Wirtschaftsausblick | Kroatien
Kroatiens Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs
Kroatien ist aktuell eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in der EU, wird dieses Tempo 2025 aber nicht halten können. Die Aussichten bleiben dennoch stabil.
15.01.2025
Von Kirsten Grieß | Zagreb
Wirtschaftsentwicklung: Spitzenplatz in der EU
Nach ersten Schätzungen des kroatischen Statistikamts wuchs die reale Wirtschaftsleistung im 3. Quartal 2024 um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal und um 4,1 Prozent im Jahresvergleich. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet die Europäische Kommission mit einem Plus von 3,6 Prozent - damit liegt Kroatien gleichauf mit Zypern, der am stärksten wachsenden Volkswirtschaft. Gleichwohl erwartet die Europäische Kommission eine leichte konjunkturelle Eintrübung für 2025. Auch in den folgenden Jahren soll sich das Tempo des Wachstums verlangsamen.
Verbrauchervertrauen treibt den Konsum
Starker Konsum gepaart mit hohen Investitionsausgaben - privat wie öffentlich - bilden das Fundament der wirtschaftlichen Dynamik. Bei den Privathaushalten feuert die positive Reallohnentwicklung die Nachfrage an. Die Inflationsrate lag im Oktober 2024 mit durchschnittlich 4,2 Prozent deutlich unter den Vorjahreswerten. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist rückläufig. Die Arbeitslosenrate betrug im Oktober 4,7 Prozent. Das stärkt das Verbrauchervertrauen.
Im öffentlichen Sektor schaffen hohe Summen an EU-Mitteln Investitionsspielräume, die von der kroatischen Regierung agil genutzt werden. Das Land ist beim Einsatz von EU-Wiederaufbaugeldern Klassenprimus. Rund 4,5 Milliarden Euro wurden bereits abgerufen. Mehr als 5,5 Milliarden Euro müssen noch bis Ende 2026 ausgegeben werden.
Exporte von Medizinprodukten und Arzneimitteln ziehen an
In den ersten zehn Monaten rutschte die industrielle Produktionsleistung Kroatiens mit 0,4 Prozent nur leicht ins Minus. Im Oktober 2024 wuchs die Produktion im Jahresvergleich erneut um 1,3 Prozent. Auffallend starke Zuwächse erzielten die Chemieproduktion, die Metallverarbeitung und die Arzneimittelherstellung.
Die kroatischen Warenexporte erhöhten sich in den ersten acht Monaten um 2,7 Prozent. Unter den wichtigsten Ausfuhrgütern legten Medizinprodukte und Arzneimittel mit einem Plus von 16,6 Prozent am stärksten zu.
Auf dem Bau werden Arbeitskräfte knapp
Die Ergebnisse im Handel, im Tourismus und in der Bauwirtschaft spiegeln die steigende Nachfrage. Allein die Einzelhandelsumsätze stiegen in den ersten zehn Monaten 2024 bereinigt um 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. In der gleichen Zeit nahmen die touristischen Ankünfte um 3,5 Prozent zu. Erwartungsgemäß setzte die Bauwirtschaft ihren Run im Jahresvergleich fort und erhöhte in den ersten neun Monaten die erbrachte Leistung um weitere 16,1 Prozent.
Fachleute rechnen indes damit, dass die Binnennachfrage 2025 nachlassen könnte. Die Arbeitsproduktivität gebe das gegenwärtige zweistellige Lohnwachstum auf Dauer nicht her. Auch beim Abruf von EU-Geldern könnte Kroatien bald an Grenzen stoßen, da begonnene Bauprojekte Ressourcen binden und zusätzliche Arbeitskräfte fehlen. Skepsis herrscht auch mit Blick auf die Wachstumspotenziale im Tourismussektor.
Top-Thema: Kroatien stellt sich dem Übertourismus
Der Tourismus besitzt eine überdurchschnittlich große Bedeutung für die kroatische Wirtschaft. In den vergangenen Jahren zählte für die lokale Tourismusbranche nur eines: mehr Gäste. Inzwischen erkennen die Verantwortlichen, dass der Besucheransturm einige Küstenregionen überfordert. Erste Gemeinden schränken die Besucherzahlen ein. Auch landesweit wird nach Lösungen gesucht. Seit 2023 arbeitet das Tourismusministerium an neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Tourismusminister Tonči Glavina will private Vermietungen zurückschrauben. Neue Durchführungsbestimmungen für das Tourismusgesetz legen klare Vorgaben zur Genehmigung von Unterkünften in Kommunen fest. Änderungen im Gebäudeverwaltungs- und Gastgewerberecht erweitern ebenfalls Genehmigungspflichten. Hinzu kommt: Kurzzeitmieten sollen stärker besteuert, die Kommunalsteuer auf Ferienwohnung durch eine Grundsteuer ersetzt werden. Das würde den Unterhalt leerstehender Immobilien verteuern. Diese Neuregelungen sind mit Jahresbeginn 2025 in Kraft getreten.
Privatunterkünfte stellten laut Statistikamt 2023 rund 65 Prozent der kroatischen Bettenkapazitäten, Hotels lediglich 14 Prozent. Die Einnahmen aus privaten Vermietungen sichern in vielen Privathaushalten den Lebensunterhalt, entsprechend nutzbare Immobilien sind heiß begehrt. Die Folge: Explodierende Immobilienpreise und Wohnungsnot, während ein Großteil der Ferienwohnungen die meiste Zeit des Jahres leer steht.
Deutsche Perspektive: Bilateraler Außenhandel im Plus
Die deutschen Exporte nach Kroatien wuchsen in den ersten acht Monaten 2024 um satte 7,3 Prozent im Jahresvergleich. Besonders stark nachgefragt waren deutsche Fahrzeuge (+10,4 Prozent) und Arbeitsmaschinen (+15,6 Prozent).
Für Kroatien ist Deutschland nach Italien der wichtigste Exportmarkt. Bedeutendste Ausfuhrgüter sind elektronische Geräte und Metallprodukte. Allerdings erhöhen sich die kroatischen Ausfuhren nach Deutschland seit zwei Jahren nur marginal. In den ersten acht Monaten 2024 gab es lediglich ein Plus von 0,5 Prozent.
Deutschland wurde 2024 im Ranking der Direktinvestoren von Luxemburg auf Platz 4 verdrängt. Den Gesamtbestand deutscher Investitionen in Kroatien bezifferte die kroatische Nationalbank Mitte 2024 auf knapp 5 Milliarden Euro. Nach überdurchschnittlichen jährlichen Kapitalzuflüssen in der Post-Covid-Periode bis 2023 fielen die deutschen Neuinvestitionen im 1. Halbjahr 2024 bescheidener aus. Das kann sich in der Bilanz des Gesamtjahres noch ändern, da es Projekte gibt, die aktuell in der Vorbereitungsphase sind.
Darunter finden sich auch einige hochrangige Kooperationen: Im Sommer 2024 kündigten Siemens Energy und Kroatiens führender Hersteller von Transformatoren Končar den Bau einer gemeinsamen Fabrik für Transformatorenkessel an. Ende Oktober 2024 verständigten sich der kroatische Sonderfahrzeughersteller DOK-ING und Rheinmetall über ein Joint Venture. Die Unternehmen wollen unbemannte Systeme zur Unterstützung von Kampfeinsätzen entwickeln.