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Digital Health
Innovative Therapien und Technologien sollen dabei helfen, langfristig die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Kanada fördert daher stark den Einsatz digitaler Lösungen.
29.01.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Digitale Gesundheitsangebote sind in Kanada nicht erst seit der Coronapandemie ein großes Thema. Ärztemangel und lange Wartezeiten auf Arzttermine, aber auch die schiere Größe des Landes und seine vielerorts nur dünne Besiedlung machten einen Ausbau digitaler Leistungen schon früher erforderlich. So verzeichnete der kanadische Markt für Telemedizin bereits vor Pandemieausbruch ein stetiges Wachstum, da auf diese Weise mehr Gesundheitsdienste in ländlichen Gemeinden angeboten werden können.
In Zuge der Covid-19-Pandemie ging dieser Teilmarkt dann durch die Decke. Fanden nach Angaben von Canada Health Infoway (Infoway) zuvor etwa 15 Prozent aller Arztbesuche in dem Land virtuell statt, waren es anschließend rund 60 Prozent. In Zukunft soll das telemedizinische Angebot ausgeweitet werden. Denn virtuelle Fernbehandlungen bieten auch Potenziale zur Kostensenkung, vor allem in ländlichen und abgelegenen Gebieten. Patientenbefragungen deuten ebenfalls darauf hin, dass Telemedizin mehr ein Zukunftstrend als eine Eintagsfliege sein wird: So sind laut einer Umfrage im Auftrag von Infoway 94 Prozent der Kanadier daran interessiert, digitale Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen (Stand November 2022).
Noch keine einheitliche regulatorische Landschaft bei virtueller Pflege in Sicht
Unternehmen des Gesundheitssektors, IT-Unternehmen und Technologieanbieter zur Verbesserung des Therapieangebots dürften daher in Zukunft noch enger zusammenarbeiten, um neue Lösungen zu entwickeln. Insbesondere Exporteure müssen dabei berücksichtigen, dass der rechtliche Rahmen für die virtuelle Versorgung in Kanada uneinheitlich ist: Er variiert nicht nur zwischen den einzelnen Gesundheitsberufen, sondern auch zwischen den Provinzen und Territorien. Bis sich in Kanada ein einheitlicher Ansatz für die Regulierungslandschaft im Bereich der virtuellen Pflege herausbildet, dürfte es noch einige Jahre dauern.
Infoway fördert schon seit vielen Jahren digitale Gesundheitslösungen: Die 2001 gegründete öffentliche Gesellschaft soll vor allem die Einführung einer landesweiten, interoperablen elektronischen Patientenakte sowie anderer digitaler Gesundheitsdienste beschleunigen. Dazu tauscht sie sich eng mit den Provinzen, Territorien und privatwirtschaftlichen Akteuren aus, denn für den nahtlosen Austausch von Patientendaten müssen alle Erfassungssysteme in dem Netzwerk miteinander kompatibel sein.
Kanada will den Weg ebnen für mehr KI-Einsatz in der Medizin
KI ist in medizinischen Apps sowie aus Medizinprodukten nicht mehr wegzudenken. Sie wird immer häufiger in der klinischen Forschung und bei Pilotprojekten zur Unterstützung bei Diagnosen oder Behandlungen eingesetzt. Im Dezember 2023 haben Kanadas Datenschutzbehörden auf Bundes- und Provinz-/Territorialebene gemeinsam einen Leitfaden herausgegeben, der die Erwartungen des Gesundheitsministeriums (Health Canada) an die Sicherheit und Wirksamkeit von generativer KI bei Medizinprodukten während ihres gesamten Lebenszyklus umreißt. Ausgearbeitet wurden diese zusammen mit den Gesundheitsbehörden in den USA und im Vereinigten Königreich. Hersteller müssen zwar überall die spezifischen nationalen Richtlinien einhalten, doch dienen diese Leitprinzipien in jedem dieser drei Länder als Grundlage für die Entwicklung eines vorab festgelegten Änderungskontrollplans (Predictive change control plan; PCCP). Ein solcher soll es maschinell lernenden Medizingeräten (Machine learning-enabled medical device; MLMD) ermöglichen, detaillierte Updates durchzuführen und so die Sicherheit ohne ständige behördliche Aufsicht zu gewährleisten.
Den Einsatz neuer Technologien im Gesundheitssektor fördert Kanada generell stark. So finanziert zum Beispiel der Pilotfonds von Inovait – das pan-kanadische Netzwerk wird aus dem strategischen Innovationsfonds (SIF) gespeist – Projekte zur Integration von KI in neue Technologien für bildgestützte Diagnosen und Therapien. Im Jahr 2023 wurde eine Förderung in Höhe von rund 16 Millionen US$ für 14 kleine und mittlere Unternehmen angekündigt, die innovative Lösungen in den Bereichen diagnostische Bildgebung, bildgesteuerte Chirurgie und KI entwickeln. Die Fördersumme entspricht meist einem Drittel der Gesamtausgaben für das jeweilige Projekt; den übrigen Betrag müssen die Projektpartner aufbringen.