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Indien präsentiert den finalen Staatshaushalt 2024/2025
Der Haushalt nach der Wahl widmet sich unter anderem dem Arbeitsmarkt. Es gibt neue regionale Investitionsimpulse. Die Fiskaldisziplin bleibt hoch.
26.08.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Aufgrund der Wahlen von April bis Juni 2024 hat Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman den finalen Staatshaushalt für das Finanzjahr 2024/2025 (1. April bis 31. März) erst Ende Juli 2024 im Parlament präsentiert. Der neu vorgestellte Haushalt für das laufende Finanzjahr hielt wenig Überraschungen bereit.
Position | Vorläufige Endwerte 2023/2024 | Prognosen im finalen Haushalt 2024/2025 |
---|---|---|
Ausgaben | 531,4 | 576,7 |
Einnahmen (Revenue Receipts)* | 326,4 | 374,3 |
Investitionen (Capital Expenditure) | 113,5 | 132,9 |
Zinszahlungen | 127,3 | 139,1 |
Fiskaldefizit (in % des Bruttoinlandsprodukts) | 5,6 | 4,9 |
Gegenüber dem Zwischenhaushalt von Februar 2024 erhöht die Regierung die geplanten Ausgaben um 6,6 Milliarden US-Dollar (US$). Gleichzeitig geht sie von deutlich höheren Einnahmen aus. Diese sollen nun 374,3 Milliarden US$ anstatt 359 Milliarden US$ betragen. Die gute wirtschaftliche Entwicklung begünstigt die Staatseinnahmen.
Neue Investitionsimpulse für Bihar und Andhra Pradesh
Die allgemeinen Investitionsausgaben bleiben auf einem hohem Niveau und wurden gegenüber Februar 2024 nicht verändert. Sie liegen bei 132,9 Milliarden US$ und den Schwerpunkt bilden weiterhin Infrastrukturausgaben.
Für Firmen aus den Bereichen Infrastrukturplanung und Bau lohnt sich der Blick auf die Bundesstaaten Bihar und Andhra Pradesh. Regionalparteien aus diesen beiden Bundesstaaten stellen die größten Koalitionspartner der auf zentralstaatlicher Ebene regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) und dürfen sich nun über beträchtliche zusätzliche Mittel für ihre Regionen freuen.
Für Bihar sind beispielsweise über 3 Milliarden US$ an neuen Mitteln für den Bau von Straßen und Brücken veranschlagt. Andhra Pradesh erhält unter anderem mehr als 1,8 Milliarden US$ für seine im Bau befindliche neue Landeshauptstadt Amravati.
Der Arbeitsmarkt rückt in den Fokus
Die mit über 1,4 Milliarden Menschen weltgrößte Bevölkerung wächst weiter. Damit steht der Arbeitsmarkt vor der großen Herausforderung, jedes Jahr Millionen neuer Arbeitnehmer absorbieren zu müssen. Experten sehen die Unzufriedenheit über mangelnde Perspektiven am Arbeitsmarkt als einen Grund für das abstrafende Wahlergebnis, bei dem die BJP ihre bis dato absolute Mehrheit verloren hat.
Der neue Haushalt enthält die Ankündigung für Subventionsprogramme zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Arbeitgeber sollen durch Zuschüsse zum Gehalt und zur Altersvorsorge ermuntert werden, neue Jobmöglichkeiten zu schaffen.
Indien besitzt zwar eine junge Bevölkerung mit einem Medianalter von etwa 29 Jahren, allerdings verfügen viele Personen oft nicht über ausreichend Training und Fähigkeiten, um produktiv am modernen Wirtschaftsgeschehen teilzunehmen. Daher möchte die Regierung die Berufsausbildung stärken. Einerseits soll dies durch Zuschüsse für ein Praktikumsprogramm in Unternehmen geschehen. Damit soll potenziellen Fachkräften mehr Zugang zu praktischen Kenntnissen ermöglicht werden. Außerdem sollen 1.000 Berufsbildungszentren (Industrial Training Institutes) modern ausgestattet werden.
Unternehmen aus dem Bereich Aus- und Weiterbildung dürften in Zukunft in Indien eine wachsende Nachfrage vorfinden. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil sowohl die deutsche Regierung als auch Unternehmen aus der Bundesrepublik verstärkt Interesse an Fachkräften aus Indien haben.
Fiskaldisziplin wird belohnt
Indiens Einsatz für eine solide Haushaltführung macht sich bezahlt: Das Fiskaldefizit schrumpft weiter. Für das aktuelle Finanzjahr 2024/2025 strebt die Regierung 4,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) an, was nochmal 0,2 Prozentpunkte unter dem im Zwischenhaushalt gesetzten Ziel liegt. Insbesondere die Steuereinnahmen entwickeln sich positiv und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die angepeilten 4,9 Prozent sogar unterschritten werden. Damit ist Indien auf einem guten Weg, den länger angekündigten Zielwert von 4,5 Prozent in 2025/2026 zu erreichen.
Internationale Ratingagenturen hatten in der Vergangenheit immer wieder kritisch auf Indiens Verschuldung geblickt. Aus indischer Sicht wurden von den Experten die jahrelangen Bemühungen der Regierung bei der fiskalischen Konsolidierung und die gute Verfassung der Wirtschaft zu wenig gewürdigt. Nun rücken Verbesserungen des indischen Kreditratings in greifbare Nähe. Derzeit beurteilen die Ratingagenturen Indien am unteren Ende im gerade noch investitionswürdigen Bereich.
Eine Heraufstufung würde es Indien ermöglichen, sich günstiger zu verschulden. Ein besseres Rating bedeutet, dass Geldgeber weniger Risikoaufschlag für ihr Geld erhalten. Das würde weitere Mittel für Investitionen oder den Schuldenabbau freimachen. In jedem Fall wäre ein besseres Kreditrating ein starkes Signal an Investoren, die sich für den Wirtschaftsstandort Indien interessieren.
Steueränderungen kommen
Die allgemeine Umsatzsteuer (Goods and Services Tax; GST) hat das Steuersystem mit ihrer Einführung im Jahr 2017 vereinfacht. Im neuen Haushalt kündigte die Regierung an, die Steuer auf Bereiche zu übertragen, die bisher noch nicht von ihr erfasst sind. Konkrete Beispiele wurden nicht genannt.
Diese Maßnahme würde die Steuerbasis verbreitern. Damit einhergehen soll eine weitere Rationalisierung der bisher vorhandenen Tarifstufen. Derzeit gibt es fünf davon, die von 0 bis 28 Prozent reichen.
Weitere Steueränderungen betreffen die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für ausländische Unternehmen, die zwar in Indien Einkommen erwirtschaften, jedoch nicht vor Ort ansässig sind. Zudem nimmt die Regierung Einkommensteuerentlastungen vor. Dabei dürfte sie den inländischen Konsum im Blick haben. Dieser macht knapp 60 Prozent des BIP aus. Im Finanzjahr 2023/2024 wuchs er laut Weltbank allerdings nur um 3,4 Prozent und damit sehr schwach für indische Verhältnisse.