Special | Vietnam | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz | Umsetzungshilfe Risikoanalyse
Missachtung der Koalitionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Vietnam unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
30.01.2025
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG)
Kurzbeschreibung: Koalitionsfreiheit umfasst das Recht von Arbeitnehmern, sich frei zu Gewerkschaften zusammenschließen zu dürfen. Koalitionsfreiheit umfasst zudem in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht des Beschäftigtenortes das Recht von Gewerkschaften sich zu betätigen, was ein Streikrecht und ein Recht auf Kollektivverhandlungen beinhaltet.
Gesetzliche Grundlagen
Vietnam ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat neun von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: November 2024). Dazu gehört das Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (ILO-Übereinkommen Nr. 98). Trotz Ankündigungen hat Vietnam das Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (ILO-Übereinkommen Nr. 87) bisher nicht ratifiziert. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Vereinigungsfreiheit bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
Vietnam belegt im Global Rights Index 2024 des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der jährlich die relevanten Rahmenbedingungen zur Respektierung kollektiver Arbeitnehmerrechte durch das jeweilige Land bewertet, auf der Skala von 1 bis 5 das Rating 4. Dies bedeutet, dass es zu systematischen Rechtsverletzungen kommt. In Südostasien wird die Lage in Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen und Thailand mit einem Rating von 5 bewertet. Nur Singapur sticht in der Region heraus (Rating 2).
Vietnam hat sich in Freihandelsabkommen mit der EU sowie mit Pazifikanrainerstaaten (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership, CPTPP) zur Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 87 verpflichtet. Wiederholt wurde die Annahme des Übereinkommens angekündigt. In einigen Fällen wurden Versuche zur Schaffung unabhängiger Gewerkschaften von der Polizei unterbunden und die Verantwortlichen festgenommen. Eine interne Direktive der Kommunistischen Partei von 2023 deutet daraufhin, dass die Partei auch künftig die direkte Kontrolle über gewerkschaftliche Aktivitäten behalten will.
Derzeit gibt es im Land nur Gewerkschaften, die zur zentralen Dachgewerkschaft (Vietnam General Confederation of Labour, VGCL) gehören, die wiederum der Kommunistischen Partei (KPV) untersteht. Die VGCL hat Ableger in den 63 Provinzen und Metropolen und ihr unterstehen 20 Branchengewerkschaften. In den meisten größeren Unternehmen gibt es Gewerkschaftsvertreter (oft Angestellte in der Personalabteilung). Sie müssen zu den Arbeitsbedingungen an ihre Zentralen berichten und können im Falle von Streiks als Schlichter fungieren.
Auch ohne unabhängige Gewerkschaften gibt es in Vietnam Streiks, wenn auch selten. Die Datenlage ist nicht verlässlich. Streiks sind dem Vernehmen nach oftmals sehr kurz und betreffen überwiegend ausländische Firmen. Auslöser sind fehlende Lohnzahlungen, unterlassene Anpassungen des Mindestlohns oder als zu gering erachtete Boni zum traditionellen Tet-Fest.
Das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit betrifft alle Wirtschaftsbereiche. Unternehmen können auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die AHK Vietnam bietet eine Nachhaltigkeitsberatung an, insbesondere in Bezug auf Lieferketten. Die ILO ist ein weiterer möglicher Ansprechpartner vor Ort. Am 14. Dezember 2024 wurde der Responsible Business Helpdesk (RBH) in Vietnam offiziell eingerichtet. Der Helpdesk wird von der vietnamesischen Industrie- und Handelskammer (VCCI) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betrieben. Das Netzwerk der Responsible Business Helpdesks (RBH) ist eine Unterstützungsstruktur, die lokale Unternehmen über die Vorschriften des LkSG und der EU-Richtlinie CSDDD sowie nachhaltige Lieferketten im Allgemeinen berät.
Das Netzwerk wird von der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Für Beratungen ist der Helpdesk in Vietnam zu erreichen unter: T +84 90 61 11 622 oder rbh.vietnam.vcci@gmail.com; Adresse 5th Floor, VCCI, No 9 Dao Duy Anh Street, Dong Da District, Hanoi, Vietnam.
Das Freedom of Association Committee (Ausschuss für Vereinigungsfreiheit) überprüft gesondert Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Informationen über ILO-Verfahren der Normenkontrolle sind frei verfügbar. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung der Koalitionsfreiheit können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Vereinigungsfreiheit im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.