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Branche kompakt | Italien | Medizintechnik

Branchenstruktur

Die italienischen Medizintechnikunternehmen sind sehr innovativ und beschäftigen die zweitmeisten Mitarbeiter in Europa. Der Wettbewerb ist intensiv.

Von Torsten Pauly | Mailand

Die italienische Medizintechnikbranche ist sehr forschungsintensiv. Im Jahr 2022 flossen 880 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Produkte und weitere 98 Millionen Euro in klinische Studien dazu. Dies berichtet Confindustria Dispositivi Medici. Ein bedeutender Investor in Start-ups und innovative kleine und mittlere Unternehmen ist die Fondazione Enea Tech Biomedical. Die italienische Förderbank CDP hat mit der Healthware Group den Venture-Capital-Fonds VITA aufgelegt.

Viele Cluster in Norditalien

Die Medizintechnikbranche konzentriert sich stark in den nördlichen Regionen. Am bedeutendsten ist die Lombardei. Dort waren 2022 allein 30 Prozent aller Unternehmen ansässig, so Confindustria Dispositivi Medici. In der dortigen Metropole Mailand gibt es auch zwei Entwicklungshubs: Den Milano Innovation District und das Cluster Lombardo Scienze della vita.

Weitere 11 Prozent aller Medizintechnikfirmen befinden sich in Venetien. Dort gibt es ebenfalls zwei Cluster: Tech4Life in Verona und Veneto Innovazione in Mestre. Auch in der Emilia-Romagna haben 11 Prozent der Branchenfirmen ihren Sitz. Dortige Cluster sind ART-ER und das Healt-Clust-ER in Bologna sowie der Distretto Biomedicale in Mirandola.

Nur 17 Prozent aller italienischen Medizintechnikunternehmen sind im Mezzogiorno ansässig. Dieser umfasst die sechs südlichen italienischen Festlandsregionen und die Inseln Sizilien und Sardinien. Dort ist jedoch der Anteil kleiner, innovativer Firmen besonders hoch, so Confindustria Dispositivi Medici. Auch in Süditalien gibt es Branchencluster: Campania Bioscience in Neapel, Micro e nano sistemi im sizilianischen Catania, H-BIO im apulischen Bari, Sardegna Richerche im sardinischen Cagliari und BioTecnoMed im kalabrischen Catanzaro.

Rege Start-up-Szene

Confindustria Dispositivi Medici unterstützt Start-ups und innovative kleine und mittlere Unternehmen mit dem Projekt Primary. Der Verband unterhält auch das Programm Bio4Dreams für Life Sciences. In Ancona spezialisiert sich der Akzelerator AC75 auf die Silver Economy, das heißt auf Gesundheitsleistungen für über 50-Jährige.

Insgesamt zählt Confindustria Dispositivi Medici in Italien 309 Start-ups oder innovationsstarke kleine und mittlere Medizintechnikunternehmen, darunter 60 Anbieter digitaler Lösungen. Weitere 79 Firmen beschäftigen sich mit Biomedizin und dazugehörigen Instrumenten und 45 Unternehmen erforschen die Elektromedizin. Geringere Bedeutung haben die Augen- und Zahnmedizin mit zusammen 8 Firmen.

Gebietskörperschaften tragen öffentliche Gesundheitseinrichtungen

Das Budget für den öffentlichen Gesundheitsdienst SSN (Servizio Sanitario Nazionale) soll 2025 moderat um 2,3 Milliarden Euro auf 136,5 Milliarden Euro steigen. Für 2026 plant die Regierung eine weitere Anhebung auf 140 Milliarden Euro. Diese Anstiege gleichen Landeskennern zufolge jedoch nicht die hohen Preissteigerungen seit 2022 aus.

Die Implementierung der Gesundheitsleistungen obliegt den 21 Regionen beziehungsweise Autonomen Provinzen. Daher gibt es eine Vielzahl an Einrichtungen. Für größere Kommunen schaffen die Regionen zudem eigene Gesundheitsorganisationen (Azienda sanitaria locale), die auch lokale Krankenhäuser verwalten. Große öffentliche Kliniken sind oft eigene Unternehmen (Azienda ospedaliera), solche mit Forschung haben einen IRCCS-Status (Istituto di ricovero e cura a carattere scientifico). Private Gesundheitseinrichtungen werden von Unternehmen oder Versicherungsgesellschaften geführt.

Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Italien

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (01.01.2024 in Mio.)

58,9

Bevölkerungswachstum (2023 in % p.a.)

