Die Privatwirtschaft soll eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von Global Gateway spielen. Unternehmen berichten von neuen Geschäftschancen und Herausforderungen.
Für das Jahr 2023 hat die Europäische Union 87 Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht. Im Jahr 2024 folgten weitere 138 sogenannte Flagships. In Zukunft dürften auch weitere Vorhaben dazukommen. Erste Firmen sind bereits dabei, Global-Gateway-Projekte umzusetzen. Doch wie haben sie überhaupt von Global Gateway erfahren? Wie sind sie an eine Finanzierung gekommen? Und welche Herausforderungen gibt es in der Praxis? Hier kommen beteiligte Firmen zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen mit Projekten der EU-Konnektivitätsinitiative.
In einem Webinar haben wir mit deutschen Unternehmen gesprochen, die bereits eigene Global-Gateway-Projekte umsetzen: Das Energieunternehmen ENERTRAG berichtete von seinem Wasserstoffvorhaben in Namibia. MCA Deutschland sprach über sein Elektrifizierungsprojekt in Angola. Zudem boten wir einen Überblick über bisherige Global-Gateway-Projekte. Hier können Sie sich das aufgezeichnete Webinar anschauen.
Im Interview berichtet Norman Albi, Geschäftsführer von AFR-IX telecom, über das Datenkabel Medusa - ein Leuchtturmprojekt der EU-Initiative Global Gateway. (Stand: 17.03.2023)
Norman Albi ist Geschäftsführer von AFR-IX telecom, einem Infrastruktur- und Telekommunikationsbetreiber im Mittelmeerraum und Afrika. AFR-IX telecom entwickelt das 8.760 km lange Medusa-Unterwasserdatenkabel, das Südeuropa und Nordafrika verbinden wird. Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe.
Herr Albi, wer kam auf die Idee, ein Datenkabel quer durchs Mittelmeer zu verlegen?
Es waren afrikanische Telekommunikationsbetreiber, die an uns herangetreten sind, weil viele Datenkabel im Mittelmeer das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. So ein Unterseekabel hält etwa 25 Jahre. Gleichzeitig wächst der Datenverkehr in Afrika insgesamt um circa 45 Prozent pro Jahr. Etwa ein Drittel des afrikanischen Datenverkehrs entsteht in den fünf nordafrikanischen Ländern Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten. Medusa wurde also nicht als europäisches Global-Gateway-Projekt konzipiert, sondern als Reaktion auf die wachsende Nachfrage im Mittelmeerraum.
Wie ist Medusa dann Teil von Global Gateway geworden?
Zum ersten Mal haben wir 2021 von Global Gateway gehört, und zwar von den portugiesischen Behörden, die für die Anlandestation unserer Unterseekabel in Lissabon zuständig sind. Sie meinten, dass Global Gateway auch für uns interessant sein könnte, da darüber der Zugang zu Fördergeldern möglich sei. Daraufhin haben wir uns direkt an die EU gewandt, die uns dann an die Europäische Investitionsbank (EIB) verwiesen hat. Für Medusa erhalten wir Zuschüsse und Darlehen von der EIB.
Wann wollen Sie Medusa in Betrieb nehmen? Wir planen, den ersten Medusa-Abschnitt bis Ende 2024 und den zweiten Abschnitt bis Ende 2025 in Betrieb zu nehmen. Im Moment sind wir in der Vergabephase für das Verlegen der Glasfaserkabel. In der Zwischenzeit erkunden wir den Meeresboden, um die genauen Standorte für die Kabel und ihre Anlandestationen, wo also die Unterseekabel an Land ankommen, zu bestimmen. Als Faustregel gilt: Von der Planung bis zur Verlegung eines Tiefseedatenkabels vergehen drei Jahre.
Welchen Herausforderungen sind Sie im Mittelmeerraum begegnet?
Da sind zum einen geografische Herausforderungen, zum Beispiel der felsige Meeresboden und die Gezeiten in der Straße von Gibraltar oder die flachen Gewässer zwischen der italienischen Insel Sizilien und Tunesien. Die Windparks in diesem Bereich lassen nur eine schmale Lücke für die Verlegung unserer Datenkabel. Zum anderen gibt es geopolitische Herausforderungen, da die Seegrenzen zwischen Nachbarländern oft nicht klar definiert sind.
