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Marokko stellt Erdgasimporte auf LNG um
Marokko will künftig Erdgas in flüssiger Form importieren. Dies würde den Import von Erdgas aus Spanien über die Maghreb-Europa-Pipeline überflüssig machen.
29.04.2024
Von Ullrich Umann | Casablanca
Marokkos Industrie muss mittelfristig mehr Erdgas importieren, um Industriezweige wie die Stahl- und Glasproduktion ausbauen zu können. Ebenso soll Heizöl als Energieträger in der Produktion branchenübergreifend ersetzt werden. Regierung und Wirtschaft setzen dabei auf Flüssigerdgas (LNG), das nach der Anlandung wieder in den gasförmigen Zustand zurückversetzt und über noch zu errichtende Verteilernetze in die Hauptabnehmerregionen gepumpt wird.
In Marokko sollen bis 2030 drei LNG-Terminals entstehen
Dafür will Marokko drei Großanlagen zur Entladung von LNG-Tankern und zur Regasifizierung bauen. Zwei davon sollen bis 2027 fertiggestellt werden, eine dritte bis 2030. Zusätzlich werden mehrere Verbindungsrohrleitungen zwischen den Großanlagen und den wichtigsten Abnehmerregionen sowie grenzüberschreitende Leitungen in die Subsahara verlegt. An den entsprechenden Ausschreibungen können sich deutsche Unternehmen beteiligen.
Die erste Regasifizierungsanlage wird im Mittelmeerhafen Nador West Med gebaut und die Gaskraftwerke Aïn Béni Mathar und Tahaddart mit dem Energieträger versorgen. Der genaue Standort der zweiten Regasifizierungsanlage steht noch nicht fest, soll aber an der Atlantikküste liegen. In Frage kommen Jorf Lasfar oder erneut Mohammedia. Wie die Wirtschaftszeitung L’Economiste Mitte April 2024 berichtete, werden entsprechende Standortstudien unverzüglich in Auftrag gegeben.
Ausschlaggebend für die Standortentscheidung wird die Anzahl und Bedeutung von Industriebetrieben in Hafennähe sein, deren Energiebedarf von Heizöl auf Erdgas umgestellt werden kann. Auch soll die Ansiedlung neuer Produktionsstätten für Stahl und Glas durch die künftige Verfügbarkeit von Erdgas angeregt werden.
Das dritte Terminal wird bis 2030 im Hafen von Dakhla Atlantique errichtet. Die Besonderheit in dieser strukturschwachen Region besteht darin, dass hier Anschlüsse an die Erdgasnetze Mauretaniens und Senegals sowie an die Gasleitung Nigeria-Marokko geschaffen werden. Bei der Finanzierung und beim Betreiben dieser dritten Regasifizierungsanlage möchte der marokkanische Staat die Privatwirtschaft in Form von Privat-Public-Partnerships einbinden.
Zeitraum | Vorhaben |
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bis 2027 | Verlegen von Rohrleitungen zum Anschluss der künftigen Erdgasförderung in Tendara und Anchois an das Verteilernetz |
Bau eines Gasverteilernetzes zwischen dem marokkanischen Teil der Maghreb-Europa-Rohrleitung, den Industriezonen an der Atlantikküste (Kenitra und Mohammedia) und der künftigen Atlantikplattform zur Regasifizierung von LNG | |
bis 2030 | Verlegen von Erdgasrohrleitungen in den Süden Marokkos, um die Nachfrageentwicklung nach Erdgas zu begleiten und die künftigen Plattformen anzuschließen |
bis 2035 | Anschluss des nationalen Verteilernetzes für Erdgas an die Netze Mauretaniens und Senegals sowie an die Rohrleitung Nigeria-Marokko |
Nutzung von Synergien der LNG- und Erdgaseinrichtungen für den Export grünen Wasserstoffs beziehungsweise seiner Derivate |
Ressortübergreifende Absichtserklärung wurde im März 2024 unterzeichnet
Auf das gesamte Investitionspaket verständigten sich im März 2024 vier Ministerien, vier Behörden sowie ein Staatskonzern im Rahmen einer Absichtserklärung. Bei den Ressorts handelt es sich um das Innenministerium, das Wirtschafts- und Finanzministerium, das Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft sowie das Ministerium für Energiewende und nachhaltige Entwicklung. Zu den teilnehmenden Behörden gehören die nationale Hafenverwaltung ANP, die Behörde für Kohlenwasserstoffe und Fördereinrichtungen ONHYM, die Hafenverwaltung Nador West Med sowie die Autobahn- und Straßenbehörde ADM. Der Staatskonzern für Energie und Wasser ONEE hat die Absichtserklärung ebenfalls unterzeichnet.
Die Absichtserklärung gewährleistet ein koordiniertes Vorgehen aller beteiligten staatlichen Verwaltungen beim Bau der drei Regasifizierungsanlagen und aller Pipelines. Diese Koordination war notwendig geworden, nachdem die ANP im Jahr 2022 offensichtlich im Alleingang mit dem Versuch gescheitert war, den Hafen von Mohammedia mit einer Infrastruktur für die Anlandung von LNG auszustatten.