-0,3

Altersstruktur der Bevölkerung (2024)

 

  Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

11,2

  Anteil der über 65-Jährigen (in %)

23,0

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2023 in Jahren)

83,8

Durchschnittseinkommen (2023 in Euro) 

26.722

Gesundheitsausgaben pro Kopf (2023 in Euro)

2.986

Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2023 in %) 

8,4

Ärzte/100.000 Einwohner (2022)

424

Zahnärzte/100.000 Einwohner (2022)

89

Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2022), davon

309

  privat

200

  öffentlich

109

Quelle: Istat 2024, OECD 2024

Deutschland ist zweitgrößter Medizintechniklieferant

Die italienische Einfuhr wichtiger Medizintechniksparten ist 2023 um 14,8 Prozent gestiegen. Deutschland lag dabei mit einem Importanteil von 19,2 Prozent auf Rang zwei hinter den Niederlanden mit 33,6 Prozent, welche dank Europas größtem Hafen Rotterdam oft auch ein Durchgangsland für Waren aus anderen Kontinenten sind. Weitere führende Lieferländer sind Belgien und Frankreich mit Raten von 10,9 Prozent beziehungsweise 9,3 Prozent.

Deutschland liefert fast 40 Prozent der zahnmedizinischen Instrumente Importe ausgewählter Medizinprodukte nach Italien (in Millionen Euro, Anteil in Prozent)
SITC 

Import (2023)

Anteil Import aus  Deutschland (2023)

774.1Elektrodiagnoseapparate und -geräte

900,0

30,8

774.2Röntgenapparate etc.

547,0

29,5

741.83 Sterilisierapparate

13,4

15,8

872.1Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.

212,7

38,7

872.21Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.

1.356,6

11,7

872.25Ophthalmologische Instrumente

153,0

14,5

872.29Andere Instrumente, Apparate und Geräte

1.675,9

19,0

872.3Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.

352,5

17,7

872.4Medizinmöbel etc.

129,8

23,7

899.6Orthopädietechnik, Prothesen etc.

2.075,5

14,8

Quelle: Istat 2024

Italien hat 2023 auch Medizintechnik in diesen SITC-Sparten im Wert von 5 Milliarden Euro exportiert. Das waren 7,4 Prozent mehr als 2022. Etwa 18,3 Prozent aller Ausfuhren waren 2023 Prothesen und Orthopädietechnik, 12,9 Prozent waren Spritzen, Katheter und dergleichen, 12 Prozent waren Röntgenapparate und Elektrodiagnostik mit 10,4 Prozent. Deutschland hat 2023 etwa 9,6 Prozent der Medizintechnikexporte abgenommen und war damit der zweitwichtigste Auslandsmarkt nach den USA. Dorthin gingen 10,8 Prozent der Ausfuhren.

Alle führenden Hersteller bedienen den Markt

Der Wettbewerb auf dem italienischen Markt ist groß. Ausländische Medizintechnikkonzerne beliefern den Markt mit italienischen Töchtern. Laut Branchenverband gab es 2023 insgesamt 1.555 Vertriebs- und 367 Wartungsgesellschaften. Darunter befinden sich Boston Scientific, GE, Johnson & Johnson, Phillips und Siemens Healthcare. Auch eine eigene Produktion betreiben in Italien unter anderem die deutschen Hersteller B.Braun, Fresenius Medical Care und Ottobock.

Laut Confindustria Dispositivi Medici gab es in Italien 2022 insgesamt 4.641 Medizintechnikunternehmen, darunter 2.749 Hersteller. Diese haben 117.600 Mitarbeiter beschäftigt. Die Branche stellt in Europa nach Deutschland die zweitmeisten Arbeitsplätze, so Medtecheurope. Seit der Coronapandemie gab es mit der Ausweitung des Marktes ein starkes Wachstum: 2019 bestanden 7,4 Prozent weniger Firmen und 24,9 Prozent weniger Arbeitsplätze. In Norditalien gibt es einen zunehmenden Fachkräftemangel. Im Mezzogiorno ist dagegen ein ausgeprägter Brain Drain zu beobachten.

 

Auswahl führender Branchenunternehmen in ItalienUmsatz in Millionen Euro; Veränderung in Prozent
Unternehmen

Umsatz (2023)

Veränderung 2023/2022

 

Bracco S.p.A.       

 1.800

1,0

Diasorin S.p.A.        

1.148

-16,0

El. En. S.p.A.      

692

 2,8

Amplifon Italia S.p.A.        

378

5,0

Esaote S.p.A.       

273

6,5

Fresenius Kabi Italia S.R.L.

186

 6,2

B. Braun Milano S.p.A.

156

9,1

A. Menarini Diagnostics S.R.L. 

100

-38,7

Quelle: Unternehmensangaben 2024

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