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Rechtsbericht Japan Coronavirus

Japan: Coronavirus und Verträge

Im deutsch-japanischen Geschäftsverkehr kann die Coronavirus-Pandemie Fragen aufwerfen wie: Was geschieht, wenn vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können?

Von Julia Merle | Bonn

Einleitung

Auch Japan spürt den Ausbruch des Coronavirus. Die Olympischen Spiele wurden bereits verschoben. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, rief die Regierung am 7. April 2020 für Tokyo und bestimmte Präfekturen den Notstand aus.

Es stellt sich die Frage, ob sich betroffene Unternehmen in der gegenwärtigen Situation auf „höhere Gewalt“ berufen und im Falle der Unmöglichkeit der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen (wie Warenlieferung) nicht dafür haften.

Bei bestehenden deutsch-japanischen Verträgen sollte zunächst geprüft werden, welchem Recht diese im Einzelfall unterliegen (Rechtswahlklausel).

Die „höhere Gewalt“ im japanischen Recht

Eine ausdrückliche Definition dieses Begriffs findet sich nicht im Zivilgesetzbuch (ZGB) aus dem Jahr 1896, auch nicht nach der neuerlichen Schuldrechtsreform.

Der Grundsatz von Treu und Glauben ist auch auf die Erfüllung von Verpflichtungen anzuwenden (§ 1 Abs. 2 ZGB).

Die § 412 ff. ZGB enthalten Bestimmungen zur Haftung bei Nichterfüllung:

§ 412 ZGB sieht Regelungen für den Schuldnerverzug vor, der zu einem Schadensersatzanspruch führt, kann der Schuldner nicht nachweisen, dass er den Verzug nicht zu vertreten hat. Zur Unmöglichkeit der Erfüllung regelt § 412-2 Abs. 1 ZGB, dass der Gläubiger die Erfüllung einer Verpflichtung nicht verlangen kann, ist diese angesichts des Vertrages und des gesunden Menschenverstandes bei der Transaktion unmöglich.

Zur Haftung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung heißt es nunmehr in § 415 Abs. 1 des im Jahr 2017 verabschiedeten reformierten ZGB: „Leistet der Schuldner nicht dem Zweck der Verpflichtung entsprechend oder ist die Erfüllung einer Verpflichtung unmöglich, kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen. Dies gilt nicht, wenn die Nichterfüllung auf Gründen beruht, die dem Schuldner nicht zurechenbar sind angesichts des Vertrages oder anderer Anspruchsgrundlagen und des gesunden Menschenverstandes bei der Transaktion.“ Ein Verschulden des Schuldners ist also erforderlich. Eine Definition des Vertretenmüssens enthält das ZGB nach wie vor nicht. In § 415 Abs. 2 wird die Unmöglichkeit der Erfüllung der Verpflichtung als Fall genannt, in dem statt der Leistung ein Schadensersatzanspruch entsteht.

Bei Geldschulden kann sich der Schuldner nicht exkulpieren, § 419 Abs. 3 ZGB: Wird Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Geldschuld verlangt, kann der Schuldner dagegen nicht den Einwand höherer Gewalt geltend machen.

Wird die Erfüllung einer Verpflichtung aus Gründen, die keiner Partei zurechenbar sind, unmöglich, darf der Gläubiger nach § 536 Abs. 1 ZGB die Gegenleistung verweigern. Damit trägt der Schuldner also das Risiko des Eintritts von force majeure.  

Gemäß § 542 Abs. 1 ZGB darf der Gläubiger unter anderem dann sofort vom Vertrag zurücktreten, wenn die Erfüllung der gesamten Verpflichtung unmöglich ist. 

An weiteren Stellen des ZGB wird force majeure erwähnt: Hinsichtlich Mietverträgen in den §§ 609 und 610 ZGB, die Erbpacht betreffend in §§ 274, 275 ZGB sowie beim Pfandrecht in § 348 ZGB.

Daneben gibt es das von der Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelte Institut der „grundlegenden Veränderung der Umstände“. Dieses ermöglicht es einer Partei unter hohen Voraussetzungen, vom Vertrag zurückzutreten oder diesen anzupassen. Dafür muss eine unvorhergesehene Änderung der Umstände vorliegen, die den Parteien nicht zurechenbar ist, und das Festhalten am ursprünglichen Vertrag nach Treu und Glauben für eine Partei äußerst ungerecht sein.

Im Zusammenhang mit Fukushima 2011 spielte die Frage, wie höhere Gewalt auszulegen ist, eine Rolle. Allerdings wurden damals Konflikte häufig außergerichtlich geklärt, weshalb kaum gerichtliche Entscheidungen dazu existieren.

Vertragliche Vereinbarung einer Force Majeure-Klausel 

Haben die Parteien in ihren Vertrag eine Force Majeure-Klausel integriert, so kommt diese vorrangig zur Anwendung.

Japanische Gerichte halten sich neben der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in der Regel vor allem an den genauen Wortlaut des Vertrages. Die Klausel sollte daher zuerst untersucht werden: Was wird dort unter „höherer Gewalt“ verstanden? Welche Ereignisse außerhalb des Einflussbereichs der Parteien sind aufgeführt, z.B. Epidemien? Ist die Klausel offen formuliert oder sind die Ereignisse abschließend genannt?

Kausalität zwischen Ereignis und Nichterfüllung ist erforderlich.

Mögliche vereinbarte Rechtsfolgen reichen etwa von der vollständigen Haftungs- oder Leistungsbefreiung, über Nichtigkeit des Vertrages, Anpassung des Leistungsumfangs bis hin zu lediglich einer Suspendierung während des Vorliegens höherer Gewalt.

Die sich auf höhere Gewalt berufende Partei kann zudem die Folgen der Nichterfüllung zu mindern oder Mitteilungspflichten fristgerecht zu erfüllen haben.

Im Rahmen der Durchsetzbarkeit solcher Klauseln können zwingende Regelungen des japanischen Rechts, etwa zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Verbraucherschutz oder der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten sein.

Ausblick

Sind Verträge in Japan zwar grundsätzlich verhältnismäßig kurz, erscheint bei künftigen - obwohl natürlich die Corona-Situation schon bekannt ist - die detaillierte Ausgestaltung einer Force Majeure-Klausel, die konkrete Ereignisse höherer Gewalt explizit enthält, sinnvoll. Dies auch, da dem Wortlaut des Vertrages vor Gericht besondere Bedeutung beigemessen wird.

Generell sollten vor Geltendmachung der höheren Gewalt Auswirkungen auf langfristige Geschäftsbeziehungen und speziell das Risiko eines „Gesichtsverlusts“ abgeschätzt werden.

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