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Special | Marokko | Wasser - Die knappe Ressource

Marokko ist massiv von importierter Wassertechnik abhängig

Der chronische Wassermangel ist in Marokko ein existenzielles Problem. Meerwasserentsalzung, Abwasseraufbereitung und "Wasserautobahnen" sollen für Entlastung sorgen.

Von Ullrich Umann | Casablanca

Marokko importiert Wassertechnik aus einer Reihe von Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien sowie China. Speziell die deutsche Wirtschaft ist erfolgreich bei der Lieferung von kompletten Wasseraufbereitungsanlagen, aber auch von Zulieferkomponenten wie leistungsfähigen Pumpen sowie qualitativ hochwertigen Armaturen und Rohrleitungen.

Deutsche Wassertechnik, die im Vergleich zur Konkurrenz häufig teurer ist, ist in Marokko wegen ihrer hohen Qualität und Lebensdauer gefragt. Immer dann, wenn eine unterbrechungsfreie Versorgung gewährleistet sein muss – und das ist bei vielen Wasserprojekten der Fall – sind Leistungsfähigkeit und störungsfreier Betrieb der Anlagen entscheidende Verkaufsargumente. 

Im Besonderen gilt die gebotene Ausfallsicherheit für die Trinkwasserversorgung in urbanen Zonen, bei der Verhinderung von Umweltkatastrophen durch drohende Gewässer- und Grundwasserverunreinigungen sowie bei der Aufrechterhaltung der Agrarproduktion in Dürreperioden. Letzte hält in Marokko nun schon seit fünf Jahren an. 

Die Betreiber von Meerwasserentsalzungsanlagen haben sogar einen weiteren Versorgungsauftrag bekommen: Sie sollen zusätzliches Süßwasser für die künftige Wasserstoffelektrolyse bereitstellen. In diesem neuen Geschäftsfeld hat das Land nämlich Großes vor und möchte ab 2030 zu einem wichtigen Lieferanten für grünen Wasserstoff in Europa aufsteigen – ohne moderne Entsalzungsanlagen kann das nicht gelingen.

Deutsche Klärtechnik überzeugt

Deutsche Komponenten- und Anlagenbauer überzeugen ihre marokkanischen Kunden mit qualitativ hochwertiger Wassertechnologie und Lösungen, die zusätzlichen Mehrwert schaffen, wie das Beispiel des Unternehmens EnviroChemie zeigt: Der Hersteller stellte in einer Großmolkerei eine Anlage auf, mit der flüssige Molkereiabfälle in Biogas umgewandelt werden.

Erfolgreich sind ebenfalls deutsche Anbieter von Klärtechnik, so die PWT Wasser- und Abwassertechnik. Zwei Kläranlagen konnte der Hersteller in den Industrieparks Sapino (Casablanca) und für den Industriepark Had Soualem und Sahel Lakhyayta schlüsselfertig übergeben. Generell haben den weitaus höchsten Klärbedarf in Marokkos Wirtschaft der Phosphatbergbau und die nachgelagerte Düngemittelherstellung, die Zucker- und Olivenölmühlen, aber auch Gerbereien, die Nahrungsmittel- und Getränkehersteller sowie die Textilindustrie.

Die 88 Kläranlagen, die landesweit in Betrieb sind, dürften im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und des Bevölkerungswachstums mittel- bis langfristig nicht ausreichen. Ausschreibende Stellen für Kläranlagen sind typischerweise neben den Kommunen, Einzelfirmen und Industrieparks auch das staatliche Versorgungsunternehmen für Wasser und Strom, ONEE. Aktuell entsteht eine Kläranlage mit einer Kapazität von 300.000 Kubikmetern pro Tag am Standort Marrakesch. 

Montagewerk für deutsche Hochleistungspumpen geplant

Gute Geschäfte machen auch deutsche Pumpenhersteller wie KBS und Wilo. Für den Geschäftsführer von Wilo Maroc, Adil Toyeb, lag es auf der Hand, dass nach den Umsatzsteigerungen der Jahre 2022 und 2023 nunmehr ein Montagewerk für Hochleistungspumpen in Marokko errichtet wird, berichtet er in einem Interview mit Germany Trade & Invest. Eine vergleichbare Fertigung unterhält Wilo auf dem afrikanischen Kontinent bereits in Kenia. "Nach der Betriebsaufnahme des marokkanischen Werks können wir unsere Technologie auf dem Markt preislich besser platzieren und unsere Lieferzeiten verkürzen. Zusätzlich schaffen wir Kapazitäten, um nord- und westafrikanische Nachbarstaaten kostengünstiger zu beliefern."

Einen Beitrag zum Hochwasserschutz in der 4,5-Millionen-Einwohner-Metropole Casablanca leistete der weltweit tätige Hersteller von Tunnelvortriebsmaschinen, Herrenknecht. Mit Hilfe des deutschen Maschinenbauers wurde ein 5,2 Kilometer langer Tunnel gebohrt, durch den Wasser aus dem Fluss Bouskoura in den Atlantischen Ozean abgeleitet wird, sobald der Fluss über die Ufer zu steigen droht. Neben Casablanca wurden 15 weitere Einrichtungen zur Wasserab- und -umleitung gebaut.

Überwindung des Wassermangels ist vorrangiges Politikziel

Ebenso dringend wie die Abwasserreinigung ist die Aufbereitung von Frischwasser. Denn die Niederschläge sind in den letzten fünf Jahren deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Durchschnittstemperaturen gestiegen, so dass das Wasser schneller verdunstet und die Wasserstände in den Stauseen und Talsperren bedrohlich sinken. Für die Industrie und Landwirtschaft, aber auch für die Bevölkerung in den besonders betroffenen Regionen, kann dies Wasserrationierungen bedeuten.

