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Kroatiens Wirtschaft wieder auf Vorkrisenstand
Die Konjunkturerholung in Kroatien hat an Fahrt gewonnen. Die Prognosen für 2022 und 2023 sind ähnlich gut. Doch die Risiken nehmen infolge der Ukraine-Krise zu.
01.03.2022
Von Waldemar Lichter | Zagreb
Kroatiens Wirtschaft hat sich von der Coronakrise erholt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte 2021 real um 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Es ist der höchste vom kroatischen Statistikamt DZS jemals gemessene Zuwachs. Das Vorkrisenniveau von 2019 sei damit laut Behörde wieder erreicht.
Konjunkturbelebung nach Coronarückgang
Das hohe Wachstum ist allerdings auf die niedrige Ausgangsbasis zurückzuführen. Die Pandemie löste eine heftige Rezession aus. Die Wirtschaftsleistung nahm 2020 real um 8,1 Prozent ab. Damit gehörte Kroatien zu den am heftigsten von der Coronakrise betroffenen Ländern in der Europäischen Union (EU). Stärker war der Rückschlag 2020 nur in Griechenland, Spanien und Italien.
Zu den wichtigsten Gründen für den überdurchschnittlichen BIP-Rückgang 2020 gehört die einseitige Struktur der kroatischen Wirtschaft. Der Tourismus trägt fast ein Viertel zum BIP bei. Die durch die Coronapandemie ausgelösten Einschränkungen haben die globale Nachfrage nach Reisen und Tourismus einbrechen lassen – mit massiven negativen Folgen für das kroatische Gastgewerbe und die damit verbundenen Wirtschaftszweige.
Tourismus zieht Wirtschaft wieder nach oben
Was 2020 noch eine große Schwäche war, hat sich 2021 als ein großes Plus erwiesen. Kroatien konnte eine unerwartet gute Tourismussaison verbuchen. Die begonnenen Lockerungen und die Sehnsucht nach Reisen, Sonne und Meer haben dem Land überaus gute Gästezahlen und hohe Tourismuseinnahmen beschert.
So stieg die Zahl der Übernachtungen 2021 um über 72 Prozent. Der größte Teil (fast 90 Prozent) davon entfiel auf ausländische Gäste. Die Tourismuseinnahmen sollen fast das Niveau des Rekordjahres 2019 erreicht haben. In den ersten neun Monaten 2021 beliefen sich diese auf 9,2 Milliarden Euro. Im Ergebnis nahmen die Dienstleistungsausfuhren (Tourismus) laut Statistikamt DZS 2021 real um 51,5 Prozent zu – nach einem Rückgang von 42 Prozent im Jahr davor.
Für 2022 gehen die meisten Prognosen von einer Fortsetzung der Wachstumsdynamik aus. Experten von Raiffeisen Research sagen für 2022 einen BIP-Zuwachs von 4,4 Prozent und für das Jahr 2023 von 4 Prozent voraus. Die Europäische Kommission ging in ihrer Herbstprognose 2021 von einer realen BIP-Zunahme von 5,6 Prozent beziehungsweise 3,4 Prozent aus.
Ukraine-Krieg wird Wachstum dämpfen
Die Risiken für die weitere Entwicklung der Konjunktur nehmen allerdings wieder zu. Zum einen ist die Coronapandemie noch nicht endgültig beendet. Die größten Bremseffekte auf die kroatische Wirtschaft wird aber der Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 haben. Insbesondere auf den Tourismus dürfte sich der Krieg negativ auswirken. Damit wird auch die kroatische Wirtschaftsleistung insgesamt von den Auswirkungen betroffen sein.
Auch in der EU könnten sich die Konjunkturaussichten und damit die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Kroatien verschlechtern. Für einige kroatische Unternehmen ist Russland zudem ein wichtiger Absatzmarkt. Das betrifft besonders die Pharmaindustrie (Pliva, Belupo, JGL) sowie die Automobilzulieferindustrie (AD Plastik) und den Nahrungsmittelsektor (Fortenova, Podravka). Sanktionen könnten die Geschäfte der Unternehmen einschränken oder bremsen.
2019 | 2020 | 2021 | 3. Quartal 2021 | 4. Quartal 2021 | |
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Privater Verbrauch | 4,2 | -3,8 | 8,7 | 12,2 | 8,4 |
Bruttoanlageinvestitionen | 9,8 | -6,1 | 7,6 | 7,6 | 0,8 |
Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen | 6,8 | -22,7 | 33,3 | 48,8 | 31,7 |
Einfuhren von Waren und Dienstleistungen | 6,5 | -12,3 | 14,7 | 13,9 | 16,4 |
Bruttoinlandsprodukt | 3,5 | -8,1 | 10,4 | 15,8 | 9,7 |
2019 | 2020 | 2021 | 3. Quartal 2021 | 4. Quartal 2021 | |
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Agrarsektor | 1,8 | 3,6 | 5,5 | 6,6 | 4,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 1,8 | -3,9 | 6,9 | 4,5 | 6,0 |
Bauwirtschaft | 13,5 | 4,1 | 9,3 | 6,9 | 5,9 |
Handel, Logistik, Gastgewerbe | 4,0 | -20,3 | 25,0 | 39,4 | 23,4 |
Informations- und Kommunikationssektor | 5,4 | 3,3 | 9,9 | 11,1 | 17,7 |
Finanzsektor | -2,9 | -4,4 | 0,6 | 1.7 | 0,2 |
Vermietung und Verpachtung | 1,8 | -0,5 | -0,3 | 2,2 | 4,3 |
Bruttowertschöpfung | 3,6 | -6,3 | 8,9 | 13,5 | 9,3 |