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Kanada setzt auf nachhaltige Flugkraftstoffe und hybride Antriebe

Die Luftfahrtindustrie Kanadas investiert in umweltfreundliche Lösungen. Satellitentechnik, Lieferdrohnen und Lufttaxis sind aufstrebende Teilmärkte mit hohem Wachstumspotenzial.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Air Canada hat im Dezember 2024 fünf weitere Airbus A220300 bestellt. Damit ordert Kanadas größte Fluggesellschaft insgesamt 65 der einst von Bombardier entwickelten Verkehrsflugzeuge. Gebaut werden sie in den Airbus-Werken in Mirabel, Québec, und Mobile, Alabama/USA.

Die Flugzeuge lassen sich mit bis zu 50 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) betreiben. Bis 2030 strebt Airbus für die A220-Reihe eine SAF-Quote von 100 Prozent an. Angetrieben werden die Maschinen mit Technik des US-Herstellers Pratt & Whitney, dessen Triebwerke den Kraftstoffverbrauch um bis zu ein Viertel senken. Auch die Billigfluglinie WestJet setzt in ihrer Boeing-Flotte auf einigen Strecken SAF ein.

Der kanadische Flugzeugbauer Bombardier konzentriert sich inzwischen auf die Herstellung von Geschäftsflugzeugen. Vor etwa einem Jahr hat das Unternehmen am Toronto Pearson International Airport eine hochmoderne Fertigungsanlage für Business Jets, darunter den Global 8000, eröffnet. Die Produktion des schnellsten zivilen Flugzeugs seit der Concorde soll 2025 starten. Rund 465 Millionen US-Dollar (US$) hat Bombardier in das neue Werk gesteckt, das bei der Produktion mit fast 60 Prozent weniger Energie auskommen und die Treibhausgasemissionen um mehr als die Hälfte senken soll.

Boeing hat sich mit der Provinzregierung von Québec zusammengetan, um in der Region Montreal eine Innovationszone für Luft- und Raumfahrt zu schaffen. Das 288-Millionen-US$-Projekt soll Québec in ein globales Zentrum für die Entwicklung von Drohnen und umweltfreundlichen Flugzeugen verwandeln. Schon heute ist der Hauptteil von Kanadas Luft- und Raumfahrtindustrie in der Provinz angesiedelt.

Elektro- und Wasserstoffantriebe spielen immer größere Rolle

Ob alternative Kraftstoffe, neue Flugzeugarchitekturen, Hybrid- oder andere neue Antriebe: Die Beispiele zeigen, dass Kanada viel in umweltfreundliche Luftfahrttechnologien investiert. Für kurze Strecken werden E-Flugzeuge entwickelt. Dadurch steigt die Nachfrage nach Elektromotoren, Batterien, Polymer-Verbundwerkstoffen, Leichtbaumaterialien sowie hochmodernen Navigations-, Kommunikations- und Kontrollsystemen.

Um die Wasserstoffbrennstoffzellentechnologie für Flugzeugantriebssysteme voranzutreiben, wurde im November 2024 das nationale Konsortium H2CanFly gegründet. Zu den Unterstützern zählen Airbus, CAE, Redrock Power Systems, einige Flughäfen, Provinzregierungen sowie der National Research Council of Canada.

Die kanadische Niederlassung von Pratt & Whitney investiert in ein Forschungsprojekt zu Wärmekraftmaschinen der nächsten Generation. Knapp ein Drittel des gut 24 Millionen US$ teuren Vorhabens steuert der staatliche Strategic Innovation Fund bei. Pratt & Whitney Canada kooperiert auch mit dem niederländischen Flugzeugentwickler Maeve Aerospace, der für den regionalen Luftverkehr einen komplett neuen Flieger mit einem hybrid-elektrischen Antriebssystem mit einer Reichweite von rund 2.200 Kilometern entwickeln will.

