Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Rechtsbericht | Kolumbien | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Der allgemeine Rechtsrahmen in Kolumbien enthält ausreichende Elemente zur Gewährleistung von Arbeitsrechten und -pflichten.

Von Dr. Julio Pereira | Berlin

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick
Vergütung: wird durch individuelle Arbeitsverträge (integrales/ordentliches Gehalt) geregelt
Mindestlohn 2024: 1.300.000 kol$ pro Monat plus monatlicher Fahrtkostenzuschuss 162.000 kol$ (ca. 35,50 Euro)
Arbeitsstunden pro Woche:  maximal 46 Stunden
Regelarbeitstage pro Woche: 6 Tage; Ruhetag kann vertraglich vom Sonntag auf einen anderen Wochentag verschoben werden
Zulässige Überstunden: maximal 2 Stunden pro Tag und 12 Stunden pro Woche
Bezahlte Feiertage: 19
Bezahlte Urlaubstage: 15
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): 13. Gehalt (Bonuszahlung, wird je zur Hälfte im Juni und im Dezember ausbezahlt) und 14. Gehalt (Entlassungsgeld/cesantía, muss vom Arbeitgeber jährlich vor dem 15. Februar an den Fonds des jeweiligen Mitarbeiters überwiesen werden)
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Mutterschaftsurlaub: 18 Wochen; Vaterschaftsurlaub: 14 Arbeitstage; 5 Arbeitstage bei Tod eines Angehörigen 1. oder 2. Grades
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: bis 2 Krankheitstage: Lohnfortzahlung durch Arbeitgeber (100% des Gehalts); ab 3. Tag: Sozialversicherung (66,67%, maximal 180 Tage)
Probezeit: bei unbefristeten Arbeitsverträgen 2 Monate, bei befristeten Arbeitsverträgen 1/5 der Gesamtlaufzeit des Arbeitsvertrages
Quelle: Arbeitsgesetzbuch (CST) und sonstige Arbeitsgesetze bis August 2024 aktualisiert.

Rechtsgrundlagen

In Kolumbien genießt die Arbeit in all ihren Formen gemäß der Verfassung von 1991 einen besonderen Schutz durch den Staat (Art. 25 und 53 Constitución Política de Colombia). Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Beschäftigten wird in Kolumbien durch das Arbeitsgesetzbuch von 1950 (Código Sustantivo de Trabajo - CST) geregelt. Dieses Rechtsinstrument bietet im Rahmen der allgemeinen Struktur des kolumbianischen Rechtssystems ausreichende Mechanismen, die sowohl die Erfüllung von Verpflichtungen als auch die Anerkennung von Arbeitsrechten durch die Gerichte des Landes ermöglichen. In der Regel werden arbeitsrechtliche Fälle von den Gerichten schnell behandelt.

Vertragsabschluss 

Je nach Art der Arbeit sieht das kolumbianische Arbeitsrecht vier Vertragsarten vor: den unbefristeten Vertrag, den befristeten Vertrag, Bau- und Dienstleistungsaufträge und den Gelegenheits- oder Zeitarbeitsvertrag. Der befristete Arbeitsvertrag muss immer schriftlich abgeschlossen werden und seine Laufzeit darf drei Jahre nicht überschreiten, kann aber auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Für die Probezeit gilt die allgemeine Regel, dass sie zwei Monate nicht überschreiten darf. Bei Verträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr darf die Probezeit nicht länger als ein Fünftel der im Vertrag vorgesehenen Gesamtdauer betragen.

Bei allen Arten von Arbeitsverträgen in Kolumbien mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein dreizehntes Monatsgehalt (decimotercera). Dabei handelt es ich um eine Prämie, die einem vollen Monatsgehalt entspricht und in zwei Raten ausgezahlt wird - eine in der Jahresmitte und eine im Dezember.

Zusätzlich zu den oben genannten Vertragsarten kann der Dienstleistungsvertrag (contrato de prestación de servicios) zwischen einem einzelnen Dienstleister und einem Unternehmen vor Gericht als Arbeitsvertrag angesehen werden. Der Dienstleister muss nachweisen, dass er in einem Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis zum Dienstleistungsempfänger gehandelt hat. In diesem Fall ist das Unternehmen für die Erfüllung aller Pflichten eines gewöhnlichen Arbeitgebers verantwortlich.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Das CST bestimmt in Artikel 127, dass das Gehalt nicht nur die feste oder allgemeine Vergütung umfasst, sondern alles, was als Entgelt für die vom Arbeitnehmer erbrachten Leistungen angesehen werden kann.

