Special | Kasachstan | Wasserstoff
Kasachstan will globaler Akteur der Wasserstoffwirtschaft werden
Das zentralasiatische Land bietet gute Bedingungen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Ein erstes Großprojekt mit deutscher Beteiligung läuft gerade an. (Stand: 14.07.2023)
Von Edda Schlager | Berlin
Im Westen Kasachstans am Kaspischen Meer ist eine der weltweit größten industriellen Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Der deutsch-schwedische Konzern Svevind Energy Group will hier mit seiner kasachischen Tochter Hyrasia Energy ab 2030 pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff beziehungsweise 11 Millionen Tonnen grünen Ammoniak erzeugen.
Rund 50 Milliarden Euro soll das Projekt Hyrasia One im Verwaltungsgebiet Mangistau kosten. Baubeginn für mehrere Wind- und Fotovoltaikparks mit einer Gesamtleistung von 40 Gigawatt ist 2027. Bis dahin laufen technische Untersuchungen, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien sowie Genehmigungsverfahren.
Svevind bringt Großprojekt Hyrasia one auf den Weg
Im Mai 2023 hat Svevind den Auftrag für die Vorplanung, das so genannte Preliminary Front-End Engineering and Design (Pre-FEED), an das französische Beratungsunternehmen Genesis vergeben. Genesis ist eine 100-prozentige Tochter des französischen Anlagenbaukonzerns Technip Energies. Der Abschlussbericht wird Ende 2023 erwartet und Grundlage der weiteren Planung sein.
Dabei werden auch potenzielle Risiken der Wasserstoffproduktion für das Kaspische Meer untersucht. Denn dieses ist möglicher Wasserlieferant, aber ökologisch hochsensibel. Laut der kasachischen Umweltbehörde Kazgidromet ist der Wasserspiegel seit 2005 auch wegen des Klimawandels um mehr als zwei Meter gesunken. Die Bevölkerung der Wüstenregion beobachtet dies mit Sorge, Proteste gegen das Wasserstoffprojekt wurden jedoch noch nicht laut. Svevind zufolge sei es Ziel, dass die Wasserstoffproduktion die Erdölförderung in der Region Mangistau mittelfristig ersetzen kann und somit ein großer Wasserverbraucher verschwindet.
Ein im Oktober 2022 zwischen der kasachischen Regierung und Svevind Energy Group geschlossenes Investitionsabkommen definiert Projektparameter wie Grundstücke, den Zugang zu Infrastruktur, den ungehinderten Fluss von Waren und Kapital sowie weitere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Es dient als Basis für Verhandlungen mit Investoren, Kunden und Anlagenlieferanten und ist damit eine Grundlage für die spätere Vermarktung des grünen Wasserstoffs.
Projektentwickler | Hyrasia Energy (100-prozentige Tochter von Svevind Energy Group) |
Investitionssumme | 50 Milliarden Euro |
Geplante installierte Gesamtleistung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gesamt, davon: | 40 Gigawatt |
- Windenergie, über 5.000 Windturbinen in mehreren Windparks | 27 Gigawatt |
- Sonnenenergie, mehrere Millionen Sonnenkollektoren in mehreren Solarparks | 13 Gigawatt |
Für Elektrolyseure benötigte Leistung | 20 Gigawatt |
Durch technische und Umweltprüfungen untersuchte Gesamtfläche, davon: | 34.000 Quadratkilometer |
- für Wind- und Solaranlagen benötigte Fläche | 7.000 bis 10.000 Quadratkilometer |
Geplante Produktion | 2 Millionen grüner Wasserstoff bzw. 11 Millionen grüner Ammoniak pro Jahr |
Kasachstan entwickelt Wasserstoffwirtschaft mit deutscher Hilfe
Eine eigene Wasserstoffstrategie erarbeitet das Land bisher nicht. Jedoch hat KMG Engineering, ein Beratungsunternehmen des staatlichen Mineralölkonzerns KazMunaiGas, im Jahr 2022 ein Kompetenzzentrum für Wasserstoffenergie gegründet, um Impulse für den Sektor zu setzen.
Auch Deutschland unterstützt Kasachstan. Das Auswärtige Amt hat in der Hauptstadt Astana eines von weltweit fünf deutschen Büros für Wasserstoffdiplomatie (H2Diplo) eröffnet. "Wir analysieren beispielsweise das Marktpotenzial für Wasserstoff und die Bedarfe in einzelnen Sektoren", so Manuel Andresh, von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Wasserstoffbüro federführend betreibt. "Zudem betrachten wir geopolitische Fragestellungen."
