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Marokko baut Bahnindustrie massiv aus

Marokko schreibt den Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken sowie die Beschaffung rollenden Materials aus. Bieter müssen sich zur Lokalisierung verpflichten.

Von Ullrich Umann | Casablanca

Mit Bahn- und Schienentechnik möchte Marokko in den kommenden Jahren eine dritte hochtechnologisierte Exportbranche aufbauen. Große Fortschritte hatte das Land bereits im Automobilbau sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie erzielt.

Wie in diesen Branchen sollen sich auch in der Bahn- und Schienentechnik ausländische OEM ansiedeln und Zulieferer anziehen. Alstom, Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) sowie die marokkanischen SCIF, GIFER und Hioulle Industries Maroc produzieren in Marokko bereits Dieseltriebzüge und Güterwagen (CAF), Elektrotriebzüge (Alstom Coradia Stream), elektrische Schaltkästen, Kabelbäume, Klimaanlagen, Bordelektronik, Verglasungen sowie Inneneinrichtungen für Passagierwaggons. 

Staat schafft lukrative Ansiedlungsanreize

Regierung und Staatsbahn ONCF (Office national des chemins de fer) vergrößern gegenwärtig das Marktvolumen: So wird ONCF voraussichtlich 2024 den Bau zweier Hochgeschwindigkeitsstrecken ausschreiben. Dabei handelt es sich zum einen um die Strecke Kenitra - Marrakesch im Bauwert von 42 Milliarden Dirham (3,8 Milliarden Euro) und zum anderen um die Verbindung von Casablanca nach Agadir im Wert von 50 Milliarden Dirham (4,5 Milliarden Euro). Die Regierung verpflichtete sich in einem Finanzierungsvertrag mit ONCF zur vollständigen Kostendeckung.

Im November 2023 hatte ONCF die Beschaffung von 168 Zügen, davon 18 für hohe Geschwindigkeiten, im Gesamtwert von 16 Milliarden Dirham (1,45 Milliarden Euro) ausgeschrieben. Die Auslieferung der Züge soll zwischen 2027 und 2030 erfolgen. ONCF fordert, dass sich die Hersteller zur Lokalisierung der Endmontage und Wartung verpflichten. Dadurch soll die marokkanische Bahnindustrie gestärkt und Exportpotenziale ausgebaut werden. Ausfuhrchancen sieht die marokkanische Regierung vor allem in Richtung Afrika. 

Zughersteller aus fünf Ländern im Rennen

Einem Aufruf der ONCF zur Interessensbekundung aus dem Jahr 2022, die der diesjährigen Ausschreibung vorgeschaltet war, hatte die Bereitschaft von zehn Zugherstellern aus Frankreich, Spanien, China, Japan und Korea erkennen lassen, sich für das Beschaffungsprojekt zu bewerben. Aus Deutschland wird sich dem Vernehmen nach kein Produzent an der Ausschreibung beteiligen. 

Das französische Interesse geht vom Systemanbieter Alstom aus, dessen Technologie seit Jahren auf der bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecke Casablanca-Tanger im Einsatz ist. Die marokkanische Staatsbahn ONCF möchte die Beschaffung des rollenden Materials jedoch diversifizieren, weshalb nationale Medien Zugherstellern aus anderen Ländern größere Lieferchancen einräumen. 

Die spanische Talgo bietet den Hochgeschwindigkeitszug Avril sowie den leichten Nah- und Regionalzug EMU an. Allerdings ist die Entwicklung des EMU noch nicht abgeschlossen, weshalb er noch keine Betriebsgenehmigung hat. Unterstützung erhält Talgo von der spanischen Regierung. Sie hatte bei den 12. bilateralen Regierungskonsultationen im Februar 2023 eine Absichtserklärung abgegeben, wonach Spanien den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes in Marokko unterstützt. 

Fachleute räumen aber auch den chinesischen Systemlieferanten gute Gewinnchancen ein. Dazu gehört mit RRC der größte Hersteller von Eisenbahnmaterial der Welt. Auch der zweitgrößte Hersteller, CSR, hat Interesse signalisiert, weiterhin die Changchun Railway Vehicles Group, die sich auf elektrische Lokomotiven spezialisiert. Dabei ist ebenfalls der Anbieter von Güterwaggons, die Zhongtie Heavy Industries Group.

Aus Japan bewerben sich offensichtlich drei Hersteller. Dabei handelt es sich um die Kawasaki Heavy Industries, einen Hersteller von Lokomotiven, Hochgeschwindigkeitszügen, U-Bahnen und Straßenbahnen. Mitsubishi Heavy Industries ist mit einem ähnlichen Angebotsprofil ebenfalls dabei. Ein drittes Unternehmen ist Nippon Sharyo, das sich jedoch eher auf die Lieferung von Straßen- und U-Bahnen konzentriert.

Die Korea National Railway, die Hyundai Rotem sowie die Dong-bu Rail bieten ihre Technologie gleichfalls an und verweisen dabei auf erfolgreiche Beteiligungen an ähnlich gelagerten Vorhaben in Algerien, Nigeria und Ägypten.

Deutsche Bahntechniker mit Chancen als Subauftragnehmer 

Für die künftigen Kapazitätserweiterungen zur Montage und Wartung rollenden Materials und für den Bau der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken können sich deutsche Produzenten von Systemkomponenten für Bahn- und Gleistechnik sowie Ingenieur-, Planungs- und Architekturbüros als Subauftragnehmer bewerben. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass der Berliner Hauptbahnhof in Marokko als ein Benchmark für eine gelungene Lösung angesehen wird. Auch kann die Deutsch-marokkanische Auslandshandelskammer in Casablanca (AHK Marokko) interessierten deutschen Firmen Unterstützungsleistungen anbieten, darunter bei der Geschäftspartnersuche. 

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