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Gesundheitssektor nimmt Fahrt auf
Katar hat ein gut entwickeltes Gesundheitssystem. Sprudelnde Staatseinnahmen verleihen dem Sektor weiteren Schwung. In Klinikprojekte und Medizintechnik wird kräftig investiert.
22.11.2022
Von Heena Nazir | Dubai
Das katarische Gesundheitswesen hängt im Wesentlichen von staatlichen Finanzierungen ab. Die Kosten werden zu über 70 Prozent aus öffentlichen Mitteln gedeckt. Die hohen Budgetüberschüsse von 2018 bis 2021 haben höhere Investitionen in dem Sektor begünstigt. Die hohen Einnahmen aus dem Gasgeschäft dürften Experten zufolge dazu führen, dass sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzt. Der Staatshaushalt weist bereits im 1. Halbjahr 2022 einen Überschuss von 13 Milliarden US-Dollar (US$) aus. Das Budget 2022 sieht im Gesundheitssektor Ausgaben in Höhe von 5,5 Milliarden US$ vor, dies entspricht rund 10 Prozent des Gesamtvolumens.
Öffentliche Kliniken im Fokus
Bei einer Gesamtbevölkerung von 2,65 Millionen (Stand: Juni 2022; Bevölkerungsanteil von Inländern liegt bei 14,5 Prozent) ist das Gesundheitssystem in Katar seit 2010 erheblich expandiert. Im Bereich der stationären Versorgung hat der staatliche Sektor von 2010 bis 2019 (letzte verfügbaren Daten) die Zahl der Krankenhäuser von 5 auf 14 erhöht. Die Bettenkapazität in den öffentlichen Einrichtungen ist von rund 1.600 auf fast 2.778 gestiegen. Die Planung sieht bis 2030 einen weiteren Ausbau der staatlichen Bettenkapazitäten auf etwa 4.500 Plätze vor.
Bei den Kliniken wird die Bedeutung des Privatsektors, auf den gegenwärtig nur 11 Prozent der Bettenkapazitäten entfallen, begrenzt bleiben. Nach offiziellen Angaben des katarischen Statistikamtes wurden in privaten Hospitälern 2019 insgesamt 356 Betten gezählt. Die Kapazitäten verteilten sich auf sechs private Einrichtungen.
Bettenkapazitäten | 2017 | 2018 | 2019 |
---|---|---|---|
Staatliche Krankenhäuser | 2.223 | 2.498 | 2.778 |
Private Krankenhäuser | 327 | 358 | 356 |
Summe | 2.550 | 2.856 | 3.134 |
Krankenversicherung: Bei Kataris übernimmt der Staat, bei Ausländern der Arbeitgeber
Die Perspektiven des Privatsektors hatten sich durch das 2013 verabschiedete "Health Insurance Law" (Law No. 7 of 2013 concerning the Social Health Insurance Scheme) und die Gründung der "National Health Insurance Company" (Seha) zwischenzeitlich verbessert. Seha übernahm für Einheimische auch die Behandlungskosten in privaten Krankenhäusern. Allerdings wurde das Versicherungssystem Ende 2015 wieder abgeschafft. Daraufhin konnte die inländische Bevölkerung private Kliniken wieder nur als Selbstzahler oder Privatversicherter in Anspruch nehmen.
Nach der Abschaffung von Seha wurde angekündigt, an einem alternativen Modell zu arbeiten. Nach sechs Jahren wurde im Mai 2022 ein neues Gesetz verabschiedet. Ziel ist es, schrittweise die Finanzierung der medizinischen Grundversorgung (Basic Health Services) der einheimischen Bevölkerung und der in Katar lebenden Ausländer zu übernehmen. Die Basic Health Services sind recht umfassend definiert und schließen auch Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie augen- und zahnärztliche Leistungen ein. Die Pflichtbeiträge der Kataris werden vom Staat übernommen, während bei ausländischen Arbeitnehmern (und ihren Familienmitgliedern) ihr Arbeitgeber aufkommen muss.
Touristen, die zur Fußballweltmeisterschaft 2022 (vom 20. November bis 18. Dezember) anreisen, müssen eine Krankenversicherung abschließen, die die Kosten für mögliche medizinische Behandlungen in staatlichen Einrichtungen deckt. Der Preis liegt bei 50 Katar-Riyal (circa 14 Euro). Der Abschluss der Krankenversicherung bleibt obligatorisch und kann nicht durch eine zusätzliche oder weitere Auslandskrankenversicherung ersetzt werden. |
Krankenhausprojekte gewinnen an Schwung
Katar hat die öffentliche Gesundheitsversorgung durch zahlreiche neue Krankenhäuser und ambulante Gesundheitszentren stark verbessert. Auch zukünftig ist mit bedeutenden Investitionen zu rechnen, allerdings kam es bereits vor der Coronapandemie zu Verzögerungen.
