Wirtschaftsumfeld | Indien | Investitionsförderung
Praxischeck
In einschlägigen Rankings gibt Indien ein gemischtes Bild ab. Insbesondere ein Thema wird trotz Verbesserungen als nach wie vor hinderlich für Investitionen benannt.
09.05.2022
Von Florian Wenke | Mumbai
Im "Ease of Doing Business Index" der Weltbank konnte sich Indien in den vergangenen Jahren deutlich verbessern. Belegte das Land 2014 noch Rang 134, so konnte es sich bis auf Platz 63 im Jahr 2020 vorarbeiten. Die Regierung erwähnt immer wieder, wie wichtig ihr ein gutes Geschäftsumfeld sei. Zuletzt sprach die Finanzministerin Nirmala Sitharaman im Februar 2022 bei der Vorstellung des Staatshaushaltes von "Doing Business 2.0". Sie hob hervor, wie Indien in den vergangenen Jahren Verwaltungsprozesse digitalisiert und Vorschriften reduziert habe.
Trotz Reformen bleiben hohe Hürden
In der Praxis bleibt die Bürokratie jedoch eines der größten Probleme für Investoren. In einer Veröffentlichung von Anfang 2022 hat sich die indische Denkfabrik Observer Research Foundation das Thema genauer angeschaut. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es in Indien über 1.500 Gesetze gibt, die "Doing Business" regulieren, davon knapp 680 auf Ebene der Zentralregierung. Als Teil dieser Gesetze gibt es mehr als 69.200 Regelungen, die es zu erfüllen gilt – circa 25.500 davon auf Ebene New Delhis. Um die Einhaltung der Regelungen zu dokumentieren, sind über 6.600 jährlich zu machende Auskünfte notwendig. Laut Angaben der Experten kommt eine ständige Veränderung des regulatorischen Umfeldes hinzu. Alleine von Anfang 2019 bis Ende 2021 gab es mehr als 11.000 Änderungen der Auflagen für Unternehmen - durchschnittlich 10 Änderungen pro Tag.
Hinzu kommen Verfahrensprobleme. So kann nicht immer damit gerechnet werden, dass den zuständigen Ansprechpartnern außerhalb von Metropolen die aktuellsten Verfahren bekannt sind. Die Lücke zwischen geltenden Regelungen und deren konkreter Umsetzung kann in Indien bisweilen groß sein. Daher ist es wichtig, sich vorab genau zu informieren und möglichst mit vertrauenswürdigen lokalen Partnern zusammenzuarbeiten.
Deutsche Unternehmen erkennen die Herausforderungen
Der German Indian Business Outlook 2021 zeigt ähnliche Punkte als problematisch auf. Alleine 59 Prozent der darin befragten Unternehmen nannten die indische Bürokratie und die damit verbundenen Verwaltungshürden als großes Hindernis für das Geschäft mit Indien. Außerdem sahen 36 Prozent der befragten Unternehmen das Steuersystem und einen uneindeutigen regulatorischen Rahmen als kompliziert an. Zusätzlich gaben 34 Prozent der Befragten an, dass sowohl die Durchsetzung von Recht allgemein, als auch die Dauer rechtlicher Auseinandersetzungen eine Herausforderung im Geschäftsbetrieb sei.
Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführerr der AHK Indien, sagt: "Die Bürokratie bleibt eine große Herausforderung für deutsche Unternehmen in Indien. Mit der Einrichtung von Single-Window-Anlaufstellen und der Digitalisierung von Prozessen hat sich in den letzten Jahren zwar einiges verbessert, aber der Verwaltungsaufwand ist nach wie vor hoch. Auch die Tatsache, dass ein umfassendes Investitionsschutz- und Freihandelsabkommen fehlt, ist für deutsche Investitionen in Indien nicht förderlich."
Verbesserungspotenzial ist vorhanden
Der von Transparency International erstellte Corruption Perceptions Index 2021 führt Indien auf Platz 85 von 180 betrachteten Ländern auf. In den Jahren zuvor war der Subkontinent stets auf einer ähnlichen Position zu finden. Von allen Nachbarstaaten Indiens waren lediglich zwei Länder besser platziert - China auf Rang 66 und Bhutan auf Rang 25. Laut einer Analyse der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Yuen Yuen Ang sind besonders Zahlungen zur Beschleunigung und Umgehung bürokratischer Prozesse weit verbreitet.
Im Global Competitiveness Report 2020 des World Economic Forums werden besonders Indiens Investitionen in die Energiewende sowie die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik positiv bewertet. Indiens Bildungssystem schneidet jedoch vergleichsweise schlecht ab. Der Bericht bemängelt den geringen Fokus auf Wissen und Fähigkeiten, die im modernen Arbeitsleben benötigt werden. Unternehmen bestätigen dies. Immer wieder beklagen sie den Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften im Land. Im direkten Vergleich mit Deutschland werden auch die Anreize für langfristige Investitionen, Arbeitsgesetze und die sozialen Sicherungssysteme als deutlich weniger gut bewertet.
Kriterien | Indien*) | Deutschland*) |
---|---|---|
1 Qualität öffentlicher Institutionen | 49,4 | 66,5 |
2 Modernisierung der Infrastruktur in Bezug auf die Energiewende und den Zugang zu Strom sowie Kommunikations- und Informationstechnologien | 72,6 | 79,6 |
3 Fortschrittliches Besteuerungssystem | 55,8 | 54,2 |
4 Fokus des Bildungssystems auf Wissen und Fähigkeiten, die zukünftig benötigt werden | 43,5 | 61,4 |
5 Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherungssysteme | 44,4 | 74,0 |
6 Altersvorsorge, Kinderbetreuung und Gesundheitsinfrastruktur | k. A. | 51,4 |
7 Anreize für langfristige Investitionen, verbesserte Stabilität und mehr Inklusion | 54,5 | 79,3 |
8 Wettbewerbs- und Kartellrecht in Bezug auf Industrie 4.0; gewährleisteter Marktzugang national und international | 57,3 | 65,6 |
9 Schaffung moderner Märkte insbesondere in Bereichen, die eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Hand benötigen | 40,2 | 48,1 |
10 Anreize für und Ausweitung von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovationen zur Schaffung neuer "Märkte der Zukunft" | 32,5 | 49,2 |
11 Anreize für Firmen, Themen wie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion anzugehen | 45,1 | 62,6 |
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