Wirtschaftsausblick | Irland
Irische Wirtschaft 2024 auf Wachstumskurs
Irlands Wirtschaftswachstum nimmt wieder Fahrt auf. Hohe Steuereinnahmen spülen Milliarden in den Staatshaushalt. Diese Mittel zu verteilen gestaltet sich jedoch schwierig.
11.07.2024
Von Marc Lehnfeld | London
Top-Thema: Hohe Steuereinnahmen wecken Begehrlichkeiten der Wirtschaft
Irlands Staatshaushalt verzeichnet hohe Einnahmen. Im 1. Halbjahr 2024 flossen allein durch die Steuerzahlungen internationaler Großkonzerne über 12 Milliarden Euro in die Kassen, rund 15 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Insgesamt stiegen die Einnahmen um 3,8 Milliarden Euro.
Dieser unerwartete Geldsegen verschafft dem irischen Finanzminister Jack Chambers Spielraum für seine für Oktober 2024 erwartete Haushaltsrede zum "Budget 2025". Folglich buhlen Irlands Wirtschaftsverbände um die Gunst des Finanzministers.
Der irische Dachverband Ibec und die amerikanische Handelskammer AmCham fordern unter anderem Steuersenkungen, eine milliardenschwere Erhöhung der Mittel für den Infrastrukturentwicklungsplan und eine gezielte Investition der Überschüsse des National Training Fund (NTF) in die berufliche Weiterentwicklung. Der NTF wird nicht umfangreich genutzt und hat bisher Überschüsse von rund 1,5 Milliarden Euro aufgehäuft. Ziel des Budgets 2025 soll sein, die Wettbewerbsfähigkeit der Inselwirtschaft zu stärken. Diese könnte angesichts der anstehenden Einführung der globalen Mindeststeuer unter Druck geraten. Vor allem Ibec warnt davor, dass die zusätzlichen Einnahmen vor den Parlamentswahlen im nächsten Jahr möglicherweise für kurzfristig populärere Maßnahmen verwendet werden könnten.
Auch der unabhängige Irish Fiscal Advisory Council äußert Bedenken. Das Gremium kritisiert, dass die irische Regierung weiterhin ihre selbst gesteckten Ausgabenregeln, die sogenannten National Spendung Rules, bricht und durch zu hohe Ausgaben die gerade abflachende Inflation wieder antreibt.
Wirtschaftsentwicklung: BIP-Wachstum beschleunigt sich im 1. Quartal
Die EU-Kommission sieht die irische Wirtschaft mit einer Wachstumsprognose des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von real 1,2 Prozent für 2024 im Mittelfeld der europäischen Volkswirtschaften. Die Sommerprognose des irischen Economic and Social Research Institute (ESRI) ist mit 2,6 Prozent deutlich optimistischer. Das BIP ist jedoch wegen starker verzerrender Effekte nur ein begrenzt aussagekräftiger Indikator für die breite Wirtschaftsentwicklung des Landes.
Laut ESRI steigt die modifizierte Binnennachfrage, die um Sondereffekte bereinigt ist, 2024 um 2,2 Prozent. Irlands Wirtschaft gewinnt somit nach der Stagnation im Vorjahr wieder an Fahrt, angetrieben durch starke Exporte und einen steigenden Privatkonsum.
Im 1. Quartal 2024 sank sie jedoch um 1 Prozent, hauptsächlich wegen einer schwachen Bauwirtschaft, geringeren Investitionen und stagnierenden Exporten. Laut dem Construction Outlook Q2 Survey des Bauverbands CIF sind die irischen Bauunternehmen für das nächste Quartal jedoch wieder optimistisch. Das deutet auf eine Erholung der Bauwirtschaft hin.
Der Privatkonsum soll in diesem Jahr um 1,9 Prozent wachsen. Ihn stützt das erste Reallohnwachstum seit zwei Jahren. Irische Verbraucher blicken laut Consumer Sentiment Index von Credit Union im Juni angesichts fallender Energiepreise und der EZB-Zinssenkung positiv auf ihre Finanzlage. Dies markiert eine Kehrtwende. Laut dem irischen Statistikamt CSO liegt die Inflationsrate im Mai 2024 bei 2 Prozent. Sie soll laut ESRI im Jahresdurchschnitt auf diesem Niveau bleiben. Die Erzeugerpreise sind im selben Monat nur um 0,9 Prozent gestiegen.
