Laufende Projekte, insbesondere zur Gasförderung, werden dem Bausektor weiter zu Wachstum verhelfen.
Katar konzentriert sich auf Gassektor
Seit einiger Zeit plant die Regierung, die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Öl- und Gassektor zu minimieren und andere Sektoren zu entwickeln, insbesondere das Bauwesen. Laut neuesten Erhebungen der katarischen Planungs- und Statistikbehörde machte der Bausektor 2022 circa 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Außerdem beschäftigt die Branche über die Hälfte aller Arbeitnehmer des Golfstaates.
Zu starken Aktivitäten in diesem Bereich kam es ab 2011, als Katar zum Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft (WM) gewählt wurde. Doha startete ein umfangreiches Programm, das den Bau von Sportkomplexen, U-Bahn-Netzen, Autobahnen und Hotels umfasste. Laut Angaben des Analyseinstituts MEED wurden in den vergangenen zwölf Jahren insgesamt Investitionen in Höhe von 157 Milliarden US-Dollar (US$) in den Bau und die Infrastruktur des Landes getätigt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg geht sogar von über 200 Milliarden US$ aus.
Nach der Fertigstellung der Vorhaben im Zusammenhang mit der WM 2022 kam es zu einer Verlangsamung der Aktivitäten. Die Infrastrukturentwicklung und die Neuvergabe von Projekten im nicht Öl-Gassektor ist stark zurückgegangen. Im Jahr 2022 wurden Projekte im Wert von 14 Milliarden US$ vergeben, circa 43 Prozent weniger als in der Vorjahresperiode. Die Mehrheit der geplanten Vorhaben entfällt zu 56 Prozent auf den Gassektor. Dennoch bleiben die langfristigen Aussichten positiv.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in Katar (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent) *⁾ | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/21 |
Auftragseingang insgesamt, davon | 25.358 | 14.500 | -42,8 |
Bürogebäude, Messeprojekte, Forschungsinstitute | 498 | 196 | -60,6 |
Kultur (Moscheen, Theater, Bibliotheken etc.) | 66 | 75 | 13,6 |
Hotel- und Gaststättengewerbe | 96 | 40 | -58,3 |
Wohn/Gewerbeprojekte (Mixed-Use) | 148 | 188 | 27,0 |
Regierungsgebäude | 118 | 48 | -59,3 |
Wohnungsbau | 867 | 67 | -92,3 |
Gasindustrie | 19.281 | 6.642 | -65,6 |
Ölindustrie | 1.444 | 152 | -89,5 |
Energiewirtschaft | 282 | 464 | 64,5 |
* Werte beziehen sich auf die Gesamtkosten der Projekte, einschließlich Kosten für Anlagen, Ausrüstungen etc.Quelle: MEED Projects, Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen, März 2023
Große Gasprojekte gingen nicht an deutsche Unternehmen
Die Gasbranche stellt nach wie vor einen lukrativen Bereich für Investitionen in Katar dar. Der Staat verfügt nach Russland und dem Iran über die größten Erdgasreserven der Welt. Im Jahr 2021 betrug das Exportvolumen von verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG) aus der Monarchie rund 77 Millionen Tonnen LNG. Das entspricht etwa 107 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Damit das Emirat auch künftig seiner Führungsrolle am Weltmarkt gerecht wird, gab die staatliche Qatar Petroleum (QP) im Februar 2020 den endgültigen Investitionsentscheid für die erste Phase des richtungsweisenden Projekts North Field Expansion (NFE) bekannt: In der ersten Phase erfolgt der Ausbau des North-Field-East-Blocks: Ab 2025 will QP die Fördermenge auf 110 Millionen Tonnen jährlich steigern. Bis 2027 soll die Förderkapazität um weitere 16 Millionen Tonnen pro Jahr wachsen, die aus dem North-Field-South-Block stammen. Der Gesamtwert des Projekts beläuft sich auf schätzungsweise 43 Milliarden US$.
Laut MEED Projects wurde das zentrale Projekt LNG Processing Trains (Bau von LNG-Zügen mit einer Kapazität von jeweils 7,8 MTPA in Ras Laffan Industrial City) mit einem Gesamtwert von 20 Milliarden US$ Ende 2020 ausgeschrieben. Qatargas hat am 8. Februar 2021 offiziell den Auftrag für das 13 Milliarden US-Dollar schwere NFE-Paket 1 (North Field East) an ein Konsortium aus dem japanischen Unternehmen Chiyoda und der französischen TechnipEnergies vergeben. Offiziellen Angaben zufolge begannen die Bauarbeiten Mitte Oktober 2021.
Linde und Thyssenkrupp haben sich an der Ausschreibung für den Hauptvertrag für die erste Phase des Qatargas - North Field Production Sustainability Projekt im Wert von 3 Milliarden US$ beteiligt, aber den Zuschlag nicht erhalten. Der Auftrag ging an das italienische Unternehmen Saipem. Auch gingen beide deutsche Unternehmen bei einer weiteren Ausschreibungsrunde für die erste Phase des Qatargas - North Field Production Sustainability Offshore Projekt im Wert von 2,1 Milliarden US$ leer aus. Hier konnte sich Saipem erneut durchsetzen.
Am 29. November 2022 verkündete Qatar Energy ein Abkommen über Flüssiggaslieferungen nach Deutschland. Ab 2026 sollen bis zu 2 Millionen Tonnen LNG jährlich über eine Vertragslaufzeit von 15 Jahren geliefert werden. Das Gas werde an das US-Unternehmen Conoco Phillips verkauft, das es weiter nach Brunsbüttel liefere, sagte der katarische Energieminister Saad Scharida al-Kaab. Zuvor hatte im Mai 2022 Emir Tamim bin Hamad al-Thani Deutschland besucht und mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Absichtserklärung für eine engere Kooperation bei verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas - LNG), Wasserstoff und Klimaschutz unterzeichnet. Auch die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz Ende September 2022 nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar stellte das Thema Energiesicherheit in den Mittelpunkt. Mit deutschen Unternehmen gäbe es Gespräche über weitere LNG-Lieferungen.
Katar will die Wirtschaft breiter aufstellen
Es werden auch weiter Projekte in anderen Sektoren angeschoben. Um Katars Pläne im Rahmen der National Vision 2030 zu realisieren, sind weiterhin Investitionen in Forschung und Entwicklung vorgesehen, um eine wissensbasierte Wirtschaft aufzubauen. Darüber hinaus wurde der Wüstenstaat im Dezember 2020 zum Austragungsort der Asian Games 2030 ernannt. Die Spiele fanden bereits 2006 in dem Land statt und waren damals Anlass zahlreicher neuer Infrastrukturprojekte. Für die kommenden Spiele kann zwar auf vorhandene Sportinfrastruktur zurückgegriffen werden, dennoch wird das Großereignis neue Investitionen fördern.
Weiteres Wachstum im Baubereich wird durch das Ende des diplomatischen Streits mit den Golfstaaten beschleunigt. Verbesserte Beziehungen zu den Nachbarn haben zur Wiederaufnahme regionaler Bauprojekte geführt, beispielsweise sollen die Verhandlungen über eine Eisenbahnverbindung zwischen Doha und der saudischen Hauptstadt Riad wieder aufgenommen werden.
Ausgewählte Großprojekte in Katar (Investitionen in Millionen US-Dollar)
Von Heena Nazir
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