Datenkabel gelten als kritische Infrastruktur. Ist es überhaupt möglich, Unterseekabel vor Angriffen zu schützen?
Unsere Datenkabel liegen in exponierter Lage blank auf dem Meeresboden. Sie sind somit von vornherein anfällig und im Grunde kaum vor Angriffen jedweder Art zu schützen. Die EU arbeitet zurzeit an einer Richtlinie zum Schutz kritischer Infrastruktur, die hoffentlich das Bewusstsein für dieses Thema schärfen wird. Wir setzen jedoch weniger auf den physischen Schutz als vielmehr auf eine Strategie der Diversifizierung: Eine Vielzahl von Kabeln ist der beste Schutz gegen Angriffe. Allein in der EU verfügt Medusa über neun Anlandestationen in sechs Ländern, nämlich in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und Zypern. Selbst wenn eine oder zwei Verbindungen gekappt würden, können wir mit den verbleibenden Leitungen den Datenaustausch aufrechterhalten.
Was können andere europäische Unternehmen von AFR-IX lernen, wenn es um Infrastrukturprojekte in schwierigeren Schwellenländern, wie zum Beispiel jenen in Nordafrika, geht?
AFR-IX telecom hat 15 Jahre Erfahrung auf dem afrikanischen Kontinent. Wir bieten unsere Dienste in 45 von 54 Ländern des afrikanischen Kontinents an und vernetzen sie untereinander und mit Europa. Wir kennen die Telekommunikationsbetreiber in Afrika gut und das hilft uns sehr bei unseren Geschäften. Meiner Erfahrung nach ist die Präsenz europäischer Unternehmen in Afrika gering und sogar rückläufig. Aber wir müssen uns fragen, warum China in Afrika so erfolgreich Geschäfte macht, während wir Europäer das offensichtlich nicht tun. Aus meiner Sicht müssten die europäischen Unternehmen raus aus ihrer Komfortzone und wieder eine gesunde Risikobereitschaft entwickeln. Unsere europäische Mentalität muss sich ändern – und Global Gateway ist ein wichtiges Zeichen für diese neue Einstellung zu Afrika.
Was ist dann Ihrer Meinung nach der Mehrwert von Global Gateway?
Mit Global Gateway hat die EU endlich eine Strategie zur Bereitstellung von Infrastruktur in Afrika. Global Gateway kann die Risiken für europäische Unternehmen reduzieren und so die europäische Präsenz auf den afrikanischen Märkten erhöhen.
Was hat Global Gateway privaten Unternehmen zu bieten?
Viele Unternehmen würden gerne Projekte in Afrika durchführen, aber die meisten europäischen Kreditgeber sind zu risikoscheu und schrecken vor der Kreditvergabe nach Afrika zurück. Global Gateway ist für europäische Firmen eine echte Neuerung, denn es bietet ihnen die Zuschüsse, Darlehen und Investitionsgarantien, die sie für die Durchführung ihrer Projekte in Afrika oder in anderen risikoreicheren Schwellenländern brauchen. Neben der finanziellen Unterstützung profitieren die Unternehmen aber auch von mehr Sichtbarkeit und gegebenenfalls von politischem Rückhalt für ihre Präsenz im Ausland.
Was muss bei Global Gateway noch besser werden?
Das Hauptproblem ist, dass die Unternehmen nicht wissen, wie sie an die Global-Gateway-Gelder kommen. Es wäre wirklich hilfreich, wenn es eine Art "Global-Gateway-Pipeline" mit einer Kontaktstelle für Unternehmen in jedem EU-Land gäbe, die ihre Vorschläge direkt an die entsprechenden EU-Institutionen und Banken weiterleiten würde.
Die deutsche Fraport AG baut den Flughafen in Lima aus, ein Global-Gateway-Leuchtturmprojekt. Im Interview spricht CCO Norbert Onkelbach über die Bedeutung des Vorhabens. (Stand: 20.09.2024)
Mehr als 2 Milliarden US-Dollar (US$) fließen in den Ausbau des Flughafens Jorge Chávez in der peruanischen Hauptstadt Lima. Künftig soll der Airport zu den fünf größten in Lateinamerika gehören. Das Projekt zählt zu den Leuchtturmprojekten der Global Gateway-Initiative der Europäischen Union.