Im Allgemeinen legt die Regierung in Übereinstimmung mit den Unternehmensverbänden und Gewerkschaften des Landes jedes Jahr per Dekret den gesetzlichen monatlichen Mindestlohn (Salario Mínimo Legal Mensual Vigente - SMLMV) fest. Auch wenn in Artikel 132 des CST der allgemeine Grundsatz der Freiheit der Lohnfestsetzung in Einzelverträgen verankert ist, muss das gesetzliche Minimum eingehalten werden. Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der neue monatliche Mindestlohn in Kolumbien 1.300.000 kol$ (umgerechnet circa 284,72 Euro).

Die Gehaltsarten sind:

Ordentliches Gehalt (Salario ordinario)

Das allgemeine Gehalt ist der Betrag, der dem Arbeitnehmer regelmäßig in der Weise gezahlt wird, wobei der Arbeitgeber für die Zahlung von Sozialleistungen und Urlaub zuständig bleibt. Er kann fest oder variabel sein. Im ersten Fall ändert sich der Betrag nicht, den der Arbeitnehmer in jedem Zeitraum (Monat, zwei Wochen, Woche oder Tag) erhält, außer bei gesetzlichen oder vertraglichen Änderungen. Im zweiten Fall kann das Gehalt in Abhängigkeit von bestimmten Zielen oder Aufgaben und eventuellen Provisionen variieren.

Integrales Gehalt (Salario integral)

Das integrale Gehalt (Art. 132 CST) ist alles, was schriftlich zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber ausgehandelt werden kann und in einer einzigen Zahlung enthalten ist. Nur Arbeitnehmer, die mindestens zehn gesetzliche Mindestmonatslöhne (SMLMV) verdienen, haben Anspruch auf das integrale Gehalt.

Diese Art von Gehalt enthält eine im Voraus gezahlte Vergütung namens „Begünstigungsfaktor“ (factor prestacional), die der Summe aller Lohnzusatzleistungen entspricht. Zu diesen gehören unter anderem: Überstunden, Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Entlassungsgeld (cesantías) und Zinsen (interestes). Urlaub darf nicht auf das integrale Gehalt angerechnet werden.

Nach dem CST darf die Höhe des Begünstigungsfaktors nicht weniger als 30 Prozent von zehn SMLMV betragen. Diese Summe ist von der Quellensteuer und anderen Steuern befreit. Im Allgemeinen ist jedoch nicht das gesamte Gehalt von den Sozialversicherungsbeiträgen (cotizaciones) befreit. Diese Beiträge werden auf der Grundlage von 70 Prozent des vollen Gehalts gezahlt.

Diese Lohnart muss schriftlich zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber vereinbart werden. Sie besteht aus einem festen Betrag, der nicht niedriger als 13 SMLMV sein darf. Für das Jahr 2024 beträgt das integrales Gehalt 16.900.000 kol$ (etwa 3.702 Euro).

Vertragsbeendigung 

Neben den gesetzlichen Kündigungsgründen (causas legales), die in Art. 61 des CST vorgesehen sind, gibt es in Kolumbien zwei Hauptarten der Kündigung von Arbeitsverhältnissen:

Kündigungen aus gerechtfertigtem Grund

Ein gerechtfertigter Grund ist eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers (despido) oder des Arbeitnehmers (renuncia), die zur Auflösung des Arbeitsvertrags führt. Alle einseitigen Entscheidungen des Arbeitgebers, die zu einer Kündigung aus gerechtfertigtem Grund (justa causa) führen, sind in Artikel 62 des CST zwingend vorgesehen. Darunter: eine ansteckende oder chronische Krankheit des Arbeitnehmers, die ihn arbeitsunfähig macht und deren Genesung nicht innerhalb von 180 Tagen zu erwarten ist. Diese Norm wird jedoch vom Verfassungsgericht besonders restriktiv ausgelegt, da die kolumbianische Verfassung in Artikel 53 den „Grundsatz der Arbeitsplatzstabilität“ festlegt.

Die Vertragspartei, die einseitig kündigt, muss die andere Partei zum Zeitpunkt der Kündigung über den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informieren. Spätere Klarstellungen sind nicht rechtsgültig, was vor Gericht zur Einstufung als ungerechtfertigte Kündigung führen kann.

