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Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Außenwirtschafts-, Industriepolitik

Worauf Chinas Investitionen in Lateinamerika zielen

China betreibt eine gezielte Rohstoff- und Investitionspolitik in der Region. Hauptakteure sind Staatsunternehmen. Neben Investitionen nehmen Projektfinanzierungen zu.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Aus Sicht der Volksrepublik sind Investitionen in Lateinamerika im Vergleich zu anderen Weltregionen nicht prioritär. Dafür geht China aber umso gezielter vor - und greift nicht selten tief in die Taschen: Zwischen 2005 und 2020 gab es 26 Fusionen beziehungsweise Übernahmen mit einem Volumen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar (US$), analysiert die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL). Auf diese entfielen 82 Prozent der registrierten chinesischen Transaktionen. In den vergangenen Jahren konnte China seinen Anteil an den Direktinvestitionen in der Region Schritt für Schritt ausbauen. Im Jahr 2020 lag das Land bereits an erster Stelle, noch vor Spanien, Kanada und den USA.

Ziele chinesischer Direktinvestitionen nach Regionen (2005 bis 2020; Anteile in Prozent)

Destination

Anteil

Europa

34

Nordamerika

27

Asien/Pazifik

26

Lateinamerika/Karibik

9

Quelle: Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) 2021

Ein erheblicher Teil der chinesischen Kapitalzuflüsse kommt nicht direkt aus China, sondern fließt über Drittstaaten. Nach einer Untersuchung der Banco do Brasil von 2018 war dies beispielsweise bei 80 Prozent der chinesischen Direktinvestitionen der Fall. Die Gelder waren überwiegend mit Ursprung Luxemburg oder Niederlande deklariert.

Keine Investitionen nach dem Gießkannenprinzip

Innerhalb der Region konzentrierten sich die Interessen der Volksrepublik auf wenige Länder. Nach Brasilien floss in den vergangenen Jahren über die Hälfte aller chinesischen Investitionen in Lateinamerika. Darüber hinaus spielen Peru, Chile und Argentinien eine Rolle. Wenig deutet darauf hin, dass sich dies in Zukunft grundlegend ändert.

Hintergrund ist die weltweit aktiv betriebene Rohstoffpolitik, mit der China die Versorgung seiner Industrie sicherstellt und sich speziell in Zukunftstechnologien eine hervorragende Position verschafft. Typisch hierfür ist das Engagement im Bereich Lithium, einem Schlüsselrohstoff für die Elektromobilität und die Umsetzung der weltweiten Energiewende.

Gegenwärtig führen der aktuelle 14. Fünfjahresplan (2021 bis 2025) und die propagierte Wirtschaft zweier Kreisläufe in China zu einer noch stärkeren Priorisierung der inländischen Produktion. Chinesische Wirtschaftsstrategen werden Lateinamerika deshalb noch mehr als in der Vergangenheit als Lieferant dringend gebrauchter Rohstoffe wahrnehmen. Produkte mit einer höheren Wertschöpfung vor Ort sind dagegen nicht gefragt, denn das kann China selbst.

In welche Länder in Lateinamerika und der Karibik fließen Chinas Investitionen? (Anteile 2005 bis 2020 in Prozent des Investitionsvolumens)

Destination

Anteil

Brasilien

58

Peru

18

Chile

11

Argentinien

4

Barbados

3

Ecuador

2

Kolumbien

1

Sonstige Länder

3

Quelle: Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) 2021

Ein weiterer Schwerpunkt des chinesischen Engagements liegt auf den Sektoren Strom-, Gas- und Wasserversorgung. In den vergangenen Jahren haben Player aus der Volksrepublik besonders im Stromsektor milliardenschwere Übernahmen gestemmt.

Die wichtigsten chinesischen Fusionen und Übernahmen 2005 bis 2020 im Bereich Strom/Gas/Wasser in Lateinamerika

Land

Investor (Jahr)

Projekt

Herkunft des Verkäufers

Volumen (in Millionen US$)

Brasilien

China Three Gorges Corporation (2015)

Central hidroeléctrica Jupia e Ilha Solteira

Brasilien

3.680

Brasilien

China Three Gorges Corporation (2016)

Duke Energy International Brasil Ltda.

USA

1.200

Brasilien

State Grid Corporation of China (2010)

Expansion Transmission Itumbiara Marimbondo (ETIM)

Spanien

1.721

Brasilien

State Grid Corporation of China (2012)

Siete Torres de transmisión de alta tensión

Spanien

942

Brasilien

State Grid Corporation of China (2017)

CPLF Energía S.A. (94,75%)

Brasilien

9.901

Brasilien

State Power Investment Corporation Limited (2017)

Hidroeléctrica São Simão

Brasilien

2.255

Brasilien

China Gezhouba Group Company Limited (2018)

Sistema Produtor São Lourenço S.A.

Brasilien

869

Brasilien

CGN Energy International Holdings Co. Limited (2019)

Zwei Solarparks und ein Windpark

Italien

739

Chile

China Southern Power Grid Company Limited (2018)

Transelec S.A. (27,7%)

Kanada

1.300

Chile

State Grid Corporation of China (2020)

Chilquinta Energía S.A., Tecnored S.A.