Dicht besiedelte Metropolregionen liebäugeln mit Flugtaxis 

Ballungsräume wie Toronto, Montreal und Vancouver schielen auf Urban-Air-Mobility-Lösungen (UAM) mit elektrischen, senkrecht startenden Flugtaxis (eVTOL; kurz für electric vertical take-off and landing). So entwickelt Bell Textron Canada mit verschiedenen Partnern ein eVTOL mit Hybrid-Elektro-Antriebssystem. Airbus arbeitet mit lokalen Firmen und Forschungseinrichtungen in der Provinz Québec zusammen, um elektrische Antriebssysteme, autonome Flugsteuerungen und die notwendige Infrastruktur für vertikale Starts und Landungen zu entwickeln.

Das deutsche Flugtaxi-Start-up Volocopter kooperiert mit der Stadt Toronto, um die Technologie in realen städtischen Umgebungen testen zu können. Zwar musste das Unternehmen aus Bruchsal Ende Dezember 2024 Insolvenz anmelden, doch rechnet es 2025 mit der Musterzulassung in der EU für sein Modell VoloCity und hofft daher auf frisches Kapital. Mut macht auch, dass beim zwei Monate zuvor zahlungsunfähig gewordenen Flugtaxi-Pionier Lilium binnen weniger Wochen eine europäisch-nordamerikanische Investorengruppe eingestiegen ist.

Auch Drohnen und Raumfahrt bieten Wachstumspotenzial

In Pilotprojekten werden Drohnen für die Lieferung von Waren getestet sowohl in Großstädten als auch auf dem Land. Insbesondere zur medizinischen Versorgung in abgelegenen Gebieten Kanadas sollen die Fluggeräte stärker eingesetzt werden. Sie transportieren Blutproben, Medikamente und Impfstoffe.

Im Januar 2024 hat Drone Delivery Canada bereits die offizielle Genehmigung für Flüge außerhalb der Sichtweite (BVLOS) sowie den Transport von Gefahrgut erhalten. Beobachter erwarten, dass im Frühjahr 2025 Rechtsvorschriften verabschiedet werden, die mehr autonome BVLOS-Drohnenflüge über dünn besiedelten Gebieten ermöglichen. "Wir hoffen, dass wir mit der neuen Regelung mehr internationale Investitionen in Kanada sehen werden", sagte Declan Sweeney von der Branchenvereinigung Aerial Evolution Association of Canada der Zeitung Globe and Mail.

Auch im Bereich Satelliten und Raumfahrt tut sich viel. Die Canadian Space Agency hat mehrere Satellitenmissionen unterstützt. Der Satellitenbetreiber Telesat hat bei MDA Space 198 Satelliten im Wert von knapp 1,6 Milliarden US$ bestellt, die Mitte 2026 geliefert werden sollen.

Airbus liefert Helikopter für kanadische Luftwaffe

Boeing wird im Rahmen seines militärischen Luftfahrtprogramms P-8A Poseidon 42 Millionen US$ in die Luft- und Raumfahrtindustrie in der Provinz British Columbia investieren.

Darüber hinaus investiert Kanada in neue Kampfflugzeuge. Die Royal Canadian Air Force (RCAF) hat bei Lockheed Martin 88 F-35 Lightning II-Kampfjets im Wert von etwa 19 Milliarden US$ geordert, die ab 2026 ausgeliefert werden sollen. Die Hubschraubersparte von Airbus wird für ein Trainingsprogramm der RCAF 19 Airbus H135 Helikopter liefern. Sie werden im Airbus-Werk in Fort Erie, Ontario, gefertigt und sollen ab Mitte 2026 übergeben werden.

Die AHK Kanada organisiert in Zusammenarbeit mit der IHK Exportakademie eine Erkundungsreise nach Kanada für die Luft- und Raumfahrttechnik in Verbindung mit Wasserstoff. Die Reise findet von 16. bis 21. März 2025 statt und führt in den Großraum Montreal.

Ansprechpartner: Paul Meyer, Project Manager, paul.meyer@germanchamber.ca 

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