Für die Politik ist der Wassermangel daher ein vorrangig zu lösendes Problem. Die Verantwortlichen auf allen Verwaltungsebenen stützen sich dabei auf Finanzhilfen bi- und multilateraler Geberinstitutionen sowie auf eigene Haushaltsmittel. 

Mit dem Ministerium für Infrastruktur und Wasser gibt es ein spezialisiertes Regierungsressort. Minister Nizar Baraka legte im Januar 2024 seinen Bericht für das Vorjahr vor. Demnach erreichte die Niederschlagsmenge nur 67 Prozent des über Jahrzehnte gemessenen Durchschnitts. Entsprechend sank der Pegel in den 286 natürlichen und künstlichen Wasserreservoirs. Im Jahr 2022 wurde mit einem durchschnittlichen Füllstand von 33 Prozent sogar ein historischer Tiefstand erreicht.

Um den Wassermangel anzugehen, fährt die Regierung zusammen mit den Territorial- und Kommunalverwaltungen eine mehrgleisige Strategie: Diese besteht unter anderem aus der Errichtung von ökostrombetriebenen Meerentsalzungsanlagen. Weiterhin werden die sogenannten Wasserautobahnen ausgebaut, die ein Netz von Verbindungskanälen und Rohrleitungen zwischen Staudämmen und künstlichen Seen im relativ niederschlagsreichen Norden und dem regenarmen Landessüden bilden. Ebenfalls will die Regierung die Frischwasseraufbereitung und Abwasserklärung energieeffizienter gestalten und nicht zuletzt, dass Landwirte in landwirtschaftliche Bewässerungssysteme investieren.

Zuständige Behörden

Ministerium für Ausrüstung und Wasser

Ministerium für Energietransition und nachhaltige Entwicklung

Agentur für das Wassereinzugsgebiet

Agentur für Agrarentwicklung

Staatsunternehmen für Wasser und Strom ONEE

Rechtsrahmen

Das Gesetz 36-15 stellt den Rechtsrahmen für die gesamte Wasserwirtschaft dar, einschließlich des Schutzes der Wasserressourcen.

Das Dekret Nr. 2-04-553 regelt Einleitungen, Abflüsse, Ableitungen und Ablagerungen in Gewässern.

Ministerialerlässe regeln die Einleitungsobergrenzen nach Industriezweigen sowie die zu verwendende Klärtechnologie.

Meerwasserentsalzung wird zum Milliardengeschäft

Die Meerwasserentsalzung spielt eine Schlüsselrolle bei der Strategie der Regierung zur Bewältigung der Wasserkrise: Bis 2030 sollen 50 Prozent der Trinkwasserversorgung des Landes auf diese Weise gedeckt werden. Die Industrie bezieht bereits heute mehr als 80 Prozent des Nutzwassers aus Entsalzungsanlagen.

Im Betrieb sind neun Entsalzungsanlagen. Zwei Großanlagen, in Safi und Nador, werden derzeit modernisiert und laufen anschließend ausschließlich mit Ökostrom. Für den Bau und das Betreiben einer weiteren Großanlage in Casablanca ging 2023 ein Bieterkonsortium aus der spanischen Acciona und der marokkanischen Akwa siegreich aus einer kommunalen Ausschreibung hervor. Hier liegt die anvisierte Tageskapazität bei 548.000 Kubikmetern. Die Gesamtinvestition wird mit 800 Millionen Euro beziffert, wobei eine Refinanzierung aus den Wassergebühren erfolgt. Die Laufzeit der Betreiberkonzession beträgt 30 Jahre.

Auch die Privatwirtschaft investiert in die Meerwasserentsalzung sowie in die Frischwasser- und Abwasseraufbereitung: Zum einen, um über genügend Prozesswasser zu verfügen, zum anderen, um die gesetzlichen Auflagen zur Industriewasserklärung zu erfüllen. Ein aktuelles Beispiel stellt der Phosphatkonzern OCP dar. Er investiert 13 Milliarden US-Dollar (US$) in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung grünen Ammoniaks, von der Meerwasserentsalzung, Erzeugung von Ökostrom, der Elektrolyse bis hin zur Umwandlung des Wasserstoffs in Ammoniak.

Markt für Tropfbewässerung wächst

Der mit Abstand höchste Anteil am Wasserverbrauch entfällt mit 87 Prozent auf die Agrarwirtschaft. Auf der einen Seite gehört das Land bei Tomaten, teilweise auch bei Avocados, Oliven und Zitrusfrüchten zu den weltweit größten Exportnationen. Auf der anderen Seite musste der Anbau von Melonen wegen Wassermangel drastisch reduziert werden. Bei Weizen ist die dürrebedingte Importabhängigkeit sogar noch gestiegen. 

Um dem Wassermangel entgegenzutreten, beschaffen Agrarproduzenten vor allem Technologie zur Tropfbewässerung. Global operierende Hersteller wie die israelische Netafim und die indische Jain Irrigation eröffneten in Casablanca eigene Vertriebsniederlassungen. Auch die belgische Solvay ist mit ihrer marokkanischen Tochtergesellschaft mit Produkten der Wasseraufbereitung und -filterung in der Agrarwirtschaft unterwegs. Finanz- und Beratungshilfen zur Anschaffung von Bewässerungstechnik erhalten Landwirte unter anderem von der staatlichen Agentur für Agrarentwicklung (ADA).
 

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