Betreiber des Flughafens ist die Gesellschaft Lima Airport Partners (LAP), an der Fraport 80 Prozent der Anteile hält. Germany Trade & Invest sprach mit Norbert Onkelbach, Chief Commercial Officer (CCO) bei LAP, über das Projekt und wie Peru zu einem Hub in Lateinamerika werden kann.
Herr Onkelbach, Sie stecken viel Geld und Aufwand in die Modernisierung des Flughafens in Lima. Welchen Nutzen hat das Projekt für das Land und die Region?
Wir möchten Infrastruktur für Wachstum bereitstellen. Jetzt müssen der Markt und makroökonomisches Wachstum her. Aber dafür haben wir gute Indikatoren. Trotz der politischen Unsicherheit und der Erfahrung von COVID-19 haben wir in der Privatwirtschaft hier in Peru die Sicherheit, mit unseren Projekten fortzufahren. Das Ziel ist, einen Hub zu entwickeln, der Nord- und Südamerika miteinander verbindet und dem Tourismus und Handel als Gateway dient. Peru als starke Marke für Tourismus hilft dabei ungemein. Dennoch wollen wir Peru in der Welt und in der Region noch besser positionieren, damit wir mehr Flugverbindungen in andere Länder und Flexibilität für unsere Kunden anbieten können. Dadurch soll die Passagier- und Frachtkapazität in Zukunft steigen. Zusätzlich schaffen wir viele neue Arbeitsplätze für die gesamte Region.
Der Ausbau des Flughafens begann 2019. Dann kam Corona – und die Aussichten für die Luftverkehrsbranche trübten sich massiv ein. Wie konnten Sie Ihre Partner von der Sinnhaftigkeit der Investition überzeugen?
Die meisten Verträge wurden mitten in der Coronapandemie ausgehandelt. Dies zeigt, dass unsere Partner von Anfang an an unser Projekt glaubten und sich dafür engagierten. Als guter Geschäftspartner legen wir großen Wert auf die Interessen unserer Investoren. Im Flughafeneinzelhandel beispielsweise ist es uns wichtig, dass unsere Mieter kommerziell erfolgreich sind. Wir bauen also nicht nur den Flughafen, sondern verwalten ihn als Ganzes.
Was raten Sie Unternehmen, um bei solchen Projekten erfolgreich zu sein?
Am Bau waren verschiedene europäische Firmen, vor allem aus Spanien, beteiligt. Für den Bau des Terminals haben wir einen Vertrag mit einem Konsortium aus Sacyr aus Spanien sowie Cumbra aus Peru abgeschlossen. Für die Konstruktion des Towers und Rollfelds waren die spanischen Firmen Ferrovial und Acciona zuständig. Europäische Firmen wie wir und unsere Partner sollten bei Großprojekten eine gewisse Flexibilität mitbringen und in Lateinamerika einen langen Atem haben. Außerdem muss man seinen Markt sehr gut kennen. Man muss wissen, was ihn antreibt und beherrscht. Das ist erfolgskritisch. Für uns haben sich dadurch der Aufwand und die Investitionen gelohnt. Die Konzession ist bislang immer erfolgreich und profitabel gewesen. Und so etwas ist wichtig für Fraport, da etwa ein Drittel des operativen Gewinns aus dem Ausland kommt.
Chinesische Firmen werden in Peru immer präsenter, zuletzt durch das Megaprojekt Chancay. Wie können europäische Firmen dieser Entwicklung begegnen?
Ich würde mir wünschen, dass Deutschland und Europa Südamerika mit ein wenig mehr Begeisterung betrachten. Denn Lateinamerika macht einen nicht zu vernachlässigenden Teil des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Deutsche und europäische Firmen sollten deswegen noch stärker zusammenarbeiten, um Präsenz in der Region zu zeigen und Geschäftsabschlüsse zu erzielen. So hat unsere Konzession gezeigt, dass man damit Erfolg haben kann – und dazu geführt, dass wir weiter investieren.
Die Konzession von LAP läuft noch bis 2041. Wie sieht die Zukunft des Flughafens von Lima aus?
