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EU-Entwaldungsverordnung bremst Äthiopiens Kaffeebauern

Die EU will mit Gesetzen zur Lieferkette auch die Umwelt schützen. Äthiopiens Kaffeeproduzenten sind darauf schlecht vorbereitet. Ihr größter Kunde ist Deutschland.

Von Ulrich Binkert | Addis Abeba

Das Thema macht auch in Deutschland Schlagzeilen: "Verband befürchtet Kaffeemangel ab 2025", lauteten zahlreiche Meldungen im Frühjahr 2024. Und mit Dallmayr plant einer der größten Abnehmer von äthiopischem Kaffee "schweren Herzens" den Rückzug aus Äthiopien. Viel größer allerdings sind die Sorgen in Äthiopien selbst. Afrikas größter Kaffeeexporteur und Millionen Bauern müssen wohl neue Kunden suchen, wenn eine neue EU-Verordnung wie geplant am 30. Dezember 2024 in Kraft tritt.

Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EU Deforestation Regulation, EUDR) verlangt von Unternehmen aus der EU künftig eine Erklärung, dass für ihre Produkte nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Umgekehrt gilt diese Nachweispflicht auch für Lieferanten von Agrarerzeugnissen wie Soja, Palmöl oder Kakao. Und für Kaffee.

Den Kleinbauern liegen die Daten nicht vor

Diesen Nachweis können aber die wenigsten äthiopischen Lieferanten leisten. Der größte Teil des Exportkaffees stammt von Kleinbauern. Diese Erzeuger besitzen weder schriftliche Nachweise noch Luft- oder Satellitendaten zu ihren Parzellen und auch kaum die Mittel zu deren Erhebung. 

Laut der staatlichen Ethiopian Coffee and Tea Authority (ECTA) können nur Bauern mit größeren Flächen die geforderten Daten beibringen. Dabei produzieren Betriebe mit über 30 Hektar Anbaufläche lediglich 5 Prozent des Exportkaffees, schätzt ein großer europäischer Kaffeeimporteur in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Weitere gut 10 Prozent stammten von Kleinbetrieben, die über örtliche Genossenschaften in größeren "Unions" gruppiert seien - die wiederum bei Anbau und Vertrieb unterstützen könnten. Nach Schätzung des Importeurs leben in Äthiopien 3,5 Millionen Kleinbauern vom Kaffeeanbau, 2,5 Millionen davon im Haupterwerb.

Top-Exportprodukt Kaffee

Knapp 40 Prozent des Exportumsatzes Äthiopiens ging 2022 auf Kaffee zurück. Laut Zentralbank lag der Wert bei etwa 1,5 Mrd. US-Dollar (US$). Die EU kaufte laut UN Comtrade knapp ein Drittel davon, und Deutschland war mit 15 Prozent Anteil der wichtigste Einzelmarkt. Über 90 Prozent der äthiopischen Exporte nach Deutschland bestanden aus Kaffee, ein Warenwert von fast 240 Mio. US$. Bei generell großen Schwankungen sanken Deutschlands Kaffeeeinfuhren aus Äthiopien laut Statistischem Bundesamt 2023 allerdings auf weniger als die Hälfte. Für europäische Kaffeetrinker ist Äthiopien als Beschaffungsmarkt weniger wichtig. Nur 3,4 Prozent ihres Kaffees kaufte die EU 2022 in Äthiopien. 

Drohnen und Software gesucht

Die ECTA beziffert den Anteil der EUDR-konformen Lieferungen an den gesamten Kaffeeexporten auf Nachfrage mit aktuell 15 bis 20 Prozent. Äthiopiens Regierung habe die EU deshalb um einen dreijährigen Aufschub für die Anwendung der Entwaldungsverordnung gebeten. Bis dahin, Anfang 2028 also, könne man der Nachweispflicht vollständig nachkommen. Aktuell sei man zwecks Erhebung der Daten sehr interessiert an Drohnen, Satellitenbildern, Software und anderer Unterstützung aus Europa. 

Nachweise zur kompletten Kaffeeproduktion Äthiopiens verspricht derweil Enveritas mit seiner Technik des "Territorial Approach". Die Non-Profit-Organisation schloss hierzu im Februar 2024 eine Vereinbarung mit der ECTA und JDE Peet´s, das mit Marken wie Jacobs einer der größten Kaffeeröster der EU ist. Der Kooperativen-Verbund Limu Inara in der Region Oromia plant ein Projekt mit Blockchain-Technik der US-Firma Dimitra. Die NGO Technoserve kündigte den Aufbau einer Android-basierten Lösung an. 

