Rechtsbericht Japan Insolvenzrecht
Japan: Coronavirus und Insolvenz
Infolge der Coronakrise droht möglicherweise die Insolvenz des Geschäftspartners. Welche Regelungen sieht das japanische Recht dazu für Unternehmen vor?
05.06.2020
Von Julia Merle | Bonn
Aktuelle Entwicklungen
Es gibt im Zuge der Coronakrise in Japan derzeit keine Anpassungen oder Befreiungen im Insolvenzrecht. Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten erhalten jedoch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen.
Rechtsgrundlagen des japanischen Insolvenzrechts
Man unterscheidet im Wesentlichen vier Verfahrensarten: Konkursverfahren, zivilrechtliche Sanierung, Unternehmensreorganisation sowie Sonderliquidation.
Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind der Bankruptcy Act (Hasan Ho; Konkursgesetz; nachfolgend: BA) vom 2. Juni 2004 in der Fassung von 2014, der Corporate Reorganization Act (Kaisha Kosei Ho), der Civil Rehabilitation Act (Minji Saisei Ho; zivilrechtliches Sanierungsgesetz; nachfolgend: CRA) sowie der Companies Act hinsichtlich des besonderen Liquidationsverfahrens unter Aufsicht des Gerichts bei japanischen Aktiengesellschaften (Teil II, Kapitel IX, Sec. 2, Art. 510 ff.: "special liquidation“; Art. 475 ff.: allgemein zur "liquidation").
Der Corporate Reorganization Act findet ebenfalls nur auf (große) japanische Aktiengesellschaften (Kabushiki Kaisha (K.K.)) Anwendung.
Im Folgenden werden das Konkurs- sowie das Zivilsanierungsgesetz in den Blick genommen.
Das Konkursverfahren nach dem Bankruptcy Act
Der Schuldner muss nach Art. 4 Abs. 1 BA im Falle einer juristischen Person ein Büro oder Eigentum in Japan haben.
Nach Art. 18 Abs. 1 BA können der Gläubiger oder der Schuldner ein Konkursverfahren beantragen. Der Gläubiger muss nach Abs. 2 dabei das Bestehen seiner Forderung und die der Eröffnung des Konkursverfahrens zu Grunde liegenden Tatsachen darlegen.
Die Unfähigkeit des Schuldners, seine Schulden zu bezahlen, stellt gemäß Art. 15 BA einen Antragsgrund dar; sie wird nach Abs. 2 vermutet, wenn der Schuldner Zahlungen aufgeschoben hat. Nach Art. 16 Abs. 1 BA liegt im Falle einer juristischen Person (ausgenommen General Partnership Companies und Limited Partnership Companies) ein Antragsgrund vor bei Unfähigkeit der Zahlung von Schulden oder Insolvenz, mithin einer Situation, in der der Schuldner unfähig ist, seine Schulden vollständig mit seinen eigenen Mitteln zu begleichen.
Nach Art. 31 Abs. 1 BA gibt das zuständige Distriktgericht grundsätzlich mit dem Beschluss über die Eröffnung des Konkursverfahrens insbesondere die Frist zur Anmeldung von Nachweisen von Forderungen sowie den Termin der Gläubigerversammlung (dazu: Art. 135 ff. BA) bekannt.
Ein gerichtlich bestellter und unter dessen Aufsicht stehender Konkursverwalter (Art. 74 ff. BA) - in der Regel japanische Rechtsanwälte - verwaltet und verkauft das Vermögen des Schuldners und verteilt anschließend den Erlös an die Gläubiger. Für in Art. 78 Abs. 2 BA genannte Verkäufe benötigt er die Erlaubnis des Gerichts.
Die Art. 97 ff. BA umfassen Bestimmungen zu den Rechten der Konkursgläubiger, unter anderem werden verschiedene Arten von Forderungen spezifiziert. Besondere Bestimmungen gelten für bevorzugte ungesicherte und nachrangige Konkursforderungen.
Die Gläubiger haben innerhalb einer festgelegten Frist insbesondere Nachweise zu Art und Höhe ihrer Forderungen beim Gericht anzumelden, Art. 111 Abs. 1 BA. Der Konkursverwalter prüft daraufhin die angemeldeten Forderungen nach Art. 117 BA.
Hinsichtlich gegenseitiger Verträge bestimmt Art. 53 Abs. 1 BA, dass, wenn beide Parteien zum Zeitpunkt des Beginns des Konkursverfahrens ihre Verpflichtungen noch nicht vollständig erfüllt haben, der Insolvenzverwalter entweder vom Vertrag zurücktreten beziehungsweise diesen kündigen oder die Verpflichtung der insolventen Partei erfüllen und den Vertragspartner zur Erfüllung seiner Verpflichtung auffordern kann. Die Gegenpartei kann nach Abs. 2 eine Frist setzen und den Konkursverwalter auffordern, eine definitive Entscheidung darüber, ob er vom Vertrag zurücktreten oder Erfüllung verlangen möchte, innerhalb dieser Frist zu treffen. Erfolgt keine definitive Antwort innerhalb der Frist, wird der Rücktritt/die Kündigung angenommen. Im Falle des Rücktritts kann die Gegenpartei ihren Schadensersatzanspruch als Konkursgläubiger geltend machen, Art. 54 Abs. 1 BA.
Artikel 194 BA i.V.m. Art. 97 ff. BA bestimmt die Reihenfolge der Befriedigung der Konkursforderungen. Das Verfahren der endgültigen Verteilung des Erlöses an die Gläubiger durch den Konkursverwalter ist in Art. 195 ff. BA geregelt.
Das gesamte Konkursverfahren dauert normalerweise etwa einige Monate bis hin zu einem Jahr.
Ohne Liquidation: Die zivilrechtliche Sanierung
Das im CRA aus dem Jahr 1999 geregelte Restrukturierungsverfahren verfolgt anstelle einer Liquidation das Ziel, das Unternehmen fortzuführen. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten soll dieses Verfahren in Betracht kommen. Das Unternehmen muss über ein Büro oder Vermögen in Japan verfügen (Art. 4 CRA).
Gemäß Art. 21 CRA können ein Schuldner oder ein Gläubiger einen Antrag auf Einleitung des Sanierungsverfahrens stellen, wenn ein Risiko besteht, dass tatsächliche Gründe für die Eröffnung eines Konkursverfahrens eintreten könnten. Der Schuldner kann dies ebenfalls beantragen, wenn er unfähig ist, fällige Verbindlichkeiten ohne Verursachung einer erheblichen Erschwerung der Betriebsfortführung zu erfüllen.
Die Sanierungsgläubiger haben nach Art. 94 CRA Nachweise ihrer Forderungen fristgerecht (Art. 34 CRA) beim Gericht anzumelden. Der Schuldner hat insbesondere einen Sanierungsplan (Art. 154 ff. CRA) zu entwerfen, der der Versammlung der Gläubiger vom Gericht zur Prüfung und Abstimmung vorgelegt und vom Gericht genehmigt wird. Der Schuldner muss nach Art. 186 CRA sofort beginnen, den Plan umzusetzen ("Schuldnereigenverwaltung"). Seine Geschäftsführung behält grundsätzlich ihr Amt.
Unternehmensinformationen sind z.B. abrufbar unter: https://www1.touki.or.jp/gateway.html (Japanisch).
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