Recht kompakt | Kanada | Rechtsverfolgung
Kanada: Rechtsverfolgung
Im Rahmen der Rechtsverfolgung von Ansprüchen ist in Bezug auf die Gerichtsbarkeit zwischen der Bundes- und Provinzzuständigkeit zu differenzieren.
11.07.2024
Von Jan Sebisch | Bonn
Gerichtsaufbau
Die unterste Eingangsinstanz auf der Provinzebene sind die Provincial oder Small Claim Courts, wo Zivilrechtsstreitigkeiten mit geringen Streitwerten verhandelt werden. Zivilsachen mit höheren Streitwerten werden erstinstanzlich bei den Superior Courts der Provinzen verhandelt. Über diesen beiden Eingangsinstanzen steht das Berufungsgericht einer Provinz (Provincial Court of Appeal).
Spezielle Sachverhalte, wie zum Beispiel Patent- und Urheberrechtsstreitigkeiten müssen von vornherein vor einem Bundesgericht (Federal Court) geltend gemacht werden. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den Bundesgesetzen. Sofern in den Bundesgesetzen keine Zuständigkeit der Bundesgerichte festgelegt ist, sind die Gerichte der Provinzen zuständig. Darüber hinaus gibt es auch eine Finanzgerichtsbarkeit. Das höchste kanadische Gericht ist der Oberste Gerichtshof (Supreme Court). Er ist die letzte Instanz aller Gerichtsentscheidungen sämtlicher kanadischer Gerichte.
Ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen zwischen Deutschland und Kanada beziehungsweise den einzelnen Provinzen besteht nicht. Wichtigste Rechtsquelle in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Supreme Court aus dem Jahr 1990 (Morguard Investments Ltd. v. De Savoye), die zwar einen ausschließlich innerkanadischen Sachverhalt betrifft, in der Praxis aber auf die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen erstreckt wird. Danach muss die ausländische Gerichtsentscheidung ein Leistungsurteil sein (money judgement) und das ausländische Gericht muss im Hinblick auf den Beklagten beziehungsweise den Streitgegenstand zuständig gewesen sein (real and substantial connection). Mögliche, vom Urteilsschuldner darzulegende Einwände sind die Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze (ordnungsgemäße Zustellung, Betrug, Verstoß gegen public policy). Das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist in einigen Provinzen vereinfacht: So besteht zum Beispiel in der Provinz British Columbia die Möglichkeit, ausländische Urteile in einem Registrierungsverfahren anerkennen und vollstrecken zu lassen (Court Order Enforcement Act). Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Pro Swing Inc. v Elta Golf Inc., (2006 SCC 52) ist auch die Anerkennung von Nicht-Leistungsurteilen möglich.
Kostenregelung
Eine Kostenregelung und -erstattung in dem Umfang, wie sie im deutschen Zivilprozessrecht geregelt ist, besteht nicht. Eine Kostenordnung gibt es nur bei den Gerichtskosten. Die Kostenentscheidung wird zwar in der Regel zu Lasten der unterlegenen Partei getroffen, kann in ihrer Höhe aber von dem Prozessverhalten der Parteien abhängig sein. Die Anwaltshonorare tragen die Parteien in der Regel selbst. Eine Erstattung ist nach dem Recht der Provinzen meist nur sehr begrenzt möglich.
Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation
Kanada ist Mitglied des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (New York Convention). Dieses Abkommen regelt sowohl die Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen als auch die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche. Das Übereinkommen gewährleistet die fast weltweite Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen und leistet dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr. Die Anerkennung und Vollstreckung von im Ausland ergangenen Schiedssprüchen darf nur aus den in Artikel V des Übereinkommens enumerativ aufgezählten Gründen versagt werden.
Kanada ist seit dem 1. November 2013 auch Mitglied der Streitschlichtungskonvention des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID).
Im Hinblick auf eine alternative Streitbeilegung ist zu erwähnen, dass in einigen Provinzen Gerichte die Durchführung einer Mediation im Rahmen des Streitbeilegungsprozesses vor Terminierung einer mündlichen Verhandlung durchführen lassen.