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Kanada lockt Kfz-Zulieferer mit Milliardensubventionen
Im Standortwettbewerb mit den USA landet Kanada wichtige Erfolge. Sowohl VW als auch Stellantis investieren in Batterieproduktionen für E-Autos. Weitere Zulieferer sollen folgen.
22.08.2023
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Kanada will eine vollständige Lieferkette für die Produktion von Elektrofahrzeugen aufbauen. Die angekündigten Werke der Volkswagen-Tochter PowerCo sowie von NextStar sind ein wichtiger Schritt zur Erreichung dieses Ziels, das sich die Regierung einiges kosten lässt. Denn um die beiden Unternehmen ins Land zu locken, nimmt Kanada im Laufe von zehn Jahren rund 21 Milliarden US-Dollar (US$) in die Hand. Die Förderung ist eine direkte Antwort auf die Subvention von Batterieproduktionen unter dem Inflation Reduction Act (IRA) in den USA.
Zehn Jahre steuern sparen – VW und Stellantis nutzen das kanadische Angebot
VW winken für den Bau des 5,2 Milliarden US$ teuren Werks in St. Thomas, Ontario, etwa 10 Milliarden US$ an nachgelagerten Steuererleichterungen. In der Fabrik von PowerCo sollen pro Jahr etwa 1 Million Batterien vom Band laufen. Der Produktionsstart ist für 2027 angesetzt. Bis 2030 will PowerCo 90 Gigawattstunden an jährlicher Produktionskapazität realisieren. Bis zu 3.000 neue Arbeitsplätze soll die Investition schaffen.
Bei dem Werk von NextStar handelt es sich um ein Joint Venture von Stellantis und LG. Bereits 2024 sollen die ersten Batteriemodule in Windsor, Ontario, vom Band laufen. Die jährliche Produktionskapazität liegt bei 45 Gigawattstunden. Stellantis rechnet mit 2.500 neuen Arbeitsplätzen.
Stellantis hatte bereits vor der Einführung des IRA sein Werk geplant und Anfang 2023 begonnen zu bauen. Dann kam der IRA – und das Unternehmen stoppte die Bauphase. Im Sommer 2023 verhandelte Stellantis nach, wollte einen vergleichbaren Deal wie VW, und bekam ihn auch. Im Gegenzug verpflichtet sich der Konzern zu weiteren Investitionen in Kanada, unter anderem den Bau einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
Die Subventionen für beide Konzerne sind gedeckelt – sowohl in der Gesamtsumme als auch in der Laufzeit (zehn Jahre). Zudem gilt die Förderung nur, solange die USA ihrerseits die IRA-Subventionen zahlen.
PowerCo SE | NextStar | |
---|---|---|
Projektkosten Batteriefabrik (Angaben der Unternehmen) | 5,2 Milliarden US$ | 3,7 Milliarden US$ |
Staatliche Förderung bis 2032 | 10,1 Milliarden US$ | 11,1 Milliarden US$ |
davon direkte Zuwendung für den Bau | 518 Millionen US$ | - |
Maximale Gesamtförderung für Produktionseinheiten | 9,6 Milliarden US$ | 11,1 Milliarden US$ |
davon Steuernachlass pro Kilowattstunde Produktionseinheit für Batteriezellen (in US-Dollar) | 35 | 35 |
davon Steuernachlass pro Kilowattstunde Produktionseinheit für Batteriemodule (in US-Dollar) | 45 | 45 |
Wettstreit mit den USA bietet ausländischen Unternehmen gute Investitionsbedingungen
Grundlage der Subventionen für die beiden Werke ist der im Juli 2023 von der Provinzregierung Ontarios und der kanadischen Bundesregierung gegründete neue Auto Pact. Dabei tragen beide gemeinsam die Kosten – Ontario ein Drittel und der Bund den Rest.
Im Rahmen des Auto Pact bezuschusst Kanada die Produktion von Batterien mit bis zu 45 US$ pro Kilowattstunde hergestellter Batteriekapazität. Ein Beispiel: Ein Akku mit einer Kapazität von 75 Kilowattstunden kann mit 3.375 US$ gefördert werden. Bei geschätzten Herstellungskosten von Batteriepacks von 120 bis 180 US$ pro Kilowattstunde ist die Förderung signifikant.