Kündigung ohne triftigen Grund

Jede Vertragsauflösung, die aus anderen als den gesetzlich vorgesehenen Gründen erfolgt, gilt als Kündigung ohne triftigen Grund. Die rechtlichen Auswirkungen sind in Artikel 64 des CST detailliert beschrieben. Im Falle einer solchen einseitigen Kündigung durch den Arbeitgeber muss dieser den Arbeitnehmer entschädigen. Der zu zahlende Betrag hängt von der Art des Arbeitsvertrags wie folgt ab:

  1. Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags: Die zu zahlende Entschädigung wird auf der Grundlage der Summe der Löhne berechnet, die der bis zum Vertragsende verbleibenden Zeit entspricht. Handelt es sich um einen Bau- und Dienstleistungsvertrag, so wird sie auf der Grundlage des Lohns berechnet, der der für die Fertigstellung des vertraglich vereinbarten Werks verbleibenden Zeit entspricht. In diesem zweiten Fall darf die Entschädigung nicht weniger als 15 Tage betragen.
  2. Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags: Die Höhe der zu zahlenden Entschädigung wird je nach Art des Gehalts wie folgt berechnet: a) Für Arbeitnehmer, die weniger als 10 gesetzliche Mindestmonatslöhne (SMLMV) pro Monat verdienen (gewöhnliches Gehalt): 30 Tage für das erste Jahr und 20 Tage (berechnet auf der Grundlage von 30 Tagen) für jedes weitere Jahr; b) für Arbeitnehmer, die mindestens 10 SMLMV pro Monat verdienen: 20 Tage für das erste Jahr und 15 Tage (berechnet auf der Grundlage von 20 Tagen) für jedes weitere Jahr.

Weitere Informationen finden Sie unter Recht kompakt Kolumbien

Rechtspraxis

"Das Arbeitsrecht wird in Kolumbien in der Regel eingehalten"

Alexander von Bila, Gründer der Kanzlei Von Bila, de la Pava & Bertoletti Alexander von Bila, Gründer der Kanzlei Von Bila, de la Pava & Bertoletti | © Kanzlei Von Bila, de la Pava & Bertoletti

Alexander von Bila ist deutsch-kolumbianischer Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei Von Bila, de la Pava & Bertoletti in Bogotá. Seit 1999 berät die Kanzlei in verschiedenen Rechtsfeldern, unter anderem im Arbeitsrecht. Für europäische Mandanten unterhält die Kanzlei ein Büro in Hamburg. 

Herr von Bila, wie bewerten Sie die Einhaltung des kolumbianischen Arbeitsrechts in der Praxis?

Das Arbeitsrecht ist eines der wenigen Bereiche in Kolumbien, die gut funktionieren. Die Verfahren sind schnell, das Recht ist verständlich, durchsetzbar und gut geregelt. Kolumbien hat ein sehr normiertes Arbeitsrecht, das vom Arbeitgeber in der Regel eingehalten wird. Das Arbeitsrecht ist sehr schützend, da es öffentliches Recht ist. Wenn zum Beispiel bei einem Insolvenzfall über ein Vermögen entschieden wird, geht das an erster Stelle an die Arbeitnehmer. Hire and Fire wie in den USA ist in Kolumbien auch nicht der Fall. Generell sorgen die Arbeitsgerichte und das Arbeitsministerium sehr gut für die Umsetzung des Rechts. Die Kontrollinstanzen arbeiten schnell. Recht und Praxis laufen daher nicht stark auseinander. 

Gibt es Ausnahmen?

Auf dem Land ist es eher anders. Dort werden noch Dienstleistungsverträge anstatt Arbeitsverträge abgeschlossen, obwohl Arbeitsverträge nötig wären. Denn für Tagelöhner braucht der Arbeitgeber Flexibilität, aber die bürokratischen Hürden für An- und Abmeldung bei der Kranken- und Rentenkasse sind hoch. Hier wären schnellere An- und Abmeldeverfahren nötig. Allerdings geht es allgemein immer mehr hin zu Arbeitsverträgen. Es kommt auch vor, dass in entlegenen Gebieten des Landes aus kulturellen und regionalen Gründen Mitarbeiter trotz Arbeitsvertrag nicht zur Arbeit erscheinen. Zum Beispiel große Landwirtschaftsbetriebe holen sich dann ihre Mitarbeiter aus anderen Regionen des Landes.

Welche Rolle spielen Interessensgruppen?

Betriebsräte im Vorstand zu haben - wie in Deutschland - das gibt es in Kolumbien nicht. Wir haben hier aber diverse Interessensvertretungen. Der Arbeitgeber ist daran interessiert, dass er die Mitarbeiter hält und gibt ihnen daher sehr oft Zusatzleistungen wie Ausbildung und Zusatzzahlungen (Boni/Kommissionen). Daher ist es bei großen Unternehmen üblich einen Kollektivvertrag zu verhandeln und zu unterschreiben, sogenannte "pactos colectivos", was dazu führt, dass es sehr wenig Streiks oder Probleme mit Gewerkschaften gibt. Denn das Gesetz, das Arbeitsministerium, die Arbeitsrichter und auch diese Kollektivverträge geben Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern Rechtssicherheit. Selbst außerhalb der Metropolen sind die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer stark. Am Hafen oder im Bergbau zum Beispiel sind die Interessensvertretungen so groß, dass die Arbeitnehmer dort überdurchschnittliche Löhne bekommen.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.