Rund zwei Drittel der kasachischen Exporte bestehen aus fossilen Rohstoffen. Doch auch die Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sind ideal. In den ausgedehnten Wüsten und Steppen des Landes ermöglichen konstante Winde und eine starke Sonneneinstrahlung hohe Wirkungsgrade für Wind- und Solaranlagen. Im Jahr 2022 wurden jedoch laut kasachischem Energieministerium nur 4,5 Prozent des erzeugten Stroms des Landes aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die installierte Leistung von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien beträgt nur 2,4 Gigawatt. Doch auch Kasachstan hat das Ziel, seine Industrie zu dekarbonisieren und bis 2060 sogar CO₂-neutral zu sein. |
Im Auftrag der GIZ untersucht das deutsche Beratungsunternehmen Fichtner mögliche Transportwege von Wasserstoff aus Kasachstan nach Europa und deren technisches und wirtschaftliches Potenzial. Danach könnte die Lieferung von gasförmigem Wasserstoff per Pipeline oder von flüssigem Ammoniak multimodal per Bahn und Schiff über den so genannten Mittleren Korridor erfolgen.
Experten halten einen Transport von Wasserstoff über die Strecke von rund 5.000 Kilometern per Pipeline aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften jedoch für unrealistisch. In Frage käme deshalb nur der Transport in Form von Ammoniak. Schätzungen gehen davon aus, dass der Transport einer Tonne grünen Ammoniaks aus Kasachstan nach Europa etwa so viel kosten würde wie deren Produktion.
Transport nach Europa über Mittleren Korridor – oder zu regionalen Abnehmern
Die Europäische Union hat am Wasserstoffimport aus Kasachstan besonderes Interesse. Allein bis 2030 will sie pro Jahr 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst produzieren und ebensoviel importieren. Kasachstan könnte mit seiner Lage zwischen Asien und Europa auch für die Zeit danach eine entscheidende Rolle für den internationalen Handel mit grünem Wasserstoff spielen. Deshalb hat die EU eine im Jahr 2022 geschlossene strategische Partnerschaft mit Kasachstan zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff als Leuchtturmprojekt in die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway aufgenommen.
Die Entwickler von Hyrasia one haben für die künftige Produktion mehrere Lieferrouten im Blick. Die neue Wasserstoffanlage und ein Hub für den Abtransport der möglichen Endprodukte Wasserstoff und Ammoniak entstehen nur wenige Kilometer entfernt vom Hafen Kuryk. Der wird derzeit zu einem internationalen Umschlagspunkt ausgebaut und soll künftig auch den Abtransport von Wasserstoff und Ammoniak ermöglichen.
Doch dass die EU als Abnehmer das Rennen macht, ist noch nicht ausgemacht. "Sowohl in Kasachstan als auch in anderen Ländern in der näheren Umgebung sehen wir Interesse", so René Pforte, bei Svevind zuständig für Business Development. Denkbar sei die Versorgung von Industrieanlagen in Kasachstan, aber auch die Lieferung ins energiehungrige China, nach Usbekistan oder Südasien.
Weitere Wasserstoffprojekte in Kasachstan angedacht
In Kasachstan selbst könnten grüner Wasserstoff und grüner Ammoniak zur Herstellung von nachhaltigem Stahl, Aluminium, Dünger oder Zement zum Einsatz kommen. Derzeit prüft der Stahlkonzern ArcellorMittal eine eigene Wasserstoffproduktion für seinen Standort im kasachischen Temirtau. Konkrete Planungen sind bisher nicht bekannt.
Im Januar 2023 unterzeichneten die Qazaqstan Investment Corporation und der Umwelttechnologiekonzern Masdar Clean Energy aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Abkommen zum Bau einer Windkraftanlage in Südkasachstan mit einer Leistung von 500 Megawatt. Kasachstan will das Projekt um eine Wasserstoffproduktion erweitern.
Grüner Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien. Türkiser Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch das Verfahren der Methanpyrolyse - dieses Verfahren benötigt 87 Prozent weniger Energie als die Elektrolyse. Blauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid durch Dampfreformierung bei Vermeidung des Ausstoßes von CO2 durch Abscheidung und Speicherung. Grauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch Dampfreformierung oder durch Elektrolyse mit Strom aus fossilen Brennstoffen. Pinker Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus Kernenergie. |