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Wirtschaftsumfeld | Kuwait | Wirtschaftsstruktur

Diversifizierung der Wirtschaft bleibt ohne Schwung

Der aktuelle Entwicklungsplan "Kuwait Vision 2035" sieht vor, die Wirtschaft stärker zu diversifizieren. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings noch unzureichend.

Von Robert Espey | Dubai

Kuwaits große Ölvorkommen sichern den Wohlstand des Emirats mit seinen 4,9 Millionen Einwohnern. Rund 70 Prozent davon sind Ausländer. Um die Abhängigkeit vom Ölsektor zu reduzieren, der nach vorläufigen Angaben 2023 mehr als 51 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 93 Prozent der Exporterlöse erwirtschaftete, will Kuwait seine Wirtschaft diversifizieren. Es geht aber nur langsam voran.

 

4,8 Mio.

Personen lebten 2023 in Kuwait.

Quelle: Public Authority for Civil Information 2024

164 Mrd.

US-Dollar betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 laut vorläufigen Angaben.

Quelle: Central Statistical Bureau 2024

33.956

US-Dollar machte das BIP pro Kopf damit 2023 aus.

Quelle: Central Statistical Bureau 2024, Public Authority for Civil Information 2024

Rang 68

belegte Kuwait 2023 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2024

Rang 68

nimmt Kuwait im Corruption Perceptions Index 2023 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2024

Die starke Abhängigkeit von den Öleinahmen zeigt sich auch beim Staatshaushalt. Der Ölsektor stellte im Haushaltsjahr 2022/2023 (April bis März) einen Anteil von 93 Prozent an den Staatseinnahmen. Erst der hohe Ölpreis von durchschnittlich 101 US$ pro Barrel im Jahr 2022 ermöglichte 2022/2023 nach acht defizitären Jahren wieder einen Budgetüberschuss.

Aber schon 2023/2024 gab es erneut einen Fehlbetrag. Ursachen sind vor allem die gesunkene Ölproduktion und der niedrigere Ölpreis von durchschnittlich 84 US$ im Jahr 2023. Der offizielle Haushaltsabschluss liegt noch nicht vor. Die National Bank of Kuwait schätzt das Defizit auf 5,3 Prozent des BIP. Für 2024/2025 und 2025/2026 sagen Prognosen Defizite von 3,8 und 5,2 Prozent des BIP voraus.

Nichtölwirtschaft stagniert weiter

Eine erfolgreiche Diversifizierung erfordert eine kräftige Dynamik im Nichtölsektor. Diese zeigte in den letzten Jahren jedoch keinen Wachstumstrend. Ihre Wertschöpfung lag 2023 nur real 1,4 Prozent über dem Niveau von 2019.

Der Sektor konnte 2021 nach einer Schrumpfung im Vorjahr zwar zulegen, entwickelte sich dann aber wieder negativ. Für 2023 wird ein Minus von 2,9 Prozent ausgewiesen. Die National Bank of Kuwait erwartet für 2024 und 2025 moderate Zuwächse von jeweils 2,5 Prozent. Für den angestrebten Strukturwandel ist das aber deutlich zu wenig.

SWOT-Analyse Kuwait

S

Stärken Strengths

  • Große Ölvorkommen
  • Hohe Finanzreserven, großer Staatsfonds, Investitionskapital reichlich vorhanden
  • Hohes Pro-Kopf-Einkommen der einheimischen (nicht-ausländischen) Bevölkerung
W

Schwächen Weaknesses

  • Abhängigkeit von Ölpreisentwicklung
  • Zerstrittenes politisches System blockiert Wirtschaftsreformen und Entwicklungsprojekte
  • Langwierige bürokratische Prozesse
  • Fehlende lokale Fachkräfte, hohe Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften
  • Kleine Bevölkerung, kleiner Binnenmarkt
O

Chancen Opportunities

  • Ehrgeiziges Entwicklungsprogramm (New Kuwait Vision 2035)
  • Größere Rolle des Privatsektors angestrebt, Public-private-Partnerships
  • Ausbau der Downstream-Industrien (Raffinerien, Petrochemie etc.)
  • Expansion des Gesundheitssektors
  • Infrastrukturausbau (Wasser, Strom, Abfallwirtschaft etc.)
T

Risiken Threats

  • Zurückgehender Ölpreis und sinkende Fördermengen
  • Zunehmende interne Konflikte über Haushaltspolitik, Privatisierung etc.
  • Verschärfung regionaler Spannungen
  • Stark wachsende Hürden für Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte ("Kuwaitisierung")

Ausbau der Downstream-Industrien ist wichtiges Entwicklungsziel

Investitionen in Downstream-Industrien gehören zu den Schwerpunkten der Diversifizierungsstrategie. Nach jahrelangen Verzögerungen wurden 2021 die beiden Raffineriegroßprojekte Clean Fuel Project und Az Zour Refinery weitgehend fertiggestellt. 