Ganze Branche nicht vorbereitet

Der Kaffeeimporteur, der nicht genannt werden möchte, sieht die Branche indes noch schlechter aufgestellt. Von seinem in Äthiopien beschafften Kaffee passten aktuell vielleicht 1 Prozent ins EUDR-Schema, bei der Konkurrenz sei dies ähnlich. Das Unternehmen bezieht seine Ware von etwa 50 äthiopischen Exporteuren. Davon hätten sich die wenigsten auf das EUDR eingestellt. "Die haben, genau wie die Behörden, gedacht, das wird schon nicht so heiß gegessen." Noch weniger Bewusstsein für die Problematik gibt es demnach bei den zuliefernden lokalen Händlern und den Kaffeebauern selbst, wie die Zeitung The Guardian berichtete.

Das Gespräch mit einem Kaffeeexporteur bestätigt diese Einschätzung. Der zuständige Manager der Firmengruppe, die vor drei Jahren, wie etliche andere äthiopische Firmen, wegen des Devisenmangels im Land in den Kaffeeexport eingestiegen ist, zeigt sich mit Blick auf das EUDR ahnungslos. 

Bei den Bauern wiederum erschwert sich die Beschaffung der Daten für das EUDR durch die teils gewaltsamen Konflikte in Äthiopien, sagt der Importeur. "Man kann da nicht mehr so einfach rausfahren." Das gelte derzeit vor allem für die Anbaugebiete im Westen.

"Regulierung fördert Konzentration"

Nach Angaben des Importeurs gibt es in Äthiopien knapp 1.500 Exporteure von Kaffee. Davon seien gut 400 tatsächlich aktiv, und auf die größten 40 entfalle knapp die Hälfte der Umsätze. In seinem Geschäft will er sich nun auf die leistungsfähigsten Lieferanten konzentrieren. Dies wären jene Exporteure, die absehbar am ehesten die von der EU geforderten Ursprungsnachweise beibringen könnten. 

Der global tätige Importeur, der drei Viertel seines äthiopischen Kaffees in Europa verkauft, bestätigt damit die Analyse von Sebastian Brandis, dem Sprecher der Äthiopien-Hilfsorganisation "Menschen für Menschen": Seiner Einschätzung nach leiste die EUDR der Konzentration des Kaffeemarkts Vorschub. Brandis hält ein Funktionieren unter den neuen EU-Vorgaben "bis zum Zaun des Kleinbauern heute (für) nahezu unmöglich", schrieb er vor etwa neun Monaten auf LinkedIn.

EUDR: Andernorts ist man besser vorbereitet

In Afrika ist Äthiopien mit Blick auf die Entwaldungsverordnung der EU laut Branchenexperten am schlechtesten aufgestellt. Spitzenreiter unter den großen Kaffeeproduzenten ist Uganda, gefolgt von Tansania und Kenia. Afrika wiederum liegt hinter Asien und Lateinamerika, wo Kaffee eher auf großen Plantagen wächst. Kolumbien schafft die Nachweispflicht Experten zufolge bereits jetzt für einen Großteil seiner Lieferungen. Mit Brasilien hat auch der größte Kaffeeexporteur der Welt laut einer aktuellen Studie des International Institute for Sustainability (IIS) in Rio de Janeiro kaum negative Auswirkungen der EUDR zu erwarten. Dort hat sich die Branche mit Unterstützung der Regierung seit Jahren darauf eingestellt.

Dabei stammt ein Großteil des äthiopischen Kaffees gar nicht von entwaldeten Flächen, lassen sich Aussagen der ECTA verstehen. Fast alle Bohnen reifen im Schatten größerer Pflanzen, präzisiert der Kaffeeimporteur. Wer Kaffee neu in einem bestehenden Wald anbaue, habe dafür rund zwei Drittel der Bäume entnommen.

Kaffeehändler stellen sich auf Liberalisierung ein 

Die kürzlich von Äthiopiens Regierung angekündigte Öffnung des Handelssektors für Ausländer dürfte auch die stark regulierte Kaffeebranche verändern. Der befragte europäische Importeur etwa, der bislang nicht direkt ins Ausland verkaufen oder anderweitig handeln darf, erwägt die Beantragung einer Exportlizenz 2024 oder spätestens 2025. Man könne dann auch die Lieferanten bis hin zu den Erzeugern besser unterstützen, auch mit Blick auf die Beschaffung der Daten für das EUDR. Die größeren Firmen unter den aktuellen Exporteuren sähen die ausländischen Newcomer als Konkurrenz. Die kleineren erkennten auch die Vorteile durch einen besseren Service und mehr Unterstützung durch die internationalen Player. 

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