Wirtschaftsumfeld | Litauen | Investitionsförderung
Praxischeck
Litauen verzeichnet einen deutlichen Anstieg der Arbeitskosten. Im EU-Vergleich sind sie jedoch weiterhin niedrig. Der Standort punktet mit qualifizierten Arbeitskräften.
20.07.2022
Von Niklas Becker | Vilnius
Litauen verzeichnete 2021 den größten Anstieg der Arbeitskosten in der Europäischen Union (EU). Im Vergleich zum Vorjahr registrierte Eurostat einen nominalen Zuwachs um 12 Prozent. Der EU-Durchschnitt lag bei 1,7 Prozent. In den beiden anderen baltischen Staaten Estland und Lettland lagen die Zuwächse der Arbeitskosten jeweils knapp über der 6 Prozent. Aufgrund der höheren Löhne und Gehälter steigen die Arbeitskosten in Litauen bereits seit mehreren Jahren - zwischen 2016 und 2021 um mehr als 52 Prozent. Innerhalb der EU wurden lediglich in Rumänien und Bulgarien deutlichere Anstiege erfasst. Im Durchschnitt legten die Arbeitskosten in der EU im Berichtszeitraum um etwa 13 Prozent zu.
Trotz dieser Entwicklungen zählt Litauen innerhalb der EU weiterhin zu den Volkswirtschaften mit den geringsten Arbeitskosten. Im Jahr 2021 mussten litauische Arbeitgeber für eine Arbeitsstunde (Gehalt und Steuern) im Durchschnitt 11,30 Euro zahlen. Das ist der sechsniedrigste Wert in der EU. Im Jahr zuvor belegte Litauen mit 10,10 Euro noch den viertletzten Platz. Laut Prognosen der Europäischen Kommission werden die litauischen Gehälter auch 2022 und 2023 nominal wieder deutlich zulegen.
Investoren schätzen Qualifikation der Arbeitnehmer
Neben der hohen Inflation befeuert vor allem das Fehlen von Arbeitskräften die Gehaltssteigerungen. Das zeigt die Konjunkturumfrage der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum). In der 2021 unter deutschen Investoren im Land durchgeführten Umfrage zählen die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie die Arbeitskosten zu den am schlechtesten bewerteten Standortkriterien Litauens. Schlechtere Noten vergaben die befragten Betriebe nur für die Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik sowie für die politische und soziale Stabilität des Landes.
Am besten bewerteten die deutschen Investoren die EU-Mitgliedschaft Litauens. Danach folgen die Rechtssicherheit im Land, die Qualifikationen der Arbeitnehmer sowie die Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer. Im Attraktivitätsranking der Investitionsstandorte in Mittel- und Osteuropa belegt Litauen 2021 - wie bereits in den drei Jahren zuvor - den siebten Platz. Das Nachbarland Lettland liegt auf Platz 6, Estland führt das Ranking zum dritten Mal in Folge an.
Deutscher Investor Hanning verlässt Litauen
Ein deutscher Investor hat nun Konsequenzen aus den Entwicklungen auf dem litauischen Arbeitsmarkt gezogen. Hanning Elektro-Werke gab im März 2022 bekannt, dass es Litauen verlassen wird. Für den Hersteller von Antriebssystemen und -komponenten ist der Standort in Vilnius aufgrund der hohen Arbeitskosten nicht mehr rentabel. Die Niederlassung soll daher bis zum Jahresende 2022 geschlossen werden. Im Frühjahr 2022 beschäftigte Hanning Elektro-Werke etwa 160 Angestellte in Litauen. Zu Hochzeiten waren es bis zu 300. Neben Litauen unterhält das Unternehmen noch Standorte in Indien und Rumänien.
"Kein Low Cost Standort mehr"
"Litauen ist kein Billiglohnland mehr", analysiert Audronė Gurinskienė, Büroleiterin der AHK Baltikum in Litauen, die Entwicklungen auf dem litauischen Arbeitsmarkt.
Für ausschließlich auf kostengünstige Produktion ausgelegte Investitionen wird es aus Sicht von Audronė Gurinskienė, Büroleiterin der AHK Baltikum in Litauen, zukünftig schwieriger. Zukünftig liege der Schwerpunkt auf Produkten mit größerer Wertschöpfung.
Für potenzielle deutsche Investoren dürfte der Arbeitskräftemangel in Litauen nach Einschätzung von Gurinskienė handelbar sein. Das Unternehmen müsse sichtbar sein. "Wer ausreichend Werbung macht und attraktive Arbeitsplätze anbietet, findet weiterhin Fachkräfte", ergänzt die Expertin. Firmen auf der Suche nach Mitarbeitern empfiehlt sie die aktive Teilnahme an Veranstaltungen, Präsenz in sozialen Netzwerken sowie die Zusammenarbeit mit Hoch- und Berufsschulen.
Kriterien | Litauen | Deutschland |
---|---|---|
Gesamtrang | 39 | 7 |
1 Institutionen (Sicherheit, Transparenz, Recht) | 34 | 18 |
2 Infrastruktur | 39 | 8 |
3 Adaption von Informations- und Kommunikationstechnologien | 12 | 1 |
4 Makroökonomische Stabilität | 1 | 31 |
5 Gesundheit | 85 | 5 |
6 Bildung und Ausbildung | 24 | 9 |
7 Produktmärkte | 58 | 14 |
8 Arbeitsmarkt | 24 | 25 |
9 Finanzsystem | 75 | 36 |
10 Marktgröße | 76 | 5 |
11 Dynamik des Geschäftsumfeldes | 45 | 5 |
12 Innovationsfähigkeit | 42 | 1 |