Das 12 Milliarden US$ teure Clean Fuel Project umfasste Modernisierungsmaßnahmen in den Raffinerien Mina Al-Ahmadi und Mina Abdullah. Der Bau der 16 Milliarden US$ teuren neuen Az-Zour-Raffinerie mit einer Kapazität von 615.000 Barrel pro Tag war im Wesentlichen schon 2021 abgeschlossen, die volle Produktion wurde jedoch erst im Juli 2023 erreicht. Die drei Raffinerien verfügen nun über eine Gesamtkapazität von 1,4 Millionen Barrel pro Tag.

Nach Berechnungen der Gulf Petrochemicals and Chemicals Association (GPCA) schrumpften in Kuwait die Kapazitäten der chemischen Industrie zwischen 2012 und 2021 von jährlich 5,5 Millionen auf 3,2 Millionen Tonnen. Hauptgrund für den Rückgang ist die Einstellung der Düngemittelproduktion.

Kuwaits wichtigstes Projekt zur Erweiterung der petrochemischen Produktion steckt erneut fest. Der mit 10 Milliarden US$ kalkulierte Az Zour Petrochemical Complex ist seit 2006 in Planung. Die Zuständigkeit für das Projekt wurde 2016 der Kuwait Integrated Petroleum Industries Company übertragen, einer Tochter der Kuwait Petroleum Corporation.

Kuwait: Bedeutung der Wirtschaftszweige in KuwaitAnteile in Prozent

Sektoren

Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 1)

Anteil an den Beschäftigten 2023 2)

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

0,4

2,7

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

42,1

1,2

Verarbeitendes Gewerbe

6,8

5,9

Energie- und Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung

2,2

1,6

Baugewerbe

3,0

8,4

Dienstleistungen

45,6

80,2

1 vorläufige Angaben, zu laufenden Preisen; 2 Schätzungen.Quelle: Central Statistical Bureau 2024, Public Authority for Civil Information (Labor Market Information System) 2024, Germany Trade & Invest 2024

Das Az-Zour-Projekt soll aus den drei Hauptelementen Olefins 3 Petrochemical Plants, Kuwaits zweiter Aromaten-Anlage und einem katalytischen Cracker bestehen. Die Produktionskapazitäten sollen bei jährlich 2,8 Millionen Tonnen Aromaten und Polypropylen sowie 1,7 Millionen Tonnen Benzin liegen.

Vorgesehen ist eine Ausschreibung des Projekts in drei Hauptpaketen. Das mit 4 Milliarden US$ kalkulierte Paket 1 wird aus dem Aromatenwerk und einer Anlage zur Benzinherstellung bestehen, das ebenfalls mit 4 Milliarden US$ veranschlagte Paket 2 aus dem Olefinwerk und das 1,5-Milliarden-US$-Paket 3 aus Hafenanlagen zum Export der petrochemischen Erzeugnisse.

Mehrfach begannen Ausschreibungsverfahren für das Az-Zour-Projekt, wurden dann aber wieder abgebrochen. Für die drei Pakete hatten sich 2023 insgesamt elf internationale Unternehmen beziehungsweise Konsortien präqualifiziert. Eine Vergabe ist jedoch wieder in weite Ferne gerückt. Jetzt soll zunächst eine weitere Durchführbarkeitsstudie erstellt werden. Im Juni 2024 wurde zudem bekannt, dass internationale Investoren gesucht werden.

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.

Politische Konflikte behindern Strukturwandel

Die permanenten Konflikte zwischen der vom Emir ernannten Regierung, dem gewählten Parlament und der staatlichen Bürokratie behindern Strukturreformen und tragen regelmäßig zu erheblichen Projektverzögerungen bei. Im Mai 2024 löste Emir Sheikh Mishal Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah das erst im April vorzeitig neu gewählte Parlament auf. Er will offenbar bis auf Weiteres ohne Volksvertretung regieren.

Die jetzt erfolgte Auflösung ist für zunächst bis zu vier Jahre mit der Aussetzung von Teilen der Verfassung verbunden. Neuwahlen, die verfassungsgemäß innerhalb von zwei Monaten nach einer Parlamentsauflösung durchgeführt werden müssen, sind nicht geplant. Der Emir erklärte, nun alle Aspekte des demokratischen Prozesses überprüfen zu lassen.

Längere Suspendierungen des Parlaments gab es bereits von 1976 bis 1981 sowie von 1986 bis 1991. In beiden Fällen wurde das Parlament nach Protesten letztlich wieder zugelassen. Eine ähnliche Entwicklung könnte sich wiederholen.

Ein neuer Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Kuwait (Article IV Report) ist in Vorbereitung. Im Mai 2024 beendete ein IWF-Team seine Recherchen in Kuwait. Es weist in einem Abschlussstatement darauf hin, dass die internen politischen Konflikte dringend notwendige Strukturreformen weiter verzögern. Dies unterminiere das Vertrauen von Investoren, schwäche die Wettbewerbsfähigkeit und behindere die Diversifizierung der Wirtschaft. Weiter wird vor erhöhten Risiken gewarnt, die sich aus der Volatilität des Ölmarktes und regionalen Konflikten ergeben.

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