Trotz Bedenken fließen Milliarden in die Kfz-Industrie
Noch zu Beginn dieses Jahres warnte Finanzministerin Crystia Freeland vor einem Wettbewerb unter befreundeten Staaten um immer höhere Subventionen für Unternehmen. Ein "race to the bottom" mit den USA könne Kanada nicht gewinnen. Zudem führe dieser Wettbewerb zu einer Erosion des nationalen Steueraufkommens. Mit der Förderung der Projekte von VW und Stellantis steckt die Oberaufseherin des kanadischen Haushalts nun aber mittendrin in der Subventionsspirale. Allerdings sind die Übereinkommen wohl eine Ausnahme, da der Autoindustrie nationale Bedeutung zugemessen wird.
Doch ist dies nicht unumstritten. Denn am Ende streicht eine Branche, die nur etwa 0,7 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, einen beachtlichen Anteil der 2023 im "Clean Economy Plan" budgetierten Ausgaben für Maßnahmen zur Dekarbonisierung für die nächsten Jahre ein. Ohne die finanziellen Anreize hätten beide Automobilkonzerne ihre Investitionen nicht in Ontario verwirklicht, sondern südlich der Grenze.
Weitere Zulieferer gesucht
Mit den neuen Werken, das ist die Hoffnung, kommen nicht nur etwa 5.000 direkte Arbeitsplätze nach Ontario. Vielmehr sollen die Gigafabriken ein Umfeld für Nachfolgeinvestitionen schaffen. Kfz-Zulieferer rund um die Elektromobilität hätten mit den neuen Batteriefertigungen von Stellantis und VW einen Anreiz, sich ebenfalls in Ontario anzusiedeln, glaubt der Wirtschaftsminister der Provinz, Vic Fedeli. "Wir haben zwei Gigafabriken nach Ontario gelotst. Nun ist es an den Zulieferern, ebenfalls hierher zu kommen und Teile zu produzieren." Fedeli und sein Team seien in Asien bereits mit einem Dutzend Unternehmen im Gespräch, die Zulieferer für PowerCo und NextStar werden könnten.
Ein europäisches Unternehmen folgte im Juli 2023 dem Aufruf aus Kanada. Die belgische Firma Umicore wird eine Fabrik für Kathoden- und Kathodenvorläufermaterial in der Nähe von Kingston, Ontario, bauen und dafür 1,1 Milliarden US$ investieren. Ab 2025 will Umicore genügend Material produzieren für etwa 1 Million Elektroautos pro Jahr.
Auch für deutsche Zulieferer ergeben sich Chancen. Wichtige Komponenten, die die beiden Batteriefabriken benötigen, sind laut Fedeli Kathoden, Anoden, Separatoren, Elektrolyte, Kupferfolien und Lithiumhydroxid. Das wären weitere Milliardeninvestitionen.
Nordamerikastrategie von VW umfasst ganze Lieferkette
Für VW und dessen Wachstumsstrategie in Nordamerika ist die Investition in Kanada ein logischer Schritt. Der Konzern hatte zusammen mit Mercedes-Benz bereits 2022 eine Absichtserklärung für eine enge Kooperation mit der kanadischen Regierung unterschrieben, um Materialsicherheit für die E-Mobilität gemeinsam voranzutreiben.
Dabei ist Kanada ein gutes Beispiel dafür, wo die Engpässe bei den Materialien liegen. Es sind nicht die Rohstoffvorkommen, an denen es hakt, sondern die Bergbaukapazitäten. Hier wurde in der letzten Dekade zu wenig investiert. Vor allem die nötige Infrastruktur zur Erschließung wichtiger Rohstoffvorkommen ist unterentwickelt.
VW prüft deswegen direkte Beteiligungen an dem Abbau von Vorkommen wie Nickel, Kobalt oder Kupfer. Mit festen Abnahmeverträgen könnte der Konzern seinen Materialbedarf für das Werk in St. Thomas sichern und den oft klammen Bergbaufirmen langfristige Sicherheit bieten für ihre Investition.