USA

2.230

Peru

China Three Gorges Corporation, Hubei Energy Group, CNIC Corporation Limited China (2019)

Empresa de Generación Huallaga S.A.

Peru und Brasilien

1.390

Peru

China Yangtze Power Co. Ltd. (2020)

Luz del Sur (83,6%)

USA

3.590

Quelle: Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) 2021

Staatliche Unternehmen setzen Strategien der Politik um

Eine Besonderheit bei den chinesischen Direktinvestitionen ist die starke Präsenz staatlicher Unternehmen: Rund 82 Prozent des Gesamtwerts der Fusionen und Übernahmen, die chinesische Unternehmen in Lateinamerika und in der Karibik zwischen 2005 und 2020 durchführten, entfielen auf Staatsbetriebe. Diese verfügen über Kapitalquellen, die ihnen einen Vorteil gegenüber privatwirtschaftlichen Wettbewerbern verschaffen.

Die zehn größten chinesischen Investoren in Lateinamerika (2005 bis 2020)

Unternehmen

Investitionsbetrag (in Millionen US$)

Anteil an allen chinesischen Investitionen in der Region (in %)

Anzahl der Investitionen/Übernahmen in der Region

State Grid Corporation of China

14.919

18

9

China Petroleum & Chemical Corporation (Sinopec)

14.735

18

5

China Minmetals Corporation

7.005

8

1

China Three Gorges Corporation

5.260

6

5

Tianqi Lithium Corp.

4.066

5

1

China Yangtze Power Co., Ltd.

3.590

4

1

Sinochem Group Co. Ltd.

3.070

4

1

CITIC Group Corp.

3.050

4

3

China National Petroleum Corporation

2.600

3

1

State Power Investment Corporation Ltd.

2.255

3

2

Quelle: Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) 2021

Trotzdem stehen die meisten Länder in Lateinamerika chinesischen Investoren eher positiv gegenüber. Chinas rasanter Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt und die Ambitionen, die USA in den nächsten Jahren als die Nummer eins abzulösen, imponiert vielen Staatschefs und Unternehmern weltweit. Viele erhoffen sich, durch eine engere Kooperation an dem Erfolg des Partners teilhaben zu können. Dies gilt auch für Lateinamerika.

Besonders finanziell schwache Länder sehen die Chance, durch das chinesische Engagement ihre Finanzlücken zu schließen. Ein typisches Beispiel ist Argentinien. Dort hat die Regierung Projektlisten erstellt, für die Finanzierungen aus der Volksrepublik gesucht werden. Nach einem während der Olympischen Winterspiele 2022 in Beijing geschlossenem Investitionsabkommen will China 35 Milliarden US$ in Energie- und Infrastrukturprojekte in Argentinien investieren, darunter in das Kernkraftwerk Atucha III (8,3 Milliarden US$).

Bauaufträge und Infrastrukturfinanzierungen gewinnen an Bedeutung

In ganz Lateinamerika sei eine wachsende Kluft zwischen dem Infrastrukturbedarf und den tatsächlich von der öffentlichen Hand finanzierten Projekten festzustellen, sagt Enrique Dussel Peters, Wirtschaftsprofessor an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) und Leiter des Centro de Estudios China-México (Cechimex). Diese Lücke füllen chinesische Firmen gern - nach dem Muster der Neuen-Seidenstraßen-Initiative. Entsprechend gewinnen neben Investitionen Bauaufträge oder Infrastrukturprojekte in Chinas Internationalisierungsstrategie an Gewicht.

In den letzten Jahren entfiel das Gros der chinesischen Bauprojekte in der Region auf den Energiesektor gefolgt vom Transport. In Zukunft wird der Gesundheitsbereich (Krankenhausbau) wichtiger werden sowie alles rund um die Digitalisierung/Telekommunikation. Interesse besteht auch an Chinas Verfahren zu "sicheren Städten".

Fachleute warnen vor Abhängigkeiten

Für Lateinamerika ist dies eine Herausforderung. Denn Kreditvergaben Chinas an Entwicklungsländer sind umstritten. Kritiker werfen dem Land vor, seine Kreditnehmer in eine Schuldenfalle laufen zu lassen. Befürworter halten dagegen, dass chinesische Kredite überhaupt erst die Möglichkeit zur Durchführung bestimmter Projekte bieten. Tatsache ist, dass nur sehr wenig über die Kreditbedingungen nach außen dringt, obwohl China inzwischen laut Center of Global Development zum größten offiziellen bilateralen Gläubiger der Welt avanciert ist.

Dabei wird laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft nicht einmal die Hälfte der Kredite, die China an Entwicklungsländer vergibt, dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank gemeldet. Ein Grund für diese Undurchsichtigkeit sei, dass die chinesischen Auslandskredite auch als Druckmittel dienen, um die investitions-, handels- oder außenpolitischen Ziele Chinas durchzusetzen.

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