In den 2030er Jahren wollen wir das Terminal erneut ausbauen, um eine Kapazität von 50 Millionen Passagieren pro Jahr zu erreichen. Dies ist möglich, weil unser Flughafen modular und dadurch erweiterbar ist. Das heißt, unser Ausbauprojekt umfasst nicht nur ein Rollfeld und das Passagierterminal, sondern eine ganze Flughafenstadt mit verschiedenen Elementen wie Hotels, Logistik- und Einkaufsflächen, Büros und Treibstofflagern. Bereits in der Planung haben wir sichergestellt, dass alles miteinander finanziell abgestimmt ist. Mit den neuen Investitionen und Verträgen fördern wir die Flughafenstadt als Ganzes. Wir sind übrigens der erste Flughafen in Südamerika, der das Konzept einer "Airport City" verfolgt. Je mehr Passagiere in Lima abfliegen und landen, desto besser für unsere Flughafenstadt. Denn je mehr Airlines und Flugverbindungen wir haben, desto mehr Wettbewerb herrscht. Und das macht das Fliegen am Ende günstiger und attraktiver für unsere Kunden.
Eckdaten des Flughafenausbaus in Lima
Betreiber: Lima Airport Partners (LAP); Fraport hält 80 Prozent der Anteile.
Investitionssumme: Mehr als 2 Mrd. US$; Investoren: Fraport und International Finance Corporation (IFC); Finanzierung u.a. mit Krediten der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der spanischen BBVA
Start der Arbeiten: 2019
Betriebsbeginn: Dezember 2024
Gesamtfläche: 935 Hektar
Kapazität:Bei Eröffnung eine Kapazität von 30 Millionen Passagieren; Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 rund 26 Millionen Passagiere befördert werden. Das neue Terminal wird dreimal größer sein als das derzeitige Terminal.
Beschäftigte: Zusätzliche 800 Mitarbeitende sowie 20.000 neue Arbeitsplätze am Flughafen
Das zentralasiatische Land bietet gute Bedingungen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Ein erstes Großprojekt mit deutscher Beteiligung läuft gerade an. (Stand: 14.07.2023)
Im Westen Kasachstans am Kaspischen Meer ist eine der weltweit größten industriellen Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Der deutsch-schwedische Konzern Svevind Energy Group will hier mit seiner kasachischen Tochter Hyrasia Energy ab 2030 pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff beziehungsweise 11 Millionen Tonnen grünen Ammoniak erzeugen.
Rund 50 Milliarden Euro soll das Projekt Hyrasia One im Verwaltungsgebiet Mangistau kosten. Baubeginn für mehrere Wind- und Fotovoltaikparks mit einer Gesamtleistung von 40 Gigawatt ist 2027. Bis dahin laufen technische Untersuchungen, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien sowie Genehmigungsverfahren.
Svevind bringt Großprojekt Hyrasia one auf den Weg
Im Mai 2023 hat Svevind den Auftrag für die Vorplanung, das so genannte Preliminary Front-End Engineering and Design (Pre-FEED), an das französische Beratungsunternehmen Genesis vergeben. Genesis ist eine 100-prozentige Tochter des französischen Anlagenbaukonzerns Technip Energies. Der Abschlussbericht wird Ende 2023 erwartet und Grundlage der weiteren Planung sein.
Dabei werden auch potenzielle Risiken der Wasserstoffproduktion für das Kaspische Meer untersucht. Denn dieses ist möglicher Wasserlieferant, aber ökologisch hochsensibel. Laut der kasachischen Umweltbehörde Kazgidromet ist der Wasserspiegel seit 2005 auch wegen des Klimawandels um mehr als zwei Meter gesunken. Die Bevölkerung der Wüstenregion beobachtet dies mit Sorge, Proteste gegen das Wasserstoffprojekt wurden jedoch noch nicht laut. Svevind zufolge sei es Ziel, dass die Wasserstoffproduktion die Erdölförderung in der Region Mangistau mittelfristig ersetzen kann und somit ein großer Wasserverbraucher verschwindet.
Ein im Oktober 2022 zwischen der kasachischen Regierung und Svevind Energy Group geschlossenes Investitionsabkommen definiert Projektparameter wie Grundstücke, den Zugang zu Infrastruktur, den ungehinderten Fluss von Waren und Kapital sowie weitere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Es dient als Basis für Verhandlungen mit Investoren, Kunden und Anlagenlieferanten und ist damit eine Grundlage für die spätere Vermarktung des grünen Wasserstoffs.
