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Wirtschaftsausblick | Estland

Lang­er­sehntes Wachstum kündigt sich an

Estlands Volkswirtschaft wird laut Prognosen nach drei Jahren Pause 2025 wieder wachsen. Neben den Exporten werden auch die Konsumausgaben der Haushalte dazu beitragen. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Top-Thema: Wachstumsplan soll neuen Schwung bringen

Estlands Minister für Wirtschaft und Industrie Erkki Keldo hat im Dezember 2024 den sogenannten Wirtschaftswachstumsplan 2025 vorgestellt. Dieser umfasst 45 neue Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien und Unternehmern entwickelt wurden. Ein wichtiger Teil des Plans betrifft Investitionen in Estland. 

Unter anderem möchte die Regierung Großinvestitionen im Land unterstützen. Dafür soll ein neues Förderprogramm mit einem Gesamtvolumen von 160 Millionen Euro geschaffen werden. Einen großen Fokus legt der Wachstumsplan zudem auf den Export. Durch eine Reihe von Maßnahmen sollen die estnischen Exporte ausgebaut und diversifiziert werden. 

Verteidigung bleibt ein wichtiges Thema in Estland. Um dafür mehr Geld zur Verfügung stellen zu können, führt Estland befristet bis Ende 2028 eine Sicherheitssteuer ein. Die Steuer umfasst drei Elemente, mit denen die Mehrausgaben für den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit finanziert werden sollen. Zum einen wird die Mehrwertsteuer ab Juli 2025 um 2 Prozentpunkte von 20 auf 22 Prozent erhöht. Für die Einkommensteuer für Privatpersonen und die Steuer auf Unternehmensgewinne wurde bereits vor der Sicherheitssteuer eine Anhebung von 20 auf 22 Prozent zum Jahresbeginn 2025 beschlossen. Im Rahmen der Sicherheitssteuer werden beide zu Jahresbeginn 2026 um weitere 2 Prozentpunkte auf 24 Prozent angehoben. 

Wirtschaftsentwicklung: Es soll bergauf gehen

Estlands Wirtschaft soll 2025 wieder wachsen. Die Europäische Kommission prognostiziert in ihrer Herbstprognose 2024, dass das estnische Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits im 1. Quartal 2025 im Vergleich zum Vorquartal zulegen soll. Zwar ist der erwartete Zuwachs mit 0,3 Prozent vergleichsweise klein, für die estnische Volkswirtschaft sind es aber trotzdem gute Nachrichten. Zwischen dem 2. Quartal 2022 und dem 1. Quartal 2024 verzeichnete die baltische Volkwirtschaft in jedem Jahresviertel einen Rückgang der Wirtschaft. Im 2. Quartal 2024 lag der Anstieg bei 0,1 Prozent, im 3. Quartal wurde eine Stagnation gemeldet und auch im letzten Jahresviertel 2024 dürfte die Wirtschaftsleistung auf dem Niveau des Vorquartals bleiben.  

Positive Tendenzen im Exportgeschäft 

Ein wichtiger Grund für die verbesserten Aussichten für 2025 sind Estlands Exporte. Sie sollen 2025 laut EU-Kommission um 2,9 Prozent zulegen. Die mögliche Einführung von Zöllen in den USA im Rahmen des Präsidentenwechsels würde die Erholung der estnischen Exporte allerdings bremsen. Denn für die wichtigen estnischen Exportmärkte wie Finnland, Schweden und Deutschland sind die USA wiederum ein wichtiger Absatzmarkt. 

Bereits im Herbst 2024 war eine gewisse Erholung der estnischen Ausfuhren zu erkennen. Das macht sich auch in der Industrieproduktion bemerkbar. So verzeichnete das estnische Statistikamt im Oktober 2024 einen Zuwachs der Produktion im verarbeitenden Gewerbe um 0,8 Prozent im Jahresvergleich. Ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung ist das Auslandsgeschäft. Im Oktober wurden zwei Drittel der Produktion an ausländische Märkte verkauft. 

Die verbesserte Aussicht hellt die Stimmung der estnischen Industrie auf. Der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Vertrauensindikator lag im November 2024 mit einem Minus von 9,6 Punkten zwar weiterhin im negativen Bereich, hat sich im Jahresverlauf 2024 jedoch schrittweise verbessert. Im Januar 2024 lag der Index bei minus 20 Punkten. Zudem erwartet die Mehrzahl der estnischen Industrieunternehmen im November 2024 einen Zuwachs der eigenen Produktion in den kommenden Monaten. 

Estlands Verbraucher kaufen mehr, sind aber weiterhin pessimistisch 

Neben den Exporten soll auch der Privatkonsum zum Wirtschaftswachstum beitragen. Laut Europäischer Kommission soll er 2025 um 0,5 Prozent zulegen. Da der Großteil der estnischen Verbraucher einen flexiblen Zinssatz für ihre Immobilienkredite hat, machen sich die Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank hier besonders bemerkbar und stärken die Kaufkraft. Gebremst wird sie hingegen durch verschiedene Steuererhöhungen. 

Das Vertrauen der estnischen Verbraucher liegt seit Mai 2022 trotz steigender Löhne und sinkender Kreditkosten allerdings auf einem historischen Tiefpunkt. Eine gedrücktere Stimmung wurde zuletzt im Herbst 1993 verzeichnet. Die estnischen Verbraucher sorgen sich um die steigende Arbeitslosigkeit und befürchten eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation.

Deutsche Perspektive: Möglichkeiten vor allem im Energiesektor

Estland ist derzeit auf Stromimporte angewiesen. Das soll sich nach Vorstellung der Regierung ändern. 2030 will das Land 100 Prozent des heimischen Strombedarfs aus grüner Energie "made in Estonia" abdecken. Damit das gelingt, muss in den kommenden Jahren massiv in die heimische Stromproduktion und das Netz investiert werden. Für deutsche Firmen bietet das diverse Beteiligungsmöglichkeiten. 

Eine wichtige Komponente dabei ist der Aufbau der Windkraftanlagen in der estnischen Ostsee. Bisher verfügt das baltische Land über keine Offshore-Kapazitäten. Derzeit laufen jedoch verschiedene Projekte. Die EU-Kommission beziffert das estnische Offshore-Potenzial auf 7 Gigawatt. Zum Vergleich: Für die deutsche Ostsee sind es laut Kommission 8 Gigawatt. Estland besitzt also ein großes Potenzial zur Energieerzeugung. Aufgrund des kleinen heimischen Marktes kommt das Land damit als Energielieferant für Deutschland infrage. 

Weitere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bietet das Schienenprojekt Rail Baltica. Bereits jetzt sind deutsche Firmen beteiligt. Die nun gestartete Bauphase bietet weitere Chancen. Aufgrund der im Vergleich zu Deutschland niedrigen Arbeitskosten ist Estland zudem ein potenzieller Beschaffungsmarkt für die deutsche Industrie. 

Im Rahmen des Markterschließungsprogramms findet am 24. und 25. März 2025 erstmals die Einkaufsinitiative Finnland, Estland, Lettland, Litauen statt. Deutsche Unternehmen erhalten im Rahmen der Initiative einen direkten Zugang zu Lieferanten aus den vier Ländern. 

Einen Überblick über die Standortbedingungen bietet unser Wirtschaftsstandort. Alle Informationen zu Estland finden Sie auf der GTAI-Länderseite

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