Deutsche Perspektive: Stabilisierung des bilateralen Handels 2024 zu erwarten
Irlands Außenwirtschaft erholt sich. Nachdem die Exporte im vergangenen Jahr vor allem wegen des Rückgangs in der Chemie- und Pharmaindustrie nach der Coronapandemie eingebrochen waren, sieht ESRI für dieses Jahr einen positiven Trend. Ex- und Importe von Waren und Dienstleistungen sollen 2024 real um 4 beziehungsweise 2,5 Prozent zulegen.
Im ersten Drittel des Jahres schwächelte der irische Warenaußenhandel noch. Im Vergleich zur Vorjahresperiode wuchs der Handel nominal nur um 1,8 Prozent. Gerade mit den wichtigsten Handelspartnern zeigt sich ein gemischtes Bild: Während der Handel mit den USA um knapp 21 Prozent stieg, brach er mit dem Vereinigten Königreich um rund 16 Prozent ein. Der Handel mit Deutschland schrumpfte leicht um etwa 3 Prozent.
Der Rückgang des deutsch-irischen Handels liegt teils an den deutlich gesunkenen irischen Importen aus der Bundesrepublik. Diese brachen im ersten Drittel des Jahres 2024 um 7 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode ein. Bereinigt man die Einfuhren um verzerrende Effekte durch Buchimporte von Flugzeugen und Vorleistungsgütern für die irische Pharmaindustrie, steigen die Importe jedoch um über 2 Prozent.
Besonders positiv entwickeln sich die deutschen Pkw-Exporte. Diese nahmen im ersten Jahresdrittel mit fast 15 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode stärker zu als die Neuwagenregistrierungen, die im gleichen Zeitraum nur um knapp 6 Prozent stiegen. Die Registrierungen gingen jedoch bis zum Ende des 1. Halbjahrs 2024 zurück. Ohne neue Impulse stehen die deutschen Pkw-Lieferungen für den Rest des Jahres unter Druck. Vor allem Zulassungen von Elektroautos sind rückläufig und liegen ein Viertel unter dem Ergebnis der Vorjahresperiode.
Gütergruppe | Januar bis April 2024 | nominale Veränderung ggü. der Vorjahresperiode | Anteil |
---|---|---|---|
Gesamt | 3.040 | -7,1 | 100,0 |
Gesamt, bereinigt um organische chemische Erzeugnisse und sonstige Fahrzeuge | 2.904 | 2,3 | 95,5 |
Chemische Erzeugnisse, davon 1) | 752 | 4,1 | 24,7 |
Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse 2) | 424 | 17,3 | 13,9 |
Straßenfahrzeuge 3) | 422 | 11,0 | 13,9 |
Industriemaschinen 4) | 392 | 11,3 | 12,9 |
Lebensmittel 5) | 260 | -9,3 | 8,6 |
Sonstige Transportmittel 6) | 62 | -82,7 | 2,0 |
Auch die Importe von Maschinen aus Deutschland entwickelten sich entgegen dem allgemeinen Trend und stiegen um mehr als 11 Prozent. Schließlich brach der irische Maschinenmarkt im 1. Quartal 2024 real um 6 Prozent ein. Die Industrieunternehmen leiden weiterhin unter einer schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland. Das dämpft auch die Investitionsbereitschaft.
Dennoch könnte die irische Maschinennachfrage vor einer Kehrtwende stehen. Die Betriebe signalisieren im aktuellen Bericht des Finanzdienstleisters AIB für Juni ein Fünfmonatshoch bei den Geschäftserwartungen. Eine mögliche weitere Senkung der Leitzinsen durch die EZB könnte sowohl die industrielle Entwicklung als auch den Investitionshunger stimulieren.
Weitere Informationen zu Irland finden Sie auf der GTAI-Länderseite.
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