Das derzeit größte Projekt ist die von Hamad Medical Corporation (HMC) geplante Hamad Bin Khalifa Medical City für 1,5 Milliarden US$. Das Vorhaben macht derzeit jedoch nur kleine Fortschritte. Neben ersten Infrastrukturarbeiten und einem Parkhaus wurde die Spezialklinik "Daam" fertiggestellt. Ein als Teil der Medical City geplantes Krankenhausprojekt für 500 Millionen liegt auf Eis. Auch ein Diagnostikzentrum für 200 Millionen US$ wurde in der Planungsphase vorerst gestoppt. Branchenkenner rechnen ab 2023 mit einer verstärkten Dynamik: Die Mehreinnahmen aus dem boomenden Gassektor begünstigen einen Anschub bislang verzögerter Projekte.
Unter den Vorhaben in der Planungsphase dürften sich für Investoren daher Interessante Projekte befinden. Das National Centre for Cancer Care and Research arbeitet beispielsweise an einem Erweiterungsprojekt für 760 Millionen US$, das sich noch in der Designphase befindet. HMC und die Qatar Public Authority (ASHGHAL) planen den Bau einer Psychiatrie für 160 Millionen US$. Weiterhin soll unter anderem ein Universitätscampus für 115 Millionen US$ entstehen.
Projekt | Investitionsvolumen | Projektstatus *) | Projektträger |
---|---|---|---|
National Centre for Cancer Care and Research | 760 | D | Public Works Authority (ASHGHAL) |
Al Wakrah Psychiatric Hospital | 160 | AP | Public Works Authority (ASHGHAL) |
Al Daayan Health District | 115 | D | |
Primary Health Centres in Qatar | 80 | PQ | Public Works Authority (ASHGHAL) |
Seef Lusail: South Primary Care Facility Package 1 | 60 | AP | |
Abu Sidra Hospital Development | 55 | D | |
Doha Clinic Hospital | 50 | D | |
Umm Ghuwailina Health Center | 30 | D | Public Works Authority (ASHGHAL) |
Health Center (Madinat Khalifa South) | 30 | D | Public Works Authority (ASHGHAL) |
Msheireb Properties - Zulal Elective Medical Centre in Ruwais | 30 | AP |
Medizintechnik aus Deutschland gefragt
Im Jahr 2021 sind die weltweiten Einfuhren medizinischer Geräte und Ausrüstungen (ausgewählte Produkte, siehe Tabelle) um 5,2 Prozent auf 252,9 Millionen US$ gesunken. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten bleiben dennoch positiv. Experten rechnen durch die hohen Gaseinnahmen mit einer Belebung von Projekten im Krankenhaussektor. In Katar wird der Medizintechnikmarkt zu über 90 Prozent durch ausländische Hersteller versorgt. Entsprechend groß ist das Potential für deutsche Unternehmen.
HS | Produkte | 2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 in % |
---|---|---|---|---|---|
8713 | Rollstühle | 1,9 | 1,1 | 0,7 | -36,4 |
9018 | Chirurgische, zahnärztliche etc. Instrumente, Apparate und Geräte | 148,6 | 157,7 | 147,7 | -6,3 |
9019 | Apparate etc. für Mechanotherapie; Massageapparate und -geräte | 10,7 | 20,4 | 14,9 | -27,0 |
9020 | Atmungsapparate und -geräte etc. | 5,9 | 10,2 | 5,9 | -42,1 |
9021 | Apparate etc. zu orthopädischen Zwecken etc. | 27,2 | 21,1 | 18,1 | -14,2 |
9022 | Röntgenapparate und -geräte | 13,4 | 33,4 | 49,7 | 48,8 |
9402 | Medizinische Möbel | 12,5 | 22,9 | 15,8 | -30,8 |
Summe | 220,2 | 266,9 | 252,9 | -5,2 |
Deutschland gehört neben den USA und China zu den größten Lieferländern. Einfuhren aus der Bundesrepublik konnten das Jahr 2021 trotz aller Schwierigkeiten mit einem Plus abschließen. Die Importe sind um 6,7 Prozent auf 39,2 Millionen Euro angestiegen.
Besonders der Bedarf für chirurgische, zahnärztliche etc. Instrumente, Apparate und Geräte (HS: 9018) sind gefragt. Diese machen einen Anteil von 68,6 Prozent an den gesamten Ausfuhren nach Katar aus. Röntgenapparate und -geräte (HS: 9022) konnten 2021 mit 91,6 Prozent den stärksten Zuwachs zum Vorjahr verzeichnen und verbuchten einen Umfang von 6,9 Millionen Euro.
HS | Produkte | 2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 in % |
8713 | Rollstühle | 0,8 | 0,4 | 0,2 | -50 |
9018 | Chirurgische, zahnärztliche etc, Instrumente, Apparate und Geräte | 21,6 | 25,6 | 26,9 | 5,1 |
9019 | Apparate etc, für Mechanotherapie; Massageapparate und-geräte | 0,5 | 2,6 | 1,5 | -42,3 |
9020 | Atmungsapparate und -geräte etc, | 0,7 | 2,1 | 1,9 | -9,5 |
9021 | Apparate etc, zu orthopädischen Zwecken etc, | 1,2 | 1,1 | 1,1 | 0 |
9022 | Röntgenapparate und –geräte | 4,1 | 3,6 | 6,9 | 91,6 |
9402 | Medizinische Möbel | 0,9 | 1,7 | 0,7 | -58,8 |
Summe | 29,8 | 36,9 | 39,2 | 6,7 |