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Israels Häfen dürfen stillgelegte Kais wieder nutzen
Israels Regierung gibt stillliegende Kais zur Nutzung frei, um die Wartezeiten für Schiffe zu verkürzen. Das Effizienzproblem der Häfen ist damit aber nicht gelöst.
25.04.2025
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Anfang März 2025 hat die israelische Regierung eine neue Marktregulierung für die Tätigkeit der Mittelmeerhäfen des Landes erlassen. Um die Abfertigung von Waren zu beschleunigen, dürfen zuletzt stillliegende Kais wieder verwendet werden. Die neuen Bestimmungen gelten zunächst für sechs Jahre. Sie sollen die Leistungsfähigkeit der Hafenwirtschaft steigern und die Wartezeiten für Schiffe verkürzen. Zugleich schützen sie aber auch die beiden älteren Großhäfen in Haifa und Ashdod vor allzu scharfem Wettbewerb.
Zwar erweist sich Israels Logistik trotz des Krieges als leistungsfähig. Für die Importwirtschaft und damit auch für ausländische Exporteure wäre die Verkürzung der Wartezeiten in den Häfen dennoch eine Erleichterung. Israels Austausch mit den direkten Nachbarländern ist mit weniger als 1 Prozent des Außenhandelswertes marginal, weshalb dem Seetransport herausragende Bedeutung zukommt. Die sechsjährige Geltungsdauer der neuen Bestimmungen schafft zumindest mittelfristig mehr Sicherheit. Das Strukturproblem der israelischen Hafenwirtschaft wird dadurch aber nicht gelöst.
Drei Kais werden in Betrieb genommen
Kern der Regulierung ist die Erteilung einer Betriebslizenz für drei bestehende, aber zuletzt stillliegende Kais. Zwei von ihnen liegen in der Hafenstadt Ashdod im Süden der israelischen Mittelmeerküste. Sie werden dem seit 2022 tätigen, von einem Privatunternehmen betriebenen Southport-Hafen zur Verfügung gestellt. Southport steht in Konkurrenz zum älteren, staatseigenen Ashdod Port.
Der dritte Kai kommt dem zur im Norden liegenden Metropole Haifa gehörenden Bayport-Hafen zugute. Auch dieser wurde als Konkurrent eines alten Hafens gebaut: des früher staatlichen, inzwischen aber privatisierten Haifa Port.
Southport und Bayport erhalten die Genehmigung, die ihnen zugeteilten Kais zur Abfertigung von jeweils bis zu 750.000 Tonnen Stückgut beziehungsweise Containern pro Jahr zu nutzen. Sollte die Zahl der vor der Mittelmeerküste liegenden Schiffe über 30 steigen, darf das Arbeitstempo über diese Obergrenze hinaus erhöht werden.
Industrie protestiert gegen Wartezeiten
Ende Januar 2025 hat die nationale Industriellenvereinigung (Manufacturers‘ Association of Israel; MAI) gegen die langen Wartezeiten protestiert, die vor allem mit Metallen beladene Schiffe hinnehmen mussten. Anfang des Jahres hatte die Zahl der vor Anker liegenden Schiffe 50 überschritten. Die Wartezeiten auf eine Entladung überstiegen in einzelnen Fällen 50 Tage. Rohstofftransporte wurden von dringenderen Transporten, wie etwa Lieferungen von Lebendvieh, in der Warteschlange übersprungen.
MAI-Präsident Ron Tomer erklärte, Liegezeiten von drei bis vier Wochen könnten die Kosten der importierten Rohstoffe verdoppeln. Neben der Industrie ist vor allem das Baugewerbe von den Verzögerungen bei Metallprodukten betroffen. Deren verspätete Ankunft an den Baustellen verlangsamt die Durchführung von Bauprojekten.
Regierung vor einem Dilemma
Die Regulierung packt ein Problem an, das bekannt ist, bisher aber nicht befriedigend gelöst werden konnte. Der Bau und die Inbetriebnahme von Southport und Bayport waren von der Regierung mit dem Ziel gestartet worden, um den Wettbewerb in der Hafenwirtschaft zu stärken. Die beiden Häfen nahmen ihre Tätigkeit 2022 auf. Da aber einige bestehende Kais nicht genutzt werden durften, blieb die Zahl der auf Reede liegenden Schiffe weiter hoch und erreichte im Frühjahr 2022 rund 80 Schiffe.
Unter diesen Umständen erlaubte das Verkehrsministerium im April 2022 die Nutzung brachliegender Kapazitäten für zwei Jahre. Die Warteschlange ging auf minimal sieben Schiffe zurück. Nachdem die zweijährige Betriebsgenehmigung im April 2024 abgelaufen war, kletterten die Warteschlangen und die Wartezeiten jedoch wieder nach oben.
So ist die neue Regelung ein Balanceakt zwischen Wettbewerb und dem Schutz von Ashdod Port und Haifa Port. Angesichts ihrer niedrigeren Effizienz verloren diese nach 2022 schnell Marktanteile an die beiden Privathäfen. Dies, obwohl die letzteren im Wesentlichen auf Containerumschlag begrenzt blieben.
Vergünstigungen für die alten Häfen
Quasi zum Ausgleich werden die alten Häfen indirekt entschädigt. Im Fall von Ashdod Port verzichtet die Regierung auf die ursprünglich anvisierte Komplett-Privatisierung. Vielmehr sollen nur 49 Prozent der Anteile an gewerbliche Investoren verkauft werden. Damit reagiert der Staat auf den Widerstand der Hafenmitarbeitenden gegen Privatisierungsschritte, die den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze mit sich bringen würden. Gleichzeitig erhält der Hafen für sechs Jahre das Recht, ein Logistikgelände von 40.000 Quadratmetern zu nutzen.
Auch dem Haifa Port wurden neue Logistik- und Handelsflächen zugewiesen. Ferner, so das Verkehrsministerium, erhält der Hafen regulatorische Erleichterungen. Medienberichten zufolge wird damit nicht zuletzt die Ausschüttung von Dividenden vereinfacht.
Den Balanceakt umschrieb das Verkehrsministerium mit dem Satz: "Die Verordnung enthält für jeden Hafen individuelle Maßnahmen, die seiner Ausprägung und seinen Bedürfnissen entsprechen, damit jeder in der Lage ist, unter fairen Bedingungen mit den anderen zu konkurrieren."
Hoffnung auf höheren Umschlag und Investitionen
Um das strukturelle Problem der Hafenwirtschaft nachhaltig zu lösen, müsste der Güterumschlag in den israelischen Häfen deutlich steigen. Im Kriegsjahr 2024 ist er zwar zurückgegangen, doch könnte der nach Kriegsende erwartete Wirtschaftsaufschwung die Situation verbessern.
Zudem hoffen die Häfen auf ein kräftigeres Drehscheibengeschäft. In diesem Geschäftssegment bleibt aber abzuwarten, wie sich die durch den Krieg verursachten Lieferstörungen langfristig auf die Attraktivität des Hub-Standorts Israel auswirken.
In jedem Fall dürfte der gestärkte Wettbewerb Modernisierungsinvestitionen in den Häfen ankurbeln. Ein erstes Zeichen ist die Ankündigung des Ashdod Port, zwei seiner Kais für umgerechnet 140 Millionen US-Dollar zu modernisieren.