Basisdaten des Projekts Hyrasia one
Projektentwickler
Hyrasia Energy (100-prozentige Tochter von Svevind Energy Group)
Investitionssumme
50 Milliarden Euro
Geplante installierte Gesamtleistung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gesamt, davon:
40 Gigawatt
- Windenergie, über 5.000 Windturbinen in mehreren Windparks
27 Gigawatt
- Sonnenenergie, mehrere Millionen Sonnenkollektoren in mehreren Solarparks
13 Gigawatt
Für Elektrolyseure benötigte Leistung
20 Gigawatt
Durch technische und Umweltprüfungen untersuchte Gesamtfläche, davon:
34.000 Quadratkilometer
- für Wind- und Solaranlagen benötigte Fläche
7.000 bis 10.000 Quadratkilometer
Geplante Produktion
2 Millionen grüner Wasserstoff bzw. 11 Millionen grüner Ammoniak pro Jahr
Quelle: Svevind Energy Group 2023
Kasachstan entwickelt Wasserstoffwirtschaft mit deutscher Hilfe
Eine eigene Wasserstoffstrategie erarbeitet das Land bisher nicht. Jedoch hat KMG Engineering, ein Beratungsunternehmen des staatlichen Mineralölkonzerns KazMunaiGas, im Jahr 2022 ein Kompetenzzentrum für Wasserstoffenergie gegründet, um Impulse für den Sektor zu setzen.
Auch Deutschland unterstützt Kasachstan. Das Auswärtige Amt hat in der Hauptstadt Astana eines von weltweit fünf deutschen Büros für Wasserstoffdiplomatie (H2Diplo) eröffnet. "Wir analysieren beispielsweise das Marktpotenzial für Wasserstoff und die Bedarfe in einzelnen Sektoren", so Manuel Andresh, von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Wasserstoffbüro federführend betreibt. "Zudem betrachten wir geopolitische Fragestellungen."
Kasachstan bietet gute Bedingungen für erneuerbare Energien
Rund zwei Drittel der kasachischen Exporte bestehen aus fossilen Rohstoffen. Doch auch die Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sind ideal. In den ausgedehnten Wüsten und Steppen des Landes ermöglichen konstante Winde und eine starke Sonneneinstrahlung hohe Wirkungsgrade für Wind- und Solaranlagen. Im Jahr 2022 wurden jedoch laut kasachischem Energieministerium nur 4,5 Prozent des erzeugten Stroms des Landes aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die installierte Leistung von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien beträgt nur 2,4 Gigawatt. Doch auch Kasachstan hat das Ziel, seine Industrie zu dekarbonisieren und bis 2060 sogar CO₂-neutral zu sein.
Im Auftrag der GIZ untersucht das deutsche Beratungsunternehmen Fichtner mögliche Transportwege von Wasserstoff aus Kasachstan nach Europa und deren technisches und wirtschaftliches Potenzial. Danach könnte die Lieferung von gasförmigem Wasserstoff per Pipeline oder von flüssigem Ammoniak multimodal per Bahn und Schiff über den so genannten Mittleren Korridor erfolgen.
Experten halten einen Transport von Wasserstoff über die Strecke von rund 5.000 Kilometern per Pipeline aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften jedoch für unrealistisch. In Frage käme deshalb nur der Transport in Form von Ammoniak. Schätzungen gehen davon aus, dass der Transport einer Tonne grünen Ammoniaks aus Kasachstan nach Europa etwa so viel kosten würde wie deren Produktion.
Transport nach Europa über Mittleren Korridor – oder zu regionalen Abnehmern
Die Europäische Union hat am Wasserstoffimport aus Kasachstan besonderes Interesse. Allein bis 2030 will sie pro Jahr 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst produzieren und ebensoviel importieren. Kasachstan könnte mit seiner Lage zwischen Asien und Europa auch für die Zeit danach eine entscheidende Rolle für den internationalen Handel mit grünem Wasserstoff spielen. Deshalb hat die EU eine im Jahr 2022 geschlossene strategische Partnerschaft mit Kasachstan zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff als Leuchtturmprojekt in die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway aufgenommen.
