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Luftverkehrsmarkt in Nordamerika legt einen Zahn zu

Andere Regionen mögen schneller wachsen. Trotzdem bleibt Nordamerika ein führender Abnehmer von Passagierflugzeugen. Boeing ist stark ins Hintertreffen geraten.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Der zivile Luftverkehrsmarkt in den USA hat die Covid-Pandemie weit hinter sich gelassen. Am 7. Juli 2024 verkündete die Transportation Security Administration einen neuen Rekord: Erstmals passierten an einem Tag mehr als 3 Millionen Flugpassagiere die Sicherheitsschleusen, ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von den zehn Tagen mit dem höchsten jemals gemessenen Passagieraufkommen fielen neun in den Zeitraum vom 23. Mai bis zum 7. Juli 2024. 

Doch die US-Airlines sind nicht ganz so euphorisch, denn die meisten kämpfen mit rückläufigen Gewinnmargen. Nur ganz wenige Marktteilnehmer sind nicht davon betroffen, berichtet unter anderem der Nachrichtensender CNN. Für das 2. Quartal 2024 erwartet er einen durchschnittlichen Rückgang der Margen um ein Drittel. Grund seien die steigenden Betriebskosten und technische Probleme bei Boeing-, aber auch Airbus-Maschinen. 

Doch dabei handelt es sich um vorübergehende Probleme. Die Branche denkt und handelt sehr langfristig. Die beiden Marktführer Airbus und Boeing geben sich optimistisch. Der Passagierverkehr innerhalb der USA beziehungsweise Nordamerikas werde in den kommenden 20 Jahren weiter wachsen, so die im Sommer 2024 veröffentlichten Prognosen der Duopolisten. Allerdings erwarten sie in den meisten anderen Regionen der Welt ein ungleich stärkeres Wachstum.

Passagieraufkommen wächst um 2 bis 3 Prozent jährlich

So soll sich laut Boeing das Passagieraufkommen innerhalb Nordamerikas zwischen 2024 und 2043 gerechnet in Passagierkilometern nahezu verdoppeln, was einem jährlichen Wachstum von gut 3 Prozent entspricht. Airbus geht für die USA (Inlandsflüge) für den vorliegenden Zeitraum von einem Plus von knapp 2 Prozent pro Jahr aus. Der brasilianische Hersteller von Regionaljets, Embraer, liegt mit seiner Prognose von 2,5 Prozent genau in der Mitte. 

Zugleich soll das Passagieraufkommen zwischen den Vereinigten Staaten und China laut Airbus jährlich um rund 5 Prozent steigen. Zumindest diese spezielle Prognose ist höchst unsicher, da niemand vorhersagen sagen, wie sich der Technologie- und Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkwirtschaften der Welt entwickeln wird. 

Zwischen 7.000 und 9.000 Auslieferungen bis 2043

Der Bedarf an neuen Flugzeugen wird in Nordamerika vergleichsweise langsam wachsen. Boeing erwartet für den Zwanzigjahreszeitraum bis 2043 ein durchschnittliches Wachstum bei den Auslieferungen von knapp 2 Prozent pro Jahr. Aufgrund des großen Basiswertes wird die Region aber ein wichtiger Kunde für Passagierflugzeuge bleiben. Der US-Hersteller geht für die Jahre 2024 bis 2043 von mehr als 9.000 Auslieferungen aus. Airbus ist mit einem Wert von gut 7.000 Einheiten deutlich vorsichtiger. 

Wie viel von den Neubestellungen Boeing an Land ziehen kann, ist derzeit schwer zu sagen. Das Unternehmen leidet unter einer Reihe von Skandalen. Es bekannte sich Ende Juli 2024 vor einem US-Gericht für die Abstürze von zwei Passagiermaschinen in Indonesien und dem Senegal für schuldig. Der Konzern wurde zur Zahlung von 940 Millionen US-Dollar (US$) verurteilt. 

Boeing hat ein Sicherheitsproblem

Vor einem halben Jahr verlor eine Boeing-Maschine während des Fluges eine Tür. Kontrollen der US-Luftfahrtaufsicht FAA in den Werkshallen förderten etliche Qualitätsmängel zu Tage. Über 170 Maschinen des Typs 737-9 Max mussten daraufhin laut der Behörde überprüft werden und am Boden bleiben. Dafür musste Boeing Kompensationen an die Fluggesellschaften leisten. Der Konzern steht weiterhin unter besonderer Beobachtung der FAA.

Airbus hat damit auf absehbare Zeit die Nase vorn. Von anderer Seite droht kein Ungemach. Der staatliche chinesische Hersteller Comac hatte zwar vor ein paar Jahren einen eigenen Passagierjet für den Mittelstreckenbetrieb auf den Markt gebracht. Doch der "C919" war bereits bei seinem Jungfernflug im Vergleich zum A320neo veraltet, vor allem wegen seines hohen Verbrauchs und des zu geringen Einsatzes modernen Leichtmaterialien. 

Keine ernsthafte Konkurrenz für Boeing und Airbus durch Embraer oder COMAC

China hängt zudem in hohem Maße von ausländischen Zulieferungen ab. Alle wichtigen Komponenten für den Jet unter anderem die Triebwerke und die zentralen Steuereinheiten müssen importiert werden. Außerdem haben die USA dem Projekt mit dem Lieferboykott für Hochleistungschips Knüppel zwischen die Beine geworfen. Das Gesamtvorhaben ist hoch defizitär und die Zeiten, in denen das Reich der Mitte anscheinend über unbegrenzte Finanzmittel verfügte, sind vorbei. Der Plan, ein Großraumflugzeug (namens C929) mit russischen Partnern zu entwickeln, dürfte im Sande verlaufen. 

Embraer dementierte im Frühjahr 2024 Presseberichte, denen zufolge man künftig mit Boeing und Airbus konkurrieren wolle. Der brasilianische Hersteller plane, sich weiterhin auf seinen Wettbewerbsvorteil Regionaljets zu konzentrieren. Hier sieht er ein großes Absatzpotenzial in Nordamerika. Zwischen 2024 und 2043 rechnet er dort mit rund 3.000 Auslieferungen von Flugzeugen in der Größenklasse von bis zu 150 Sitzplätzen. 

Chancen für deutsche Anbieter

Wie ein Luftfahrtexperte im Gespräch mit Germany Trade & Invest berichtete, verspricht der nordamerikanische Markt Absatzchancen für deutsche Hersteller, insbesondere im Bereich von Hochleistungsverbundwerkstoffen und fortschrittlichen Leichtmetalllegierungen. Auch bei vorausschauenden Wartungslösungen böten sich Geschäftsmöglichkeiten etwa für Anbieter, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Ausfallzeiten minimierten und die Flottenverwaltung optimierten. Zudem könnten deutsche Firmen mit der Entwicklung nachhaltiger Flugkraftstoffe die US-Airlines dabei unterstützen, ihre CO2-Emissionen zu senken.

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