeitet importierte Rohstoffe weiter
Die in Indien geförderten Rohstoffe werden größtenteils vor Ort industriell weiterverarbeitet. Eisenerz, Mangan und Bauxit gehen in die Stahl- und Aluminiumherstellung. Da die lokale Produktion beispielsweise von Bauxit nicht den Bedarf der Industrie deckt, mussten die Unternehmen 2021 zusätzlich 3 Millionen Tonnen des Erzes importieren. Andere Rohstoffe werden fast vollständig zur Verarbeitung importiert. So förderte Indien 2019 lediglich 30.000 Tonnen Kupfer, weiterverarbeitet wurde allerdings gut 400.000 Tonnen.
Die Kapazitäten der Kupferschmelzen und Raffinerien beziffert das Ministry of Mines auf 1 Million Tonnen pro Jahr. Rund 80 Prozent des Kupfers wird zu Kathoden verarbeitet. Weitere kritische Rohstoffe, die Indien zur Weiterverarbeitung importieren muss, sind Lithium, Nickel und Kobalt.
Rohstoff | Verarbeitung pro Jahr (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Mangan | 642 | 12,1 |
Vanadium | 0,7 | 2,5 |
Kupfer (primär) | 416 | 2,1 |
Verwendung: Energiesektor benötigt dringend kritische Rohstoffe
Indien verfügt über eine breite Industriebasis und der Bedarf an Rohstoffen ist entsprechend hoch. Neben der Stahl- und Aluminiumindustrie zählen die Maschinen- und Anlagenbauer sowie die Hersteller von Elektrotechnik zu den wichtigsten Abnehmern von Rohstoffen wie Kupfer und Zink.
Lithium kommt vor allem bei der Energieerzeugung und -speicherung zum Einsatz. Da Indien seine Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien bis 2030 auf 500 Gigawatt mehr als verdoppeln will und Batteriefahrzeuge 30 Prozent der Neuzulassungen ausmachen sollen, wird der Bedarf an kritischen Rohstoffen weiter stark wachsen.
ESG: Regierung will Bergbau umwelt- und sozialverträglicher machen
Risiken im indischen Rohstoffsektor sind vor allem der weit verbreitete illegale Abbau von Rohstoffen, die Landenteignung und Kinderarbeit. Der Subkontinent hat 2016 mit dem "Sustainable Development Framework" einen Rahmen für nachhaltige Rohstoffförderung und -verarbeitung geschaffen. Zudem wollen Konzerne wie Vedanta oder TATA den Kohlenstoffdioxidausstoß und Wasserverbrauch im Bergbau reduzieren.
Stärken | Schwächen | |
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Ökologie | Umweltgesetzgebung wird tendenziell eher verschärft; Bewusstsein zu nachhaltigem Bergbau bei Politik und Unternehmen zum Teil vorhanden. | Geringe Kontrollmöglichkeiten von Umweltverstößen; hoher Ressourceneinsatz (Wasser, Energie) bei der Rohstoffförderung und -verarbeitung. |
Soziales | Eröffnet Beschäftigungsmöglichkeiten für Bevölkerung in strukturschwachen Regionen. | Landenteignung und Umwandlung von Agrarland in Abbaugebieten; Risiko von Kinderarbeit. |
Governance | Demokratische Institutionen und eine unabhängige Presse können bei Fehlentwicklungen im Bergbausektor noch gegensteuern. | Einschränkungen für ausländische Investoren bei kritischen Rohstoffen; langwierige Genehmigungsverfahren. |