Die Entwickler von Hyrasia one haben für die künftige Produktion mehrere Lieferrouten im Blick. Die neue Wasserstoffanlage und ein Hub für den Abtransport der möglichen Endprodukte Wasserstoff und Ammoniak entstehen nur wenige Kilometer entfernt vom Hafen Kuryk. Der wird derzeit zu einem internationalen Umschlagspunkt ausgebaut und soll künftig auch den Abtransport von Wasserstoff und Ammoniak ermöglichen.
Doch dass die EU als Abnehmer das Rennen macht, ist noch nicht ausgemacht. "Sowohl in Kasachstan als auch in anderen Ländern in der näheren Umgebung sehen wir Interesse", so René Pforte, bei Svevind zuständig für Business Development. Denkbar sei die Versorgung von Industrieanlagen in Kasachstan, aber auch die Lieferung ins energiehungrige China, nach Usbekistan oder Südasien.
Weitere Wasserstoffprojekte in Kasachstan angedacht
In Kasachstan selbst könnten grüner Wasserstoff und grüner Ammoniak zur Herstellung von nachhaltigem Stahl, Aluminium, Dünger oder Zement zum Einsatz kommen. Derzeit prüft der Stahlkonzern ArcellorMittal eine eigene Wasserstoffproduktion für seinen Standort im kasachischen Temirtau. Konkrete Planungen sind bisher nicht bekannt.
Im Januar 2023 unterzeichneten die Qazaqstan Investment Corporation und der Umwelttechnologiekonzern Masdar Clean Energy aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Abkommen zum Bau einer Windkraftanlage in Südkasachstan mit einer Leistung von 500 Megawatt. Kasachstan will das Projekt um eine Wasserstoffproduktion erweitern.
Farben des Wasserstoffs
Grüner Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien.
Türkiser Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch das Verfahren der Methanpyrolyse - dieses Verfahren benötigt 87 Prozent weniger Energie als die Elektrolyse.
Blauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid durch Dampfreformierung bei Vermeidung des Ausstoßes von CO2 durch Abscheidung und Speicherung.
Grauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch Dampfreformierung oder durch Elektrolyse mit Strom aus fossilen Brennstoffen.
Pinker Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus Kernenergie.
Global Gateway kann die weltweite Infrastrukturfinanzierung nachhaltiger machen – und den Wettbewerb fairer, sagt Frank Kehlenbach vom Auslandsbauverband EIC im Interview. (Stand: 29.12.2023)
Frank Kehlenbach ist Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und Geschäftsführer des europäischen Auslandsbauverbands (European International Contractors, EIC). Mit dem EIC, der Mitglied in der Business Advisory Group (BAG) der EU-Initiative Global Gateway ist, setzt er sich dafür ein, dass die mit Global Gateway verbundenen hohen Standards künftig auch bei EU-finanzierten Ausschreibungen gelten sollten.
Herr Kehlenbach, welche Impulse erwarten Sie von Global Gateway für den europäischen Auslandsbau?
Die Global-Gateway-Initiative könnte mittelfristig dafür sorgen, dass das Thema Infrastruktur wieder ins Bewusstsein der europäischen Entwicklungszusammenarbeit rückt. Denn im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte hat Europa sich aus der Infrastrukturfinanzierung – mit Ausnahme der Sparte der erneuerbaren Energien – fast komplett zurückgezogen. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Energieerzeugung durch Wasserkraft kaum noch. Auch im Verkehrsbereich halten sich die europäischen Geber vornehm zurück. Das aber passt kaum mit den Bedürfnissen zusammen, die die Partnerländer von Global Gateway selbst, vor allem in Afrika, artikulieren.
Was meinen Sie damit?
Afrikanische Länder signalisieren uns, dass sie in erster Linie Energie benötigen, die sie sich leisten können. Das Potenzial an Wasserkraft ist in Afrika längst nicht ausgeschöpft. Die Europäer finanzieren derzeit allerdings nur Wind- oder Solarenergie. Die afrikanischen Partner benötigen zudem Straßen, Eisenbahnen und Häfen, um sich in die Weltwirtschaft zu integrieren. Aber im Verkehrsbereich engagiert sich die EU außerhalb Europas kaum noch. Hier hat uns China den Rang abgelaufen, indem es konventionelle Verkehrs- und Energieprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) finanziert und umsetzt, aber ausschließlich mit Lieferbindung an chinesische Unternehmen.
Welche Defizite in der europäischen Infrastrukturfinanzierung sehen Sie noch?
