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Katar investiert in den Ausbau seiner Nahrungsmittelindustrie
Der Golfstaat setzt bei Lebensmitteln weiterhin auf einen hohen Selbstversorgungsgrad. Investitionen im Nahrungsmittelsektor eröffnen Chancen für ausländische Unternehmen.
23.05.2022
Von Heena Nazir | Dubai
Die Lebensmittelindustrie in Katar entwickelt sich dynamisch. Einer Studie aus dem Jahr 2021 des Beratungsunternehmens Alpen Capital zufolge, erhöhte sich im Zeitraum 2014 bis 2019 die Nahrungsmittelnachfrage der Golfmonarchie durchschnittlich um 8,1 Prozent auf über 2,2 Millionen Tonnen. Vor allem der Getreideverbrauch und der Fleischkonsum sind stark gestiegen. Kurz- bis mittelfristig wird die bevorstehende FIFA-Weltmeisterschaft 2022 den Nahrungsmittelkonsum weiter steigern. Zu diesem Event erwartet das Emirat Millionen ausländischer Gäste.
Ähnlich wie in den anderen Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) ist auch in Katar in den letzten Jahren einen Trend zum vermehrten Konsum gesunder Lebensmittel zu beobachten. Dadurch ist die Nachfrage nach Gemüse, Obst und Bio-Lebensmitteln gestiegen. Im Jahr 2019 entfielen auf Katar 2,8 Prozent der gesamten regionalen Lebensmittelproduktion und 5,1 Prozent des Verbrauchs.
Fortschritte bei der Ernährungssicherheit
Dem Emirat ist es gelungen, seinen Selbstversorgungsgrad bei einigen Nahrungsmitteln zu erhöhen. Die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre beinahe verdoppelt.
Um das Thema voranzutreiben, hat Katar eine nationale Strategie für Ernährungssicherheit festgelegt. Dies wurde notwendig vor dem Hintergrund des Boykotts, den das arabische Quartett bestehend aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten im Jahr 2017 über Katar verhängt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die genannten Staaten Hauptimportpartner des Landes. Die Blockade wirkte sich unmittelbar auf die Nahrungsmittelversorgung Katars aus. Der Staat unterstützt seitdem lokale und internationale Unternehmen bei Investitionen in Produktionseinrichtungen, die die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Produkten vorantreiben.
Die katarische Politik hat sich auch nach der Aufhebung des Boykotts (2020) durch die GCC-Nachbarländer nicht geändert. Die Coronapandemie hat gezeigt, dass die Gefahren, die von Importabhängigkeiten ausgehen, gravierend sein können. Lieferketten werden empfindlich gestört oder sogar völlig unterbrochen. Umso mehr legte Katar den Fokus darauf, die Produktion von Lebensmitteln und anderen Gütern im eigenen Land anzukurbeln.
Lebensmittelproduktion steigt
Die Anstrengungen um weitgehende Selbstversorgung zeigen Erfolge: Im Global-Food-Security-Index 2021 (GFSI) des Wirtschaftsinstituts Economist Intelligence Unit belegt Katar Rang 24 von 113 Ländern. Der Golfstaat verteidigte damit den Spitzenplatz in der MENA-Region für das Land mit dem höchsten Nahrungsmittel-Selbstversorgungsgrad.
Am auffälligsten sind die Fortschritte im Milchsektor: Hier hat Katar eine Selbstversorgungsrate von 106 Prozent erreicht und damit das in der nationalen Strategie für Ernährungssicherheit formulierte Ziel (100 Prozent bis 2023) früher als geplant erreicht und sogar übertroffen. Zuvor hatte Katar den Großteil seines Bedarfs an Milchprodukten vom Nachbarn Saudi-Arabien importiert.
Frisches Gemüse war bereits vor dem Boykott in klimatisierten Tropfbewässerungsanlagen produziert worden. Zusätzlich wurden Halbwüstengebiete in Ackerflächen umgewandelt. Circa 41 Prozent des Obst- und Gemüsekonsums kann Katar derzeit aus heimischer Produktion decken - im Vergleich zu 24 Prozent im Jahr 2018. Bis zum Erreichen des Strategieziels für das Jahr 2023 liegt allerdings noch ein Stück Arbeit vor Katar, dann sollen 70 Prozent des Obst- und Gemüsebedarfs im Inland produziert werden.
Ähnliche Entwicklungen zeigen sich im Fischfang und in der Fleischproduktion ab. Parallel dazu hat Katar Reserven an Nahrungsmitteln aufgebaut, um Engpässen in der Versorgung vorzubeugen. Die Regierung hat die Abhängigkeit von einzelnen Importpartnern reduziert, indem sie den Lebensmittelhandel stärker diversifiziert und neue Lebensmittellager gebaut hat.
Importe von Nahrungsmitteln gehen zurück
Katars importierte 2020 der Datenbank UN Comtrade zufolge Nahrungsmittel im Wert von 2,8 Milliarden US-Dollar (US$), das entspricht einem Rückgang um 9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017 (Beginn des Boykotts durch die Nachbarländer). Auch die Lebensmitteleinfuhren aus Deutschland sind im beobachteten Zeitraum um 19,4 Prozent auf 29 Millionen US$ im Jahr 2020 gesunken.
SITC-Code | Produkte | 2017 | 2020 | Veränderungsrate 2020/17 in Prozent | Aus Deutschland 2020 |
---|---|---|---|---|---|
00 | Lebende Tiere | 191 | 180 | -6 | 3 |
01 | Fleisch und -erzeugnisse | 531 | 547 | 3 | - |
02 | Milch und -erzeugnisse | 437 | 302 | -31 | 5 |
03 | Fische | 103 | 103 | - | - |
04 | Getreide und -erzeugnisse | 475 | 453 | -5 | 4 |
05 | Gemüse und Früchte | 669 | 671 | 0 | 2 |
06 | Zucker und -waren, Honig | 71 | 64 | -10 | 1 |
07 | Kaffee, Tee, Gewürze etc. | 214 | 214 | 0 | 5 |
09 | Verschiedene Lebensmittel | 194 | 190 | -2 | 8 |
11 | Getränke | 176 | 72 | -59 | 1 |
Summe | 3.061 | 2.796 | -9 | 29 |
Problemfelder: Wassermangel und Nachhaltigkeit
Katars Ziele zur Selbstversorgung sind sehr kostspielig. Vor allem die Knappheit der Ressource Wasser sorgt für hohe Ausgaben bei der Umsetzung der Nahrungsmittelstrategie und wirft Fragen zur Nachhaltigkeit auf. Angesichts drohender Handelskriege, weiterer Pandemiegefahren und anderer geopolitischer Faktoren, sieht die Regierung das Ziel der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln jedoch als oberste Priorität. Entsprechend ist mit weiteren Investitionen zu rechnen, wodurch sich durchaus Chancen für deutsche Unternehmen bieten.