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Wirtschaftsausblick | Polen

Polens Wirtschaft wächst wieder überdurchschnittlich schnell

Nach einem schwachen Jahr 2023 gewinnt Polens Wirtschaft erneut an Schwung. Das liegt nur teilweise an frischen EU-Fördergeldern. Gleichzeitig stellt sich Polens Regierung neu auf.

Von Christopher Fuß | Warschau

Top-Thema: Neue Minister und neue Zuständigkeiten

Mehrere Minister haben ihr Amt niedergelegt, um bei der Wahl zum Europäischen Parlament anzutreten. Einen Wechsel an der Spitze gab es unter anderem im Wirtschaftsministerium und im Ministerium für Staatsunternehmen. Parallel dazu brachte Polens Parlament ein Gesetz auf den Weg, das die Zuständigkeiten des neu gegründeten Industrieministeriums regelt. Die Behörde wird Fragen rund um fossile Energieträger, Wasserstoff und Kernenergie betreuen. Die erneuerbaren Energien verbleibt im Klimaministerium.

Zu den größten Erfolgen der seit Mitte Dezember 2023 amtierenden Regierung zählt, dass sie die Freigabe neuer EU-Fördergelder aushandeln konnte - obwohl eine von der Europäischen Kommission geforderte Justizreform weiter aussteht. Anders als die Vorgängerregierung genießt die neue Koalition einen Vertrauensvorschuss. Die Machtverhältnisse in Warschau bleiben kompliziert. Jedes Gesetz muss am Staatspräsidenten vorbei. Er hat ein Veto-Recht und steht, ähnlich wie das Verfassungsgericht und die Zentralbank, der Vorgängerregierung nahe.

Wirtschaftsentwicklung: Konsum als Wachstumstreiber

Trotz dieser Gemengelage entwickelt sich die Wirtschaft positiv. Laut der Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission wird Polens Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um 2,8 Prozent wachsen - fast dreimal so schnell wie der EU-Durchschnitt. Damit endet eine Flaute. Im Jahr 2023 schrammte das Land knapp an einer Rezession vorbei.

Steigende Löhne und eine sinkende Inflationsrate lassen mehr Geld für den Privatkonsum übrig. Auch neue Sozialleistungen und Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst tragen zum Aufschwung bei. Allerdings treiben die zusätzlichen öffentlichen Ausgaben die Staatsverschuldung in die Höhe.

Die Investitionen werden 2024 langsamer wachsen als im Vorjahr. Ein Grund dafür ist das Ende einer EU-Förderperiode im Jahr 2023. Öffentliche und private Auftraggeber schlossen eine Reihe von Projekten ab, um noch Zugriff auf verbleibende Gelder zu erhalten. Neue Mittel aus Brüssel sollten ab 2025 einen deutlichen Wachstumsimpuls geben.

Weil neue EU-Programme gerade erst anlaufen, melden Infrastruktur-Bauunternehmen eine Auftragsdelle. Immerhin erholt sich der Wohnungsbau. Grund sind staatliche Kreditprogramme und gelockerte Auflagen der Finanzaufsichtsbehörde. Eine Herausforderung bleibt der hohe Leitzins.

EU-Gelder helfen beim Strukturwandel

Staatliche Wirtschaftsförderagenturen haben EU-finanzierte Ausschreibungen veröffentlicht. Firmen, die ihren Maschinenpark durch energiesparende Anlagen ersetzen, können EU-Zuschüsse beantragen. Im Mai 2024 startete außerdem ein neues Programm des europäischen Wiederaufbaufonds. Es unterstützt Betreiber von Umschlagterminals dabei, ihre Kapazitäten für den Intermodaltransport auszubauen.

Dank der EU-Gelder dürfen Zulieferer auf neue Aufträge hoffen, beispielsweise in der Bahnindustrie. Der staatliche Schienennetzbetreiber PKP PLK verkündete, man habe dank der EU-Gelder zwischen Februar und Mai 2024 Aufträge im Wert von rund 1,8 Milliarden Euro unterzeichnet.

Nachrichten wie diese kommen den Unternehmen gerade recht, denn der Produktionsausstoß der Industrie schrumpfte im 1. Quartal 2024. Zu den größten Verlierern gehörten Hersteller von elektrischer Ausrüstung und die energieintensiven Branchen. Der Reifenproduzent Michelin oder der Elektrokonzern ABB schließen Produktionswerke. Polens Industrie befindet sich wegen gestiegener Kosten im Umbruch. Zwischen 2019 und 2023 kletterte allein das Durchschnittsgehalt um 53,3 Prozent.

Von einer Deindustrialisierung kann jedoch keine Rede sein. Vor allem die Elektromobilität sorgt für neue Investitionen. Ein Volkswagen-Joint Venture baut ein Werk für Batteriekomponenten. Der polnische Batteriehersteller Impact erweitert seine Produktion. Teile der Anlagen kommen vom Technologieriesen Bosch.

Großprojekte auf dem Prüfstand

Unternehmen fragen häufiger nach emissionsfreier Energie. Das Klimaministerium will in der zweiten Jahreshälfte 2024 einige Strategiepapiere vorstellen, darunter Ausbauziele für emissionsfreie Energien.

Neben Offshore-Windkraftanlagen und Solarenergie setzt Polen auf Kernkraft. Das erste staatliche Atomkraftwerk des Landes wird später ans Netz gehen: Laut Industrieministerin Marzena Czarnecka wird der geplante Reaktor ab 2035 Strom bereitstellen, zwei Jahre später als geplant.

Ein weiteres staatliches Investitionsprojekt muss mit Abstrichen rechnen. Die neue Regierung hält den geplanten Großflughafen CPK für überdimensioniert. Mehrere Prüfverfahren laufen. Die staatliche Projektgesellschaft hat außerdem angekündigt, einige geplante Schienentrassen für Hochgeschwindigkeitszüge zum Flughafen nicht zu bauen. Die erwartbare Auslastung sei zu niedrig.

Deutsche Perspektive: Polen vor China

Trotz aller Unwägbarkeiten entwickelt sich der deutsche Export nach Polen stark. Im 1. Quartal 2024 legten die Ausfuhren Deutschlands nach Polen um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Ein Grund mag sein, dass der Pkw-Absatz in Polen wächst. Die aktuelle Konjunkturumfrage der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) zeigt außerdem, dass deutsche Unternehmen ihre Situation in Polen deutlich positiver bewerten als im Vorjahr.

Polens Export nach Deutschland schrumpfte hingegen zum Jahresauftakt. Laut der Europäischen Kommission wird Polens Handelsbilanzüberschuss 2024 sinken, weil durch die steigenden Konsumausgaben der Import zunimmt.

Die Statistikbehörde Destatis hat die Handelszahlen für 2023 revidiert. Entgegen früheren Meldungen ist das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Polen 2023 nicht gesunken, sondern gewann erneut hinzu.

Bemerkenswert ist, dass zwischen Januar und März 2024 mehr Exporte aus Deutschland nach Polen gingen als nach China. Das liegt auch daran, dass deutsche Unternehmen in China verstärkt für den lokalen Markt produzieren.

Weitere Informationen (zum Beispiel Rechtsinformationen oder Branchenberichte) finden Sie auf unserer Länderseite Polen.

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