Die EU und vor allem Deutschland betonen bei Bauvorhaben das Prinzip der Lieferaufbindung. Dem Prinzip zufolge sind Gelder nicht an die Bedingung geknüpft, Waren und Dienstleistungen aus dem Geberland zu beziehen. Internationale Ausschreibungen finden bisher als reiner Preiswettbewerb statt und werden an den günstigsten Bieter vergeben. Davon profitieren vor allem chinesische Bauunternehmen, weil sie durch die liefergebundenen BRI-Projekte beispielsweise in afrikanischen Märkten wie Kenia, Uganda oder Äthiopien schon präsent sind und lokale Unternehmen, Preise sowie Behörden gut kennen. So können sie bei EU-finanzierten Projekten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) sehr günstig anbieten, während eine Teilnahme für europäische Bauunternehmen auf Basis des billigsten Preises kaum noch Sinn macht und sie sich zunehmend aus Afrika zurückziehen. Diese Infrastrukturpolitik hat dazu geführt, dass die europäische Bauindustrie in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Marktanteile an die chinesische Konkurrenz verloren hat.
Welche Möglichkeiten bleiben europäischen Bauunternehmen, um zum Zuge zu kommen?
Aufgrund hoher Standards, denen sie in Europa unterliegen, können sie die chinesische Konkurrenz preislich nicht unterbieten. Daher sollten EU-finanzierte internationale Ausschreibungen auch nach weiteren Zuschlagskriterien wie Qualität, Nachhaltigkeit und Sozialstandards vergeben werden. Denn das sind die Kategorien, in denen europäische Baufirmen führend sind, weil sie auch im Ausland auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, die Wiederverwertung von Rohstoffen oder auf nachhaltige Lieferketten achten.
Wir begrüßen, dass die Weltbank nun auf die Wettbewerbsverzerrung reagiert hat. Sie verpflichtet ihre Kreditnehmer seit September 2023 dazu, neben dem Preis zusätzliche Kriterien wie Qualität und Lebenszykluskosten in die Wertung von Bauvorhaben einzubeziehen. Mit Global Gateway besteht jetzt die Möglichkeit, diese innovative Vergabepolitik der Weltbank auch für europäisch finanzierte Projekte umzusetzen. Allerdings sollten EU-Kommission und europäische Entwicklungsbanken bei internationalen Bauvorhaben sicherstellen, dass auch nicht-europäische Wettbewerber die EU-Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Es gibt zwar gute Ansätze, wie die KfW-Toolbox Nachhaltige Auftragsvergabe. Gleichwohl verwickeln sich Deutschland und die EU hier erneut in Widersprüche.
Die da wären?
Seit Januar 2023 sind deutsche Auslandsbaufirmen verpflichtet, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten. Auf EU-Ebene soll 2024 ein noch weiterreichendes EU-Lieferkettengesetz verabschiedet werden. Wir als EIC haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die KfW aufgefordert, bei eigenen Ausschreibungen in Afrika und anderen Partnerländern Wettbewerbsgleichheit zwischen deutschen und ausländischen Bietern sicherzustellen, indem alle Teilnehmer KfW-finanzierter Ausschreibungen an den Bedingungen des deutschen Lieferkettengesetzes gemessen werden und die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten erfüllen. Bislang haben aber weder die KfW, noch vorausschauend die EIB eine ergänzende Regelung in ihre Vergaberichtlinien aufgenommen.
Die Mitglieder der BAG informieren die EU-Kommission über Geschäftsmöglichkeiten und Probleme in ihren Wirtschaftssektoren und empfehlen Prioritäten bei der Umsetzung von Global Gateway. Wir sind dem Schwerpunkt Transport zugeordnet und werden versuchen, die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in EU-finanzierten internationalen Ausschreibungen zu beschleunigen, sowie bei der Finanzierung von großen Verkehrsprojekten eine engere Kooperation zwischen den europäischen Entwicklungsbanken und Exportkreditversicherungsagenturen voranzutreiben. In diesem speziellen Punkt sind uns unsere Wettbewerber in den USA, Japan und China voraus.
Global Gateway ist die Konnektivitätsinitiative der Europäischen Union. GTAI informiert, wie die EU damit den nachhaltigen Infrastrukturausbau von Entwicklungsländern fördert.