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Wirtschaftsumfeld | Island | Konjunktur

Islands Wirtschaft wächst wieder deutlich

Islands Wirtschaft zeigt sich von der Pandemie gut erholt. Ein Unsicherheitsfaktor für die zukünftige Entwicklung sind die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine.

Von Martin Schulte | Bonn

Die isländische Wirtschaft hat sich von dem pandemiebedingten Einbruch schneller erholt als erwartet. Die Unsicherheit über die Auswirkungen des Ukrainekrieges dämpfen jedoch die Stimmung in der Wirtschaft. Steigende Lebensmittel- und Rohstoffpreise könnten Konsum und Investitionen hemmen. Abzuwarten bleibt auch, ob der Tourismus sich weiterhin so gut entwickelt wie in den letzten Monaten.

Inlandsnachfrage treibt die Wirtschaft an

Nach vorläufigen Berechnungen des nationalen Statistikamtes, Statistics Iceland, wuchs die Wirtschaft 2021 um real 4,3 Prozent. Im 1. Quartal 2022 lag das Wachstum bei 8,6 Prozent. Wichtigste Treiber der positiven Entwicklung sind die starke Inlandsnachfrage und die lebhaften Exporte von Waren und Dienstleistungen.

Für das Gesamtjahr 2022 prognostizierte das Statistikamt Ende Juni ein Wachstum um real 5,1 Prozent. Deutlich zurückhaltender sind die Prognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Im Jahr 2022 erwartet sie ein reales Wirtschaftswachstum von 4,2 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte das Plus deutlich schwächer ausfallen. Statistics Iceland geht von einem Anstieg von 2,9 Prozent aus, die OECD erwartet 2,8 Prozent mehr.

Verbraucher sind wieder konsumfreudiger

Nach dem Krisenjahr 2021 hat der private Konsum wieder deutlich angezogen. Im 1. Quartal 2022 stieg er im Vergleich zum Vorjahr um real 8,8 Prozent. Für das Gesamtjahr 2022 prognostiziert Statistics Iceland einen Zuwachs um 4,3 Prozent. In den kommenden Monaten dürfte die steigende Inflation allerdings die Kaufkraft schwächen und die Konsumfreude der privaten Verbraucher dämpfen. Für 2023 und 2024 erwartet das Statistikamt nur noch einen Anstieg des privaten Verbrauchs um 2,6 beziehungsweise 2,4 Prozent.

Der Inflationsdruck nimmt zu. Grund sind nicht nur die steigenden Preise für Importprodukte, sondern auch gestiegene Hauspreise und eine starke Inlandsnachfrage. Im Juli 2022 lag die Inflationsrate bei 9,9 Prozent. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet das Statistikamt einen Anstieg der Verbraucherpreise um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2023 werden 4,9 Prozent prognostiziert. Die von der isländischen Zentralbank angestrebte Zielmarke von 2,5 Prozent dürfte frühestens 2025 wieder in Reichweite kommen.

Die Löhne sind zwar im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 deutlich gestiegen, die zukünftige Entwicklung ist jedoch unsicher. Wichtige Lohnvereinbarungen laufen Ende 2022 beziehungsweise Anfang 2023 aus. In jedem Fall dürfte die Inflation die Kaufkraft der Arbeitnehmer in den kommenden Jahren schmälern.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist mit der positiven Entwicklung der Wirtschaft gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist seit Anfang 2022 kontinuierlich zurückgegangen. Für 2022 wird eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent erwartet.

Investitionen bieten ein uneinheitliches Bild

Die Investitionen zogen im 1. Quartal 2022 deutlich an. Nach Prognosen des Statistikamtes werden sie 2022 um 4,6 Prozent steigen. Für 2023 erwartet das Statistikamt allerdings nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent. Ein Grund dafür sind Investitionen in Schiffe und Flugzeuge, die im Jahr 2022 getätigt werden. Die Investitionsbereitschaft wird zudem durch die Unsicherheiten mit Blick auf den Krieg in der Ukraine gedämpft. Auch die Entwicklung des Finanzmarktes lässt die Unternehmen vorsichtig agieren: Von Februar bis Juni 2022 erhöhte die isländische Zentralbank den Leitzins in drei Schritten auf aktuell 4,75 Prozent.

Die Investitionen in den Wohnungsbau sanken in den ersten drei Monaten 2022 um 6,8 Prozent. Infolge des Ukrainekrieges sind die Preise für Zulieferprodukte stark gestiegen. In den kommenden Monaten könnten auch Lieferengpässe bei Importprodukten die Bauaktivitäten bremsen. Das isländische Statistikamt zeigte sich in seiner Prognose von Ende Juni 2022 dennoch optimistisch: Für 2022 rechnet es mit einem Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen um 6,3 Prozent. Im Jahr 2023 werden sogar 10,3 Prozent erwartet.

Die öffentlichen Investitionen gehen zurück. Statistics Iceland geht davon aus, dass sie in diesem Jahr um 0,7 Prozent, 2023 um 1,1 Prozent und 2024 um 3,4 Prozent sinken werden. Ungeachtet dessen steigt die Staatsverschuldung weiter an: nach Prognosen der OECD auf etwa 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2023.

Touristen sind wieder zurück

Der Tourismus hat sich nach der Pandemie schnell erholt. Im Juni 2022 wurden in Island 1.126.000 Übernachtungen registriert. Zum Vergleich: Im Juni 2019 waren es 1.300.000. Das Statistikamt geht davon aus, dass die Zahl der ausländischen Touristen weiter steigen wird. Ob die positive Entwicklung von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Sollte sich die wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern der Island-Touristen verschlechtern, könnte die Bereitschaft zu reisen nachlassen.

Exporte von Waren und Dienstleistungen steigen

Die Warenimporte übertrafen bereits im 2. Halbjahr 2021 das Niveau von vor der Pandemie. Im 1. Halbjahr 2022 stiegen sie noch einmal um knapp 25 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet Statistics Iceland einen Zuwachs um 14,3 Prozent. Im Jahr 2023 dürfte der Anstieg deutlich geringer ausfallen. Prognostiziert werden 4,1 Prozent.

Auch beim Warenexport ist die Entwicklung positiv. Die Exportpreise für die wichtigsten Ausfuhrprodukte des Landes, Fisch und Aluminium, stiegen seit 2021 deutlich an. Im 1. Halbjahr 2022 übertrafen sie den Wert des gleichen Vorjahreszeitraums um mehr als 30 Prozent. Die Dienstleistungsexporte profitieren von der Erholung des Tourismus. Für das Jahr 2022 rechnet Statistics Iceland mit einem Anstieg der Ausfuhren um 17,6 Prozent. Das Handelsvolumen mit Russland und der Ukraine ist sehr gering. Direkte Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind deshalb im Außenhandel nicht zu erwarten.

Warenaußenhandel Islands (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)

1. Hj. 2021

1. Hj. 2022

Veränderung

Importe (cif)

3.613,9

4.481,9

24,0

Exporte (fob)

2.753,2

3.622,9

31,6

Handelsbilanzsaldo

-860,7

-859,0

-

Quelle